Ein völlig veränderter Umgang mit Geld und das Übernehmen von Verantwortung für das soziale Zusammenleben der wirtschaftlich voneinander abhängigen Menschen und ihre Zukunft ist eine unverzichtbare Konsequenz aus der gegenwärtigen Krisensituation. Mit dem weltweiten Aufbruch einer neuen sozialen Jugendbewegung in den gegenwärtig bedrohlichen Krisenzeiten spüren immer mehr Menschen, dass sie eigene Verantwortung für das wirtschaftliche und politische Geschehen übernehmen müssen, weil alle Menschen in der Weltgemeinschaft schicksalhaft voneinander abhängig sind. Für eine solidarische Neugestaltung der Verhältnisse ist soziale Phantasie und Sozialkompetenz gefragt sowie eine Rückbesinnung auf das Gemeinwohl anstelle des Eigennutzes.
Größte Protestbewegung in der Menschheitsgeschichte
Der 15. Oktober 2011 wird in die Geschichtsbücher eingehen, nachdem in 82 Ländern dieser Welt über 20 Millionen Menschen in fast 1000 Städten gegen die Macht der Finanzmärkte zeitgleich auf die Straßen gegangen sind – mehr noch als am 15. Februar 2003, als insgesamt 18 Mio. Menschen in 660 Städten der Erde als weltweite Friedensbewegung gegen den beginnenden Irak-Krieg aufbegehrten. Nur 4 Wochen nach den anfänglichen Protesten an der New Yorker Wallstreet ist eine weltweite Protestbewegung vor allem junger Menschen gewachsen, übrigens die größte in der Menschheitsgeschichte: Eine halbe Million Menschen alleine in Rom, jeweils Hunderttausende in anderen Städten und Ländern, zigtausende in deutschen Städten.
Die soziale Funktion des Geldes ist verloren gegangen
Weltweit erkennen die Menschen infolge der anhaltenden und chaotisch verlaufenden Finanz- und Wirtschaftskrise, die sich immer weiter zuspitzt, dass die soziale Funktion und Qualität des Geldes, das sich von den realen Wirtschaftsprozessen abgelöst hat, verlorengegangen ist - zum Schaden aller. Zugleich schwindet damit scheinbar die politische und demokratische Einflussmöglichkeit auf die bedrohlichen Geschehnisse. Die weltweit vagabundierenden Geldströme werden immer größer, die Kurse an den Aktien- und Devisenmärkten reagieren immer verrückter und die Notenbanken bekommen Geldmenge und Kaufkraft nicht in den Griff. Die vermeintlich krisenfreie Marktwirtschaft ist infolge der politischen Deregulierung der Finanzmärkte zu einer Art Finanzmarktdiktatur ausgeartet. Das viele Geld in Händen einiger weniger zum eigenen Vorteil nach dem alten Motto „Geld ist Macht“ führt in Wirklichkeit zur Ohnmacht derer, denen der Sinn für das Wesen des Geldes in einem gemeinwohlorientierten Wirtschaftsprozess abhanden gekommen ist. Der Ast, auf dem alle saßen, wird gerade abgesägt.
Mit altem Denken keine Krisenbewältigung
Trotz jährlicher Steigerung der Wirtschaftsleistungen und des konzentrierten Reichtums sind die Menschen mit immer größere Verschuldung, Armut und Arbeitslosigkeit konfrontiert. Derweil haben die Eliten in Politik und Wirtschaft keine erkennbaren Alternativen vor Augen, sondern hilflos und aufgeregt möchten sie den neuen Herausforderungen mit altem Denken und Handeln begegnen. Immer größere Widersprüche und Unstimmigkeiten im Bereich unserer Geld- und Währungsordnung beeinflussen unser Wirtschaften und Leben nachhaltig.
