Wilhelm Neurohr

Leserbrief zum Bericht vom 12.11.2018 über den erstmaligen Besuch von NRW-Ministerpräsident Laschet in den Braunkohledörfern bei Erkelenz

„Staatsoberhaupt“ als untauglicher Begriff aus vordemokratischen Zeiten

In dem Bericht (des Journalisten Christian Schwerdtfeger) über den erstmaligen Besuch von NRW-Ministerpräsident Laschet bei den Bürgern in den Braunkohledörfern bei Erkelenz stoße ich mich daran, dass der Ministerpräsident des Landes NRW als „Staatsoberhaupt“ tituliert wird. Zuvor wurde wiederholt in anderen Berichten auch der Bundespräsident als „Staatsoberhaupt“ bezeichnet – eine journalistische Unsitte.

Denn diesen Titel für die indirekt gewählten Volksvertreter an der Spitze der staatlichen Ämterhierarchie gibt es weder in der Landesverfassung noch im Grundgesetz, sondern er wurde zuletzt in der Weimarer Verfassung gebraucht und danach abgeschafft. Denn „Oberhaupt“ steht Synonym für Monarch, Religionsführer oder Alleinherrscher aus vordemokratischen obrigkeitsstaatlichen Zeiten. Oder in der vorfeministischen Biedermeierzeit für den Vater als „Familienoberhaupt“.

In einer parlamentarischen Demokratie, wo das Parlament die demokratische „Herzkammer“ ist und somit unser regierender Ministerpräsident lediglich das Exekutiv-Organ ist oder der Bundespräsident uns lediglich nach innen und außen repräsentiert, ist der flapsige und antidemokratische journalistische Begriff „Oberhaupt“ aus der Vergangenheit völlig fehl am Platze und weckt allenfalls latente rückwärtsgewandte Sehnsüchte nach Monarchie oder starken Führern, die für uns denken und handeln und vor denen wir unsere Häupter beugen. Dafür sind wir aber (hoffentlich) zu emanzipiert.

Wilhelm Neurohr