„Paradigmenwechsel von langer Hand vorbereitet“ (Bundeswehr-Weißbuch)
Zum Schwerpunktthema der taz vom 13. Juli 2016
Die im neuen Bundeswehr-Weißbuch vorgesehene völlige Abkehr Deutschlands (und der EU) vom einstigen Vorrang der Friedens- und Abrüstungspolitik hin zur Aufrüstungs- und Militärpolitik kommt nicht überraschend. Dieser Paradigmenwechsel, der auch unverblümt und grundgesetzwidrig die militärische Sicherung von Rohstoffen und Handelswegen quasi als Wirtschaftskriege einbezieht, ist von langer Hand vorbereitet und auch längst Bestandteil des GASP (der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU) mit Verankerung im EU-Verfassungsentwurf und jetzigen Lissabon-Vertrag der EU.
Ganze Passagen des neuen Bundeswehr-Weißbuches (und zuvor auch die Reden auf der Münchener Sicherheitskonferenz) lesen sich wie eine Abschrift des dem zugrunde liegenden sicherheitspolitischen Konzeptes der Bertelsmann-Stiftung, das diese bereits im Jahr 2000 mit der Arbeitsgruppe „Venusberg Group“ für die EU - und für die besondere Rolle Deutschlands bei der Verabschiedung als Zivilmacht - erarbeitet hat („Enhancing the European Union as an international Securtity Acta“). Die Europäische Rüstungsagentur, später in „Verteidigungsagentur“ EDA umgetauft, sorgt bereits seit Jahren für die Einhaltung der Aufrüstungsverpflichtungen der einzelnen EU-Staaten. Und die US- und NATO-Administration forderte bereits vor 8 Jahren: „Die deutsche Bundeswehr müsse das Töten lernen und sich an tote Soldaten gewöhnen“(General Rune Solberg 2008).
Längst ist die Bertelsmann-Tochter VAW-Arvato daraufhin mit der Erarbeitung von militärisch-technischen Dokumentationen für die Bundeswehr beauftragt und mit militärischen E-Government-Strategien. Sie sieht es nach eigenen Aussagen - also keine „Verschwörungstheorien“ – zudem als ihren publizistischen Auftrag an, gesellschaftspolitische Akzeptanz für diesen militärischen Paradigmenwechsel zu erzielen und dabei offen zu bekennen, dass es hierbei nicht um „humanitäre Friedenseinsätze“ geht. Dies alles ist nur möglich, weil die Friedensbewegung verstummt ist und die Bevölkerung sich längst an die Militarisierung der Außenpolitik gewöhnt hat. Europa als Friedensprojekt und Friedensnobelpreisträger und Deutschland mit seiner angestrebten militärischen Führungsrolle entwickelt sich zum „Imperium der Schande“ (Jean Ziegler).
Wilhelm Neurohr