Wilhelm Neurohr

Bundestagswahlkampf: „Deutsche Parallelen zum US-Wahlkampf von Donald Trump?“

Im deutschen Bundestagswahlkampf treten unerwartete Parallelen zum letzten Wahlkampf in den USA auf. Zur Erinnerung: Wohl alle deutschen Politiker und Parteien (mit Ausnahme der AfD) hatten aufgeatmet, als in den USA der Rechtspopulist Donald Trump durch Jo Biden endlich abgelöst wurde. Zuletzt hat ihm seine populistische Behauptung im Wahlkampf eher geschadet als genutzt, wonach unter einem Präsidenten Biden mit seinen „nach links gerückten“ Demokraten angeblich der Sozialismus oder Kommunismus drohe. Diese plumpe Wahlkampftaktik der „Trumpisten“ wurde damals auch in Deutschland von allen einhellig verurteilt.

Nunmehr haben die deutschen Wahlkämpfer der selbst ernannten „bürgerlichen Parteien der Mitte“ ausgerechnet Donald Trump als großes Vorbild im deutschen Wahlkampf auserkoren, welch Sinneswandel: Denn die „Trumpisten“ in CDU und FDP sowie AfD und einige der ihnen zugeneigte Journalisten benutzen im Endspurt des laufenden Wahlkampfes peinlicherweise exakt die gleichen populistischen Parolen: Mit Olaf Scholz und seiner angeblich „nach links gerückten SPD“ drohe die rote Gefahr des Sozialismus, in einem „linken Koalitionsbündnis“ sogar der Kommunismus. Selbst die scheidende Kanzlerin von der angeblich „sozialdemokratisierten“ CDU stieß im Bundestag polemisierend in das gleiche primitive Horn, teilweise unter dem Beifall der Medien, obwohl sie zuvor 12 Jahre lang mit den gefährlichen „Roten“ koaliert hatte.

In Wirklichkeit steht in den „linken“ Wahlprogrammen der SPD und sogar der Linkspartei nichts anderes, als was in der zurückliegenden Regierungsära Brandt und Schmidt allseits akzeptierte Staatspolitik mit sozialer Orientierung war, die jetzt plötzlich als „rote Gefahr beschworen wird. Dabei haben laut Umfragen die sozialen Fragen in der Wählerschaft eine noch höhere Priorität als der Klimaschutz. Für die Wählerschaft ist deshalb die neuerliche „Rote-Socken-Kampagne“ der Mitte-rechts-Parteien eine intellektuelle Zumutung!

Deren Neuauflage durch die nervös gewordene CDU ist äußerst albern und erfordert einen Blick in die Historie: Hat man schon vergessen, dass in Deutschland die CDU bereits unter Helmut Kohl und Generalsekretär Biedenkopf ihre Wahlkampagne 1976 mit dem populistischen Slogan „Freiheit statt Sozialismus“ auf ihren Plakaten gegen den Wahlgegner Helmut Schmidt (mit seinem Koalitionspartner Hans-Dietrich-Genscher) und zuvor gegen Willy Brandt geführt hat? Und die Düsseldorfer CDU hatte noch 2019 im Europawahlkampf diese Schallplatte neu aufgelegt gegen ihren langjährigen Koalitionspartner SPD in der Bundesregierung. Droht uns mit Olaf Scholz der Sozialismus? Dazwischen gab es die „Rote-Socken-Kampagne“ von CDU-Generalsekretär Peter Hintze.

Noch toller trieb es Konrad Adenauer: Ihm gelang 1953 mit der Wahlkampfparole „Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau“ ein Erdrutschsieg gegen die SPD mit dem unterlegenen Spitzenkandidat Erich Ollenhauer. Die FDP hatte sogar plakatiert: „Wer Ollenhauer pflügt, sät Moskau – deshalb wählt FDP“. Wie sich die Zeiten ändern: Vielleicht koaliert die FDP demnächst sogar mit dem roten Olaf Scholz? Eigentlich müsste ein Wahlsieger SPD alle populistischen Trumpisten als Koalitionspartner ablehnen!

Wilhelm Neurohr