Wilhelm Neurohr

20.September 2023:

Weltkindertag: "Jedes Kind braucht eine Zukunft"

Jedes Jahr am 20. September wird der Weltkindertag gefeiert. Das Motto des diesjährigen Weltkindertags lautet „Jedes Kind braucht eine Zukunft!“. Das Deutsche Kinderhilfswerk und UNICEF Deutschland fordern mit diesem Motto ein stärkeres politisches Engagement für eine gerechte und lebenswerte Zukunft junger Menschen. Zur Halbzeit bei der Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung appellieren die beiden Organisationen, das globale Versprechen einzuhalten, kein Kind zurückzulassen.

Darüber hinaus ermutigen die beiden Vereine die Bundesregierung, sich weiter für die Umsetzung der Sustainable Development Goals stark zu machen. Aus Sicht der Organisationen muss die Politik Kinder sowie ihre Rechte dabei mehr als bisher in den Mittelpunkt stellen und vor allem Mädchen und Jungen stärken, die strukturell benachteiligt sind, wie Kinder in ärmeren Haushalten, geflüchtete und migrierte Kinder oder auch Kinder mit Behinderung.

Zum Weltkindertag am 20. September 2023 werden bundesweit zahlreiche Initiativen mit lokalen Demonstrationen, Festen und anderen Veranstaltungen auf die Situation der Kinder und ihre Zukunft aufmerksam machen.

Spoken-Word-Performance zum Thema Kinderrechte

Außerdem werden Schülerinnen und Schüler der 6. Klasse der Löcknitz-Grundschule aus Berlin am 20. September vor dem Kanzleramt eine Spoken-Word-Performance zum Thema Kinderrechte machen. Ihre Ideen und Texte dazu erarbeiten sie zuvor mit der Band Glasperlenspiel in einem Workshop. Die Löcknitz-Grundschule ist eine unserer Kinderrechte-Schulen.

Auf seiner Website schreibt UNICEF zum diesjährigen Weltkindertag:

Das Erreichen der 17 nachhaltigen Entwicklungsziele („Sustainable Development Goals“, SDGs) ist in Gefahr – und damit auch die Verwirklichung der Kinderrechte, denn jedes der in der Agenda 2030 verankerten Ziele hat eine zentrale Bedeutung für Kinder und ihr Wohl. Bereits vor der COVID-19-Pandemie zeichnete sich ab, dass die bisherigen Fortschritte nicht ausreichen, um die Agenda 2030 zu verwirklichen. Die Folgen von Konflikten – insbesondere die gravierenden Auswirkungen des Ukraine-Krieges –, von Klimawandel, Pandemie sowie der Wirtschafts- und Energiekrise gefährden das Erreichen der SDGs nun zusätzlich und bedrohen die Entwicklungschancen zahlreicher Kinder und Jugendlicher weltweit und in Deutschland.

„Wie weit die Welt bei der Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele bisher gekommen ist, lässt sich daran ablesen, wie es Kindern heute geht. Mehr Kinder als je zuvor leiden an Hunger oder wachsen in Armut auf. Gleichzeitig haben weniger junge Menschen Zugang zu guter Bildung oder medizinischer Versorgung. Die Zeit drängt. Wir müssen jetzt deutlich mehr Anstrengungen und Investitionen in ihre Bildung, Entwicklung und ihren Schutz geben – in Deutschland und jeder Region der Erde“, sagt Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland.

„Als Kinderrechtsorganisation müssen wir insbesondere in der politischen Debatte in Deutschland eine geradezu sträfliche Vernachlässigung der Belange junger Menschen wahrnehmen. Kinderinteressen werden systematisch ausgeblendet, obwohl sie als ein vorrangiger Gesichtspunkt ins Zentrum politischen Handelns gehören. Dafür braucht es dringend die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz, eine aktive Politik zur Überwindung der Kinderarmut in Deutschland sowie eine deutliche Stärkung der demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen“, sagt Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Zum Weltkindertag am 20. September 2023 werden bundesweit zahlreiche Initiativen mit lokalen Demonstrationen, Festen und anderen Veranstaltungen auf die Situation der Kinder und ihre Zukunft aufmerksam machen. Parallel zum Weltkindertag ziehen die Vereinten Nationen am 19. und 20. September 2023 beim zweiten SDG-Gipfel in New York eine Halbzeitbilanz der bisherigen Umsetzung der Agenda 2030. Dabei wird es auch darum gehen, wie die Umsetzung der SDGs in der zweiten Halbzeit beschleunigt werden kann.

UNICEF Deutschland und das Deutsche Kinderhilfswerk ermutigen die Bundesregierung, sich weiter für die Umsetzung der SDGs stark zu machen. Aus Sicht der Organisationen muss die Politik Kinder sowie ihre Rechte dabei mehr als bisher in den Mittelpunkt stellen und vor allem Mädchen und Jungen stärken, die strukturell benachteiligt sind, wie Kinder in ärmeren Haushalten, geflüchtete und migrierte Kinder oder auch Kinder mit Behinderung. Einen wichtigen Beitrag dazu können unter anderem die Einführung der geplanten Kindergrundsicherung, der Aktionsplan „Neue Chancen für Kinder in Deutschland“ und die Umsetzung der feministischen Entwicklungs- und Außenpolitik leisten. Um langfristig stabile und zukunftsfähige Gesellschaften zu entwickeln, sollten zudem alle Kinder von klein auf beteiligt und darin bestärkt werden, ihre Meinung zu Gehör zu bringen.

