Wilhelm Neurohr

1) Prof. Dr. Paul Nolte, Berlin:

"Krise der Demokratie? Warum wir besorgt sein müssen, warum wir Vertrauen haben sollten, was wir tun können".

Demokratie ist nicht mehr selbstverständlich, nicht in Deutschland und schon gar nicht um uns herum. Rechter Populismus, halbautoritäre Herrschaftsformen, Spaltung der Gesellschaft, Zerfall der Volksparteien: Könnte das Zeitalter der Demokratie tatsächlich zu Ende gehen?
Paul Nolte plädiert für einen genaueren Blick und mahnt zu Sorge und zu Vertrauen zugleich: In historischer Perspektive steckt die Demokratie tatsächlich in einer ernsten Krise. Aber wir sollten die tiefen Wurzeln nicht übersehen, die demokratische Institutionen und Mentalitäten geschlagen haben, und frühere Zeiten nicht romantisieren, die ihre eigenen Probleme hatten. Demokratie ist offener und vielfältiger geworden, damit aber auch komplizierter und „rauer“. Es gibt kein Zurück zu einer früheren Idealdemokratie. Aber deswegen müssen wir nicht die Hände in den Schoß legen und das Vertrauen in Selbstregierung und offene Gesellschaft aufgeben.
Prof. Dr. Paul Nolte, Jahrgang 1963, lehrt seit 2005 Neuere Geschichte mit Schwerpunkt Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin. Zu seinen langjährigen Forschungsschwerpunkten gehören die Geschichte der Bundesrepublik und die Geschichte der Demokratie, u.a. mit den Büchern „Was ist Demokratie?" (2012) und „Demokratie – die 101 wichtigsten Fragen“ (2015). Paul Nolte ist seit 2009 Präsident der Evangelischen Akademie zu Berlin und seit 2015 berufenes Mitglied der EKD-Synode.

2) Prof. Dr. Harald Welzer, Berlin,

"Die smarte Diktatur - Der Angriff auf unsere Freiheit - Doch: Es könnte auch alles anders sein"

Harald Welzers Analyse: Unsere Gesellschaft verändert sich radikal, aber fast unsichtbar. Das Private verschwindet mehr und mehr, die Macht des Geldes wächst, ebenso die Ungleichheit, wir kaufen immer mehr und zerstören damit die Grundlage unseres Lebens. Statt die Chance der Freiheit zu nutzen, die historisch hart und bitter erkämpft wurde, werden wir zu Konsum-Zombies, die sich alle Selbstbestimmung durch eine machtbesessene Industrie abnehmen lässt, deren Lieblingswort „smart“ ist. Doch es geht auch anders: In realistischen Szenarien skizziert Welzer konkrete Zukunftsbilder u.a. in den Bereichen Arbeit, Mobilität, Digitalisierung, Leben in der Stadt, Wirtschaft, Umgang mit Migration usw. Die vielbeschworene „Alternativlosigkeit“ ist in Wahrheit nur Phantasielosigkeit. Zuschauen ist keine Haltung. Es ist höchste Zeit für Gegenwehr, wenn man die Freiheit erhalten will! Der Vortrag eröffnet neue Handlungsstrategien.

3) Prof. Dr. Klaus Dörre, Jena,

"Demokratische Klassenpolitik - eine Antwort auf den Rechtspopulismus?"

In den alten kapitalistischen Zentren und auch in Deutschland, so die These von Klaus Dörre, werden bestehende, ausgeprägte soziale Ungleichheiten zwischen unten und oben von Seiten der Politik nicht mehr angemessen thematisiert oder problematisiert. Diese Konstellation erzeugt den Humus, auf dem ein völkischer Populismus gedeiht, der Verteilungskämpfe zwischen Klassen in Konflikte zwischen innen und außen umdeutet. Dem lässt sich, so die zweite These, mit inklusiver, demokratischer Klassenpolitik begegnen.
Auf der Basis eigener empirischer Untersuchungen befasst sich der Vortrag mit den Ursachen des neuen Rechtspopulismus und seiner Attraktivität für – vor allem männliche – Arbeiter. Er beschäftigt sich mit der Klassenvergessenheit von Sozialwissenschaften und Politik, setzt sich mit dem „Mythos Mitte“ auseinander und fragt nach Ansatzpunkten für klassenpolitische Gegenstrategien, mit deren Hilfe sich der Rechtspopulismus wirksam bekämpfen lässt.
Prof. Dr. Klaus Dörre ist Soziologe, seit 2005 Professor für Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie an der Friedrich Schiller-Universität Jena. Seine Arbeitsgebiete u.a.: Finanzmarktkapitalismus, flexible und prekäre Beschäftigung, Arbeitsbeziehungen, Gewerkschaften, Soziale Desintegration und Rechtspopulismus. Seit 2001 war er Geschäftsführender Direktor des Forschungsinstituts Arbeit, Bildung, Partizipation an der Ruhr-Universität Bochum.