Die Forderungen der weltweit protestierenden Demokratie- und Sozialbewegung gehen deshalb in Richtung Gemeinwohl-Ökonomie statt Konkurrenzwirtschaft, gegen Geldgier und Sozialdarwinismus als gültiges Wirtschaftsprinzip, Revolution des Bewusstseins in der Zivilgesellschaft
Die zivilgesellschaftliche Bewegung, die nach politischer Partizipation und Mitverantwortung strebt, ist den Eliten damit um einiges voraus. Eine Revolution des Bewusstseins steht bei den politischen und wirtschaftlichen Eliten noch aus, deshalb riskieren sie in ihrem Beharren im alten System die Zuspitzung der Protestbewegung zu einer wahren Revolutionsbewegung. Das derzeitige Chaos an den Finanzmärkten droht bei Zuspitzung der Krise in ein politisches Chaos auszuarten. Deshalb sind viele Menschen bestrebt, das gemeinschaftliche Schicksal selber in die Hand zu nehmen und Mitverantwortung zu übernehmen; insbesondere die Jugend ahnt, dass es auch um ihre Zukunft geht.
Rückblickend waren es fast nie die Parteien, Regierungen oder Parlamente, die große gesellschaftliche Veränderungen angestoßen haben, sondern fast immer und überall die zivilgesellschaftlichen Bewegungen: Die Umweltbewegung, die Frauenbewegung, die Arbeiterbewegung, die Friedensbewegung, die Freiheitsbewegung, die Menschenrechtsaktivisten oder friedlichen Revolutionäre in der DDR. Politik hat zumeist nur reagiert, zuletzt auf die beharrliche und nach Jahrzehnten erfolgreiche Anti-Atom-Bewegung. Sie wird nun bald reagieren müssen auf die neue Demokratie- und Sozialbewegung, die in ihrem aktiven Kern eine Jugendbewegung ist. Auf den Schildern der Demonstranten ist zu lesen: „Keine Steuergelder an die Zocker“ oder „Gegen Kapitalismus als Religion“.
Die Jugend begehrt gegen den „Gott Mammon“ auf
Stürzt die Bewegung den Gott Mammon von seinem Thron? Mahatma Gandhi hatte in Bezug auf Europa schon lange vor der späteren Fixierung Europas auf konkurrierende Finanz- und Binnenmärkte erkannt und vorausgesehen: „Europa ist nur dem Namen nach christlich. In Wirklichkeit betet es den Mammon an.“ Diese Beherrschtheit vom Mammon schafft die unsägliche Kluft zwischen arm und reich, gefährdet die Demokratie und das Gemeinwohl, behindert die Solidarität und die Freiheit der Individuen, verstößt gegen die Menschenrechte und Menschenwürde. Und sie zerstört die Zukunft junger Menschen sowie die Umwelt und diesen Planeten.
Eine scheinbar „unpolitische“ Jugend hat dafür ein sicheres Gespür entwickelt und begehrt auf, und mit ihr auch die älteren Generationen. Auf eine nur vorübergehende und wieder abklingende Erscheinung sollte vorerst niemand hoffen. Nichts wird mehr so sein wie vorher. Von der bloßen Empörung ist die zivilgesellschaftliche Protestbewegung mit sozialer Phantasie längst zu kreativen Gestaltungsideen übergegangen. Dringt die neue solidarische Sozialbewegung mit ihren menschengemäßen sozialen Ideen für ein anderes Wirtschaften und mit einem Menschenbild auf spiritueller Grundlage durch? Der versteckte Ruf nach Entflechtung statt Verbrüderung von Politik und Wirtschaft und nach kultureller Befreiung von den Zwängen der Finanzwirtschaft ist aus der neuen sozialen Bewegung geradezu herauszuhören, als Ansatz für eine veränderte Sozialordnung.
Die politischen Repräsentanten vertreten nicht mehr die Interessen der Mehrheit
Die Menschheit steht 2011 und 2012 vor einer schlimmeren Finanz- und Wirtschaftskrise als 2008, obendrein vor einer Demokratiekrise der parlamentarischen Demokratie. „Ihr repräsentiert uns nicht“, lautet deshalb der berechtigte Vorwurf der Protestbewegung. Ihr Schicksal und ihre Zukunft selber in die Hand zu nehmen, dazu haben sich im Zuge der Protestbewegung Millionen Menschen willensstark aufgerafft. Das alleine lässt auf Veränderungen hoffen, wie sie diese Welt noch nicht erlebt hat.