Zu Schicksal der Flüchtklingskinder schreibt UNICEF:

Innerhalb eines Jahres hat sich die Zahl der Flüchtlinge weltweit von 34 Millionen auf 60 Millionen fast verdoppelt – etwa die Hälfte davon Kinder und Jugendliche. Dieser Andrang der Flüchtlinge an den Grenzen Europas wird sich wahrscheinlich noch verstärken. Was sind die Hauptursachen? Passt dies in die globale Agenda 2030? Wie reagiert die Politik wie die Durchführungsorganisationen und was fordern die NROs?

Das BMZ setzt klare Prioritäten. In der Pressemitteilung zum UN-Gipfel „Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele beginnt jetzt“ betonte Gerd Müller: „Angesichts von 60 Millionen Flüchtlingen weltweit seien die neuen Nachhaltigkeitsziele die beste Grundlage, Fluchtursachen zu vermeiden und den Menschen vor Ort in ihren Heimatländern Perspektiven zu schaffen. Die Bekämpfung von Fluchtursachen steht derzeit im Mittelpunkt der Arbeit des BMZ.“

Fluchtursachen

Es gibt kinderspezifische Ursachen wie die Flucht vor Zwangsarbeit, Zwangsrekrutierung als Kindersoldat, eine drohende Zwangsheirat oder Zwangsbeschneidung. Der häufigste Grund sind jedoch Kriege und bewaffnete Konflikte - auch bei Kindern. Kriege entstehen in der Regel aus überlagernden sozialen, wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Interessenkonflikten, an denen der Klimawandel oft unterschätzte Anteile hat.

Im Comic „Syria’s Climate Conflict“ stellt Audrey Quinn plastisch und eindringlich dar, wie eine in Länge und Härte einmalige Dürreperiode zwischen 2006 und 2011 Syriens Landwirtschaft ruinierte und zu einer massive Landflucht von Bauern, Viehzüchtern und deren Familien in die Städte führte. Auch dort wurden nun Wasser und Lebensmittel zu Mangelwaren. Ein schlechtes Management der knappen Ressourcen gepaart mit politscher Unterdrückung durch das Assad-Regime führten letztendlich zum Bürgerkrieg.

„Dieses Zusammenspiel von wirtschaftlichen, sozialen, klimatischen und ökologischen Veränderungen hat den Gesellschaftsvertrag zwischen Bürgern und Regierung untergraben, die Oppositionsbewegungen wachgerufen und die Legitimität des Assad-Regimes unwiderruflich beschädigt“, analysieren Francesco Femia und Caitlin Werrell vom Washingtoner Zentrum für Klima und Sicherheit. Auch den Aufstieg der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) führen die beiden zumindest teilweise auf die lange Trockenperiode zurück“ –so zitiert sie Agnès Sinai in ihrem Artikel „Verwüstung“ in der Le Monde diplomatique.

Der Schutz von Flüchtlingskindern – Aktionen und Diskussionen in Deutschland

Am 14.September hat save the children anlässlich des außerordentlichen Ministertreffens in Brüssel gefordert, einen „5-Punkte-Plan zur Flüchtlingskrise“ zu verabschieden. „Eine Aufstockung der humanitären Hilfe in den Herkunftsländern, Neuansiedlungsmöglichkeiten in den Ankunftsländern, weitere legale und sichere Zugangswege, sowie eine Beibehaltung der Seenotrettung und kindgerechte nationale Schutzmechanismen können zur Lösung der sich dramatisch entwickelnden Flüchtlingskrise beitragen. Bereits 380000 Kinder, Frauen und Männer sind in diesem Jahr nach Europa geflohen. Etwa 2850 Menschen, darunter unzählige Kinder, haben auf der gefährlichen Flucht ihr Leben verloren“.

Aus Sicht von UNICEF Deutschland sind jetzt fünf Punkte für Flüchtlingskinder in Deutschland wichtig, die dringend in allen staatlichen Vorhaben berücksichtigt werden müssen:

1. Kindeswohl hat Vorrang, insbesondere bei der Prüfung des Asylgesuchs eines Minderjährigen

2. Kinderfreundliche Unterbringung mit Zugang zu Gesundheitsversorgung, Freizeit und Bildung

3. Schneller Zugang zu psychosozialer Betreuung

4. Sozialleistungen – unabhängig von ihrem Status

5. Keine Abschiebehaft für Kinder und Jugendliche

Auch save the children forderte „einen besonderen Schutz für Kinder“ durch Anwendung des Kinder- und Jugendschutzgesetzes auch für begleitete Kinder; nationale Mindeststandards für Unterkünfte; Schulung von Betreiber, Personal, Polizei und Ehrenamt im Umgang mit und in der psychosozialen Erstversorgung von Kindern; Qualifizierung von Lehrern und Erziehern in Deutsch als Zweitsprache, Unterstützung von Eltern geflüchteter Kinder; sowie geflüchteten Kindern die vollumfängliche Gesundheitsvorsorge zu gewähren.

Die KfW hat „Flüchtilingshilfe“ zu einem Themenschwerpunkt ihrer Arbeit gemacht. In Deutschland unterstützt die KfW die Kommunen kurzfristig mit zinslosen Darlehen, die in Neu- und Umbau, die Modernisierung sowie den Erwerb von Flüchtlingsunterkünften investiert werden sollen. Unter der Schirmherrschaft des BMWi startete die KfW Stiftung eine bundesweite Initiative zur wirtschaftlichen Eingliederung von Flüchtlingen "Ankommer. Perspektive Deutschland".

Fazit

Fluchtursachen sind vielfältig. Aufgrund seiner wirtschaftlichen Stellung trägt Deutschland bei der angemessenen Versorgung von Flüchtlingskindern im Inland und Ausland und der Vermeidung von Fluchtursachen im Ausland eine besondere Verantwortung. Es wird eine gemeinsame Aufgabe für die kommenden Jahre, diese Herausforderungen zu schultern, denn kein Land wird sich seiner Verantwortung entziehen können.