Wilhelm Neurohr

Pressebericht:

„Angriff auf Sozialstaat und Demokratie“

Wilhelm Neurohr beim Linken Forum zu „Transatlantischen Freihandelabkommen“

„Der Rat unterrichtet die Einwohner über alle wichtigen Planungen und Vorhaben, die das wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Wohl ihrer Einwohner nachhaltig berühren. Die Einwohner sollen möglichst frühzeitig über die Grundlagen sowie Ziele, Zwecke und Auswirkungen unterrichtet werden.“ So steht es in der Kommunalverfassung NRW. – Doch sind die Kommunen dieser Auskunftsverpflichtung im Falle von TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership), dem bislang „umfassendsten Angriff auf die kommunale Selbstverwaltung“ nachgekommen? Das fragte Wilhelm Neurohr, Referent bei einer Kooperationsveranstaltung des Linken Forum Paderborn mit attac, dem DGB und ver.di zum Thema „Das TTIP-Komplott“. Sachkundig erläuterte Neurohr die Gefahren und Auswirkungen des geheim verhandelten Freihandelsabkommens zwischen den USA und der EU, das, auch auf massives Betreiben von Angela Merkel und der Bertelsmann-Stiftung, schon 2015 zum Abschluss gebracht werden soll.

Bei TTIP, einem 2000 Seiten umfassenden Vertragswerk, verhandelt in der Hauptsache durch 600 Lobbyorganisationen und 120 transnational agierende Konzerne, gehe es längst nicht nur um den Abbau von Zollschranken oder den Import von Chlorhähnchen. „Nahezu alle Aufgabenbereiche der Kommunen sind berührt“, wusste Neurohr, der jahrelang Personalratsvorsitzender der Kreisverwaltung Recklinghausen war und sich seit geraumer Zeit mit dem Thema beschäftigt. Die Liste der Eingriffe in kommunale Aufgabenbereiche sei lang: Sie beträfen Umwelt- und Sozialauflagen, Arbeitnehmerrechte und den Verbraucherschutz ebenso wie öffentliche Ausschreibungen, die Wasserversorgung, die regionale Wirtschaftsförderung oder die Subventionierung örtlicher Bildungs- und Kultureinrichtungen. Neurohr: „Es ist abzusehen, dass in die kommunale Planungs- und Gestaltungshoheit massiv eingegriffen werden soll zugunsten weiterer Privatisierungen und Deregulierungen.“ Wenn eine Privatisierung, zum Beispiel bei der Übernahme kommunaler Verwaltungsaufgaben, gescheitert sei, solle verbindlich vorgeschrieben werden, dass ein anderes Privatunternehmen zum Zuge kommt.

Um zu verdeutlichen, welcher unternehmerischen Strategie das TTIP-Abkommen folge, zitierte Neurohr den verstorbenen Unternehmenspatriarchen Reinhard Mohn, der sich erfreut über die klammen Haushaltslagen der Kommunen gezeigt habe, denn nun sei der Weg für weitere Privatisierungen vormals öffentlicher Aufgaben offen.

Unter dem Strich lasse sich sagen, so Neurohr, dass die Gewinner des Abkommens die Großkonzerne seien, während arme Länder, die Verbraucher und die Umwelt – etwa durch die Einführung von Fracking, Genpflanzen und Hormonfleisch – zu den Verlierern zählten. „Letztlich geht es um einen Angriff auf die Demokratie und den Sozialstaat im umfassenden Sinn.“

„Aber der Widerstand gegen TTIP wächst“, zeigte sich Neurohr durchaus optimistisch, dass das Vertragswerk durch den sich ausweitenden Protest von Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und aus der Zivilgesellschaft noch zu Fall gebracht werden könne. Formen der Einmischung von unten könnten bestehen in Ratsanfragen, Resolutionen, der Einberufung von Bürgerfragestunden oder von Bürgerversammlungen, verbunden mit Unterschriftenaktionen. Henry Wolf von attac verwies in diesem Zusammenhang auf eine in Paderborn stattfindende Demonstration gegen das Freihandelsabkommen am Donnerstag, 15. Mai um 16.30 Uhr vor dem Rathaus. Referentin dort wird u.a. Roswitha Köllner, Ratsfrau der Demokratischen Initiative Paderborn, sein.