Eine neue soziale Bewegung ist also in Eigeninitiative für mehr Demokratie, Partizipation und soziale Gerechtigkeit auf den Plan getreten, nachdem zuvor in Spanien und den übrigen Ländern Südeuropas, in England, in Israel, in Chile sowie an der New-Yorker Wallstreet die Empörten für den Auftakt gegen die Diktatur der Finanzmärkte sorgten und sich seither weltweit vernetzen. Die politischen Repräsentanten vertreten nicht mehr die Interessen der Mehrheit der Menschen und gefährden die Zukunft einer „verlorenen Generation“, so lautet der berechtigte Vorwurf. Und die weltweiten Proteste des 15. Oktober sind offensichtlich kein kurzlebiges „Strohfeuer“ eines einzelnen Protesttages, sondern wurden auch am Samstag, dem 22. Oktober weiter fortgeführt und werden sich noch verstetigen und verstärken. Am 12. November 2011 umzingelten die Protestierenden erneut mit Menschenketten die Banken und Börsen. Doch eine Woche später reagierte in mehreren Ländern zeitgleich nach Absprache die polizeiliche Staatsgewalt und räumte die Zeltlager der Demonstranten vor den Regierungs- und Bankgebäuden in einer konzertierten Aktion. Aber danach geht die Bewegung zu anderen Aktionsformen über und lässt sich nicht zurückdrängen, sondern erfährt noch mehr Verstärkung und Zulauf.
Die Finanzmärkte haben die Welt an den Rand des Ruins gebracht
„Die Anbetung der grenzenlosen Freiheit der Märkte hat die Welt an den Rand des Ruins gebracht und das Ende der kapitalistischen Epoche eingeläutet“, so erkennen daraufhin selbst diejenigen deutschen und europäischen Politiker, die sich seit den 90-er Jahren dem Neoliberalismus verschrieben hatten und die Deregulierung der Finanzmärkte nach Beratung durch maßgebliche Bankmanager und Börsianer maßgeblich mit vorantrieben. Sie zeigen neuerdings Verständnis für die aufkommende Protestbewegung, beraten aber zeitgleich systemerhaltende statt -verändernde Maßnahmen. Öffentlich wird erklärt: Der Raubtier-Kapitalismus müsse ein zweites Mal gebändigt werden – als sei er schon einmal gebändigt worden.
Die notwendigen Rahmenbedingungen für eine gemeinwohl-orientierten statt konkurrenz-orientierten Wirtschaft sind nicht wirklich im Bewusstsein. Die mehrheitlichen Interessen der Menschen, die zunehmend verarmen und sich auch privat verschulden müssen, sind ebenso wenig im Bewusstsein wie die Interessen der Staatengemeinschaften und der Kommunen, die sich systembedingt weiter exorbitant verschulden, obwohl Schuldenabbau propagiert wird. Auf diese Widersprüche und Missstände weist die Occupy-Bewegung hin.
Wie lernfähig sind die Beteiligten?
Bei der letzten Finanzkrise 2008, die seit 5 Jahren anhält und sich weiter zuspitzt, gab es ähnliche Lippenbekenntnisse, ohne dass es zu einer wirklich wirksamen Regulierung der Finanzmärkte durch das Primat der Politik kam, wie seinerzeit einhellig angekündigt. Vielmehr hat seit Beginn der Finanzkrise im Herbst 2008 die deutsche Finanz- und Versicherungswirtschaft den politischen Parteien kräftig mit Geldspenden gedankt, wie den Veröffentlichungen der Bundestagsverwaltung zu entnehmen ist. Auch blieb nach Recherchen von Nichtregierungsorganisationen die Bundesrepublik Deutschland als „Steuerparadies“ für die Finanzwelt auf den vorderen Rangplätzen der 73 bedeutendsten „Schattenfinanzplätze“. Zudem profitieren deutsche Kreditinstitute von der Kapitalflucht aus Krisenländern der Eurozone wie Griechenland und sind Mitverursacher der dortigen Probleme.
