Wilhelm Neurohr

„Nur die Ruhe ist heiter, die uns die Vernunft schenkt“

Kannte der aufgeklärte und technikaffine Mensch des 21. Jahrhunderts nur die positive Freiheit, die „Freiheit zu“, so spürt er nunmehr die negative Freiheit, die ihm als Ausgangssperre die eigentliche Handlungsfreiheit verstellt und in ungekannte Zwangslagen bringt. Doch diese Selbstbeschränkung gilt es auszuhalten, stoisch zu ertragen. Die äußere Unfreiheit in die innere Freiheit positiv zu übersetzen ist das Gebot der Stunde, die einst verlorene Seelenruhe zurückgewinnen und dem getriebenen Ich ein Stück weit Frieden, Langsamkeit und Besinnlichkeit zu geben. Das bleibt das Einzige, was uns in diesen Zeiten übrig bleibt. Verwandeln wir sie zu einer neuen Tugend, die in der Beschränkung möglicherweise einen neuen Sinn zu Reflexion, zu einer neu sich erfindenden Innerlichkeit und besonneneren Ruhe findet. „Nur die Ruhe ist heiter, die uns die Vernunft schenkt“, hatte ja Seneca schon gelehrt.

Stefan Groß-Lobkowicz (Philosoph)