Wilhelm Neurohr

Leserbrief an die Ruhr-Nachrichten zum „Blickpunkt Spanien“ vom 12. Oktober 2017 (Erweiterte Fassung):

„Spanien und die Katalanen -

Europa der Regionen“ statt „Nationalstaaten“ als einigendes Föderalismus-Prinzip

Das Dilemma Spaniens und letztlich auch Europas sind die undifferenzierten sowie diffusen Begriffe von Volk und Nation und deren missverstandenes „Selbstbestimmungsrecht“. Separatistische Abspaltungstendenzen einzelner Regionen könnte man dann vermeiden, wenn man sauber unterscheiden statt vermischen würde:

  • Kulturelle Autonomie einerseits, die jeder Region und Volksgruppe in Europa problemlos zugestanden werden könnte.
  • Rechtliche „Autonomie“ andererseits im Sinne des Föderalismus, bei dem die Regionen innerhalb des gesamtstaatlichen Rechtsrahmens eigene rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten haben (wie etwa unsere Bundesländer) - unter Beachtung des so genannten „Subsidiaritätsprinzips“, d.h. die höhere Ebene gestaltet nur solche übergeordneten Rechtsfragen, die nicht besser auf der unteren Ebene aufgehoben sind. (Das muss auch die EU noch lernen).
  • Und schließlich die abwegige „wirtschaftliche Autonomie“, die es im Zeitalter der Globalisierung und Arbeitsteilung nicht geben kann, wohl aber bewusste Stärkung der regionalen Wirtschaft im Sinne regionaler Kreisläufe, von der auch der Gesamtstaat und Europa wirtschaftlich profitieren würden – zuzüglich Entlastung der Verkehrsadern.

Kulturraum, Wirtschaftsraum und (staatliche) Verwaltungs- und Rechtsgemeinschaft müssen also nicht unbedingt identisch und homogen sein.

Und als langfristige Perspektive: Ein föderalistisches „Europa der Regionen“ auf dieser Basis, das sich vom überholten Nationalstaatsprinzip völlig verabschiedet. Denn es sind weniger einige Separatistenbewegungen, die Europa ernsthaft gefährden, als vielmehr die egoistisch und machtpolitisch ausgerichteten Nationalstaaten mit ihrem „Nationalismus“, die derzeit der europäischen Solidarität und dem Zusammenhalt zerstörerisch entgegenwirken.

Die Nationalstaaten sind mehr oder weniger künstliche Gebilde, während die gewachsenen Regionen als die kultuzrellen Wurzeln Europas angesehen werden können, wenn sie entsprechendes europäisches (grenzenloses) Bewusstsein repräsentieren.

Es geht also nicht um „Kleinstaaterei“ - davon hat Europa ja längst einige “Zwergstaaten“ (wie Luxemburg, Malta, Liechtenstein, Andorra, Monaco, San Marino, Gibraltar, Vatikanstadt, Isle of Man, Kanalinseln, Färöer, Athos, Aland). Vielmehr geht es um Schritte zur Dezentralität in der Gliederung Europas und um mehr Subsidiarität – auch als Schutz vor einem vormundschaftlichen Zentral- und Einheitsstaat.

Wilhelm Neurohr

Siehe hierzu auch den interessanten Beitrag von Ulrike Guérot: http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-10/katalonien-krise-spanien-eu-zukunft-unabhaengigkeit/seite-2

oder auch den Beitrag in der Frankfurter Rundschau: http://www.fr.de/politik/meinung/leitartikel/leitartikel-europa-der-regionen-a-1380672

sowie: http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/176852/europa-der-regionen