Die „Diktatur der Finanzmärkte“ wurde demzufolge nicht eingeschränkt; das „Spielcasino“ ging munter und nahezu ungehindert weiter, weil die handelnden Personen und herrschenden Ideologien sowie teilweise auch korrupten Verhältnisse in Wirtschaft, Banken und Politik die gleichen blieben. Das ist im Vergleich so ähnlich, als hätte man nach dem Zusammenbruch der DDR-Diktatur den Staatschef Honecker und seine Getreuen ungehindert an den Schalthebeln der Macht belassen aufgrund ihres bloßen Versprechens, nunmehr wirkliche Demokratie und Menschenrechte zu beherzigen. In funktionierenden Demokratien sollte hingegen politisches Versagen eigentlich zu Abwahl oder Rücktritt führen. In unseren demokratischen Systemen können Parteien zwar abgewählt werden, aber damit ist offenbar immer noch nicht die gemeinwohlschädigende neoliberale Politik abgewählt, die ganz offensichtlich von der nächsten Parteienkonstellation unverdrossen fortgeführt wird. Die im richtigen Handeln sichtbare Lernfähigkeit hält sich jedenfalls in Grenzen. Darum bedarf es der zivilgesellschaftlichen Protestbewegung – und des Bewusstseinswandels und der Verhaltensänderung aller am Wirtschaftsleben Beteiligten. Ohne eine Neubesinnung auf eigentliche Funktion des Geldes für das Wirtschaftsleben gibt es keine Verbesserung der sozialen Verhältnisse. Vermehrbares Geld als Handelsware und die Gier nach Mammon haben nach ihrem Zerstörungswerk ausgedient.
Götterdämmerung ist angesagt
Götterdämmerung ist angesagt, bei den herrschenden Eliten ebenso wie beim Gott Mammon. Das „Göttliche“ in den verantwortungsbereiten und selbstbewussten Menschen ist erwacht, denn das lebt in der sozialen und mitfühlenden Gesinnung - und im Bewusstsein der Verbundenheit und gegenseitigen Abhängigkeit der gesamten Menschheit. Das unterscheidet die Protestierenden von den marktbeherrschenden Finanzjongleuren und denjenigen lobbyhörigen Politikern, die nicht begreifen, dass sie mit ihrem Finanzgebaren und dessen politische Duldung für Hunger, Leid und Elend in der Welt die maßgebliche Mitverantwortung tragen. In diesen bewegten Zeiten wird offenbar, wer auf welcher Seite steht.
Occupy Mammon. Das Ende der Konkurrenzwirtschaft
Der weltweite Aufbruch in den Krisen der Gegenwart zeigt, dass immer mehr Jugendliche selbst Verantwortung für das wirtschaftliche und politische Geschehen übernehmen wollen. Alle Menschen in der Weltgemeinschaft sind schicksalhaft voneinander abhängig. Für eine solidarische Neugestaltung der Verhältnisse ist soziale Phantasie und Sozialkompetenz gefragt.
Der 15. Oktober 2011 wird in die Geschichtsbücher eingehen, nachdem in 82 Ländern dieser Welt über 20 Millionen Menschen in fast 1000 Städten gegen die Macht der Finanzmärkte zeitgleich auf die Straßen gegangen sind. Nur vier Wochen nach den anfänglichen Protesten an der New Yorker Wallstreet ist eine weltweite Protestbewegung vor allem junger Menschen gewachsen, übrigens die größte in der Menschheitsgeschichte: Eine halbe Million Menschen alleine in Rom, jeweils Hunderttausende in anderen Städten und Ländern, Zigtausende in deutschen Städten.
Die soziale Funktion des Geldes ist verloren gegangen
Weltweit erkennen die Menschen infolge der anhaltenden und chaotisch verlaufenden Finanz- und Wirtschaftskrise, die sich immer weiter zuspitzt, dass die soziale Funktion und Qualität des Geldes verlorengegangen ist – zum Schaden aller. Zugleich schwindet die politische und demokratische Einflussmöglichkeit auf diese bedrohliche Entwicklung.
