Müssen immer erst schlimme Katastrophen passieren, begleitet von massenhaften Bevölkerungsprotesten, bevor unsere verantwortlichen Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft zum Umdenken genötigt werden? Ist aus vorausschauender Einsicht und Erkenntnis kein vernünftiges Handeln möglich, in Unabhängigkeit von irgendwelchen Lobby-Interessen? Wie steht es um die Glaubwürdigkeit unserer Katastrophenpolitiker bei einem wirklichen „Stresstest“? Dass die Bevölkerung dem aktuellen Schwur einer ungewöhnlichen Allparteienkoalition zur Abkehr von der Atomenergie misstraut, basiert auf wiederholten realen Erfahrungen mit solcherart gebrochenen Schwüren von „Wendehälsen“ nach einem Gau:
BEISPIEL 1 – DER MILITÄRISCHE SUPERGAU:
Als Europa nach dem 2. Weltkrieg in Schutt und Asche lag, wurde angesichts von 60 Millionen Kriegstoten und Vertriebenen der politische Schwur von deutschen Politikern nach Ostermärschen der Bevölkerung erhoben: Nie wieder Krieg! Nie wieder Aufrüstung! Politische Neuträlität Deutschlands! Heute ist Exportweltmeister Deutschland wieder der drittgrößte Waffenexporteur der Welt (einschließlich deutscher Giftgasbestände in Libyen); die deutschen Rüstungsausgaben sind mit 37 Mrd. Dollar auf einem Höchststand; der Verteidigungsetat wurde auf 31 Mrd. € angehoben. An vielen Kriegsschauplätzen der Welt ist Deutschland mit Auslandseinsätzen beteiligt: Kindersoldaten schießen mir deutschen Handfeuerwaffen. 300.000 deutsche Arbeitnehmer sind in der Rüstungsindustrie tätig. Zur neuen deutschen Militärdoktrin gehören laut Weißbuch auch präventive Wirtschaftskriege zur Sicherung von Handel, Energie und Rohstoffen. Ist das die bloße Landesverteidigung laut Grundgesetz?
BEISPIEL 2 – DER FINANZIELLE SUPERGAU:
Noch keine 3 Jahre liegt die große Finanzmarkt- und Bankenkrise zurück, die unsere Politiker und Bankmanage in Schockstarre versetzt hatte, begleitet durch massive Proteste der Bevölkerung und der Anleger. Was wurde nicht alles an Besserung in der „Kapitalismuskrise“ gelobt und geschworen, alle staatlichen und internationalen Instrumente zur wirksamen Regulierung der entfesselten Finanzmärkte und unkontrollierten Banken einzuführen. Mancher Neoliberale wurde vom Saulus zum Paulus.
Passiert ist reichlich wenig, da die Bankmanager und Börsenspekulanten selber der Politik die Regeln diktierten - denn Regulieren dürfe kein „strangulieren“ bewirken. Nun prophezeien Experten die nächste schwere Finanzmarktkrise ab 2012 aufwärts – Zeit für einen neuen politischen Schwur?
BEISPIEL 3 – DER HUMANITