Wilhelm Neurohr

Insgesamt 41 mal machten Regierungsbeamte wichtige Gründe geltend für eine Beurlaubung zwecks Tätigkeiten in der Wirtschaft

Die aktuelle Veröffentlichung von Abgeordentenwatch ist zu finden unter:

https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/2018-05-02/siemens-daimler-volkswagen-die-tatigkeiten-von-regierungsbeamten-der-wirtschaft#pk_campaign=nl20180506

Hier einige Auszüge:

Für einen Beamten des Bundes gelten eine ganze Reihe an Maßgaben. So hat er dem „ganzen Volk“ zu dienen, das „Wohl der Allgemeinheit“ zu beachten und Vorbild zu sein – selbst in seiner Freizeit. „Innerhalb und außerhalb des Dienstes“, so verlangt es das Bundesbeamtengesetz (BBG), muss ein Staatsdiener „der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert.“

Man fragt sich, wie derlei Grundsätze mit einem Lobbyjob in der Automobilwirtschaft zu vereinbaren sind.

Vor vier Jahren räumte ein hochrangiger Beamter seinen Schreibtisch im Auswärtigen Amt (AA), um Erfahrungen in der freien Wirtschaft zu sammeln. Anstatt in der Behörde Akten zu studieren, ist der Staatsdiener seitdem beim Volkswagen-Konzern für's internationale Lobbygeschäft zuständig – als Leiter „Konzern Außenbeziehungen International" (inzwischen Leiter "Internationale und Europäische Politik"). Anfang 2018 übernahm der beurlaubte Außenamtsmitarbeiter dann sogar kommissarisch den Posten des Cheflobbyisten der Volkswagen Gruppe, nachdem der frühere Regierungssprecher Thomas Steg im Zuge des Abgasskandals über die umstrittenen Affenversuche gestolpert war.

Bilfinger, Siemens, Telekom

Der VW-Lobbyist mit Beamtenstatus ist ein Extrembeispiel, ein Einzelfall ist er nicht. Eine aktuelle Antwort der Bundesregierung auf eine Linken-Anfrage listet mehrere Dutzend Staatsdiener auf, denen Bundesministerien und -behörden seit Anfang 2004 Sonderurlaub für eine Tätigkeit in Unternehmen, Wirtschaftsverbänden und Organisationen bewilligt haben. Einige Beispiele:

  • Ein Beamter aus dem Bundesverkehrsministerium steht seit 2016 beim Baukonzern Bilfinger auf der Gehaltsliste. In welcher Abteilung der Staatsdiener für Bilfinger, einem Empfänger von Staatsaufträgen, arbeitet, will das Verkehrsministerium nicht sagen. Der Sonderurlaub ist bis 2020 bewilligt.
  • Ein Beamter aus dem Bundeswirtschaftsministerium war von 2009 an zwei Jahre lang als „Leiter einer Repräsentanz“ in der „Automobilbranche“ tätig, konkretere Angaben zum Arbeitgeber macht das Ministerium nicht. Anschließend kehrte er an seinen Behördenschreibtisch zurück.
  • Ein Beamter des Auswärtigen Amtes erhält sein Gehalt seit 2015 vom Siemens-Konzern, wo er im Bereich „Internationale Beziehungen“ untergekommen ist. Überhaupt fällt auf, dass es Beamte aus dem Außenamt besonders gern zu Dax-Unternehmen zieht. Neben VW und Siemens wechselten Staatsdiener in den vergangenen Jahren auch zu Daimler und der Telekom, jedes Mal mit dem Einsatzgebiet „Internationale Beziehungen“. Die beiden Letztgenannten kehrten anschließend ins Ministerium zurück.

Wertvolle Kontakte für Lobbyanliegen

Für die Wirtschaft ist das Gastspiel der Staatsdiener ein Glücksfall, selbst wenn sie für deren Gehaltskosten aufkommen müssen. Denn Unternehmen und Interessenverbände gewinnen auf diese Weise wertvolle Kontakte, bei denen sie später nur noch durchklingeln brauchen, wenn sie im Ministerium ein Anliegen vortragen möchten.

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Selbst Beamte aus dem Auswärtigen Amt, das sonst eher nicht im Fokus der Lobbyisten steht, nehmen international ausgerichtete Konzerne gerne auf, schließlich versteht sich der Bundesaußenminister auf Reisen immer auch als oberster Interessenvertreter der deutschen Industrie.