Die weltweit vagabundierenden Geldströme werden immer größer, die Kurse an den Aktien- und Devisenmärkten reagieren immer verrückter und die Notenbanken bekommen Geldmenge und Kaufkraft nicht in den Griff. Die vermeintlich freie Marktwirtschaft ist infolge der politischen Deregulierung der Finanzmärkte zu einer Art Finanzmarktdiktatur ausgeartet.
Revolution des Bewusstseins in der Zivilgesellschaft
Trotz jährlicher Steigerung der Wirtschaftsleistungen und des konzentrierten Reichtums sind die Menschen mit immer größerer Verschuldung, Armut und Arbeitslosigkeit konfrontiert. Derweil haben die Eliten in Politik und Wirtschaft keine erkennbaren Alternativen vor Augen, sondern hilflos und aufgeregt möchten sie den neuen Herausforderungen mit altem Denken und Handeln begegnen. Die Forderungen der weltweit protestierenden Demokratie- und Sozialbewegung gehen deshalb in Richtung Gemeinwohl-Ökonomie statt Konkurrenzwirtschaft, gegen Geldgier und Sozialdarwinismus als gültiges Wirtschaftsprinzip. Die zivilgesellschaftliche Bewegung, die nach politischer Partizipation und Mitverantwortung strebt, ist den Eliten um einiges voraus. Eine Revolution des Bewusstseins steht bei den politischen und wirtschaftlichen Eliten noch aus, deshalb riskieren sie in ihrem Beharren im alten System die Zuspitzung der Protestbewegung zu einer wahren Revolutionsbewegung. Das derzeitige Chaos an den Finanzmärkten droht in ein politisches Chaos auszuarten. Deshalb sind viele Menschen bestrebt, das gemeinschaftliche Schicksal selber in die Hand zu nehmen und Mitverantwortung zu übernehmen; insbesondere die Jugend ahnt, dass es auch um ihre Zukunft geht.
Die Jugend begehrt gegen den »Gott Mammon« auf
Stürzt die Bewegung den Gott Mammon von seinem Thron? Mahatma Gandhi hatte schon lange vor der späteren Fixierung Europas auf konkurrierende Finanz- und Binnenmärkte erkannt und formuliert: »Europa ist nur dem Namen nach christlich. In Wirklichkeit betet es den Mammon an.« Diese Beherrschtheit vom Mammon schafft die unsägliche Kluft zwischen arm und reich, gefährdet die Demokratie und das Gemeinwohl, behindert die Solidarität und die Freiheit der Individuen, verstößt gegen die Menschenrechte und Menschenwürde. Und sie zerstört die Zukunft junger Menschen sowie die Umwelt und diesen Planeten. Eine scheinbar »unpolitische« Jugend hat dafür ein sicheres Gespür entwickelt und begehrt auf, und mit ihr auch die älteren Generationen. Auf eine nur vorübergehende und wieder abklingende Erscheinung sollte vorerst niemand hoffen. Nichts wird mehr so sein wie vorher. Von der bloßen Empörung ist die zivilgesellschaftliche Protestbewegung mit sozialer Phantasie längst zu kreativen Gestaltungsideen übergegangen. Der versteckte Ruf nach Entflechtung statt Verbrüderung von Politik und Wirtschaft und nach kultureller Befreiung von den Zwängen der Finanzwirtschaft ist aus der neuen sozialen Bewegung geradezu herauszuhören, als Ansatz für eine veränderte Sozialordnung.
Die politischen Repräsentanten vertreten nicht die Interessen der Mehrheit
Die Menschheit steht nicht nur vor einer Finanz- und Wirtschaftskrise, sondern auch vor einer Krise der parlamentarischen Demokratie. »Ihr repräsentiert uns nicht«, lautet deshalb der berechtigte Vorwurf der Protestbewegung. Ihr Schicksal und ihre Zukunft selber in die Hand zu nehmen, dazu haben sich im Zuge der Protestbewegung Millionen Menschen aufgerafft. Das alleine lässt auf Veränderungen hoffen, wie sie diese Welt noch nicht erlebt hat.
Die Anbetung der grenzenlosen Freiheit der Märkte hat die Welt an den Rand des Ruins gebracht und das Ende der kapitalistischen Epoche eingeläutet, das erkennen inzwischen selbst diejenigen deutschen und europäischen Politiker, die sich seit den 1990er Jahren dem Neoliberalismus verschrieben hatten und die Deregulierung der Finanzmärkte nach Beratung durch maßgebliche Bankmanager und Börsianer maßgeblich mit vorantrieben. Sie zeigen neuerdings Verständnis für die aufkommende Protestbewegung, beraten aber zeitgleich systemerhaltende statt -verändernde Maßnahmen. Öffentlich wird erklärt: Der Raubtier-Kapitalismus müsse ein zweites Mal gebändigt werden – als sei er schon einmal gebändigt worden. Die notwendigen Rahmenbedingungen für eine gemeinwohlorientierte Wirtschaft sind nicht wirklich im Bewusstsein.
Die mehrheitlichen Interessen der Menschen, die zunehmend verarmen und sich auch privat verschulden müssen, sind ebenso wenig im Bewusstsein wie die Interessen der Staatengemeinschaften und der Kommunen, die sich systembedingt weiter exorbitant verschulden, obwohl Schuldenabbau propagiert wird. Auf diese Widersprüche und Missstände weist die Occupy-Bewegung hin.
Wie lernfähig sind die Beteiligten?
Seit Beginn der Finanzkrise 2008 gibt es solche Lippenbekenntnisse, ohne dass es zu einer wirklich wirksamen Regulierung der Finanzmärkte kam, wie seinerzeit einhellig angekündigt. Vielmehr hat die deutsche Finanz- und Versicherungswirtschaft den politischen Parteien kräftig mit Geldspenden gedankt, wie den Veröffentlichungen der Bundestagsverwaltung zu entnehmen ist. Auch blieb nach Recherchen von Nichtregierungsorganisationen die Bundesrepublik Deutschland als »Steuerparadies« für die Finanzwelt auf den vorderen Rangplätzen der 73 bedeutendsten »Schattenfinanzplätze«. Zudem profitieren deutsche Kreditinstitute von der Kapitalflucht aus Krisenländern der Eurozone wie Griechenland und sind Mitverursacher der dortigen Probleme. Die »Diktatur der Finanzmärkte« wurde demzufolge nicht eingeschränkt; das »Spielcasino« blieb munter und nahezu ungehindert weiter geöffnet, weil die handelnden Personen und herrschenden Ideologien die gleichen blieben. In funktionierenden Demokratien sollte hingegen politisches Versagen eigentlich zu Abwahl oder Rücktritt führen. In unseren demokratischen Systemen können Parteien zwar abgewählt werden, aber damit ist offenbar immer noch nicht die gemeinwohlschädigende neoliberale Politik abgewählt, die ganz offensichtlich von der nächsten Parteienkonstellation unverdrossen fortgeführt wird. Die im richtigen Handeln sichtbare Lernfähigkeit hält sich jedenfalls in Grenzen. Darum bedarf es der zivilgesellschaftlichen Protestbewegung – und des Bewusstseinswandels und der Verhaltensänderung aller am Wirtschaftsleben Beteiligten. Ohne eine Neubesinnung auf die eigentliche Funktion des Geldes für das Wirtschaftsleben gibt es keine Verbesserung der sozialen Verhältnisse. Vermehrbares Geld als Handelsware und die Gier haben nach ihrem Zerstörungswerk ausgedient.
In immer mehr jungen Menschen lebt eine soziale und mitfühlende Gesinnung – ein Bewusstsein der gegenseitigen Abhängigkeit und Verbundenheit der gesamten Menschheit. Dafür wollen sie Verantwortung übernehmen. Das unterscheidet die Protestierenden von den marktbeherrschenden Finanzjongleuren und denjenigen lobbyhörigen Politikern, die nicht begreifen, dass sie mit ihrem Finanzgebaren für Hunger, Leid und Elend in der Welt die maßgebliche Mitverantwortung tragen. In diesen bewegten Zeiten wird offenbar, wer auf welcher Seite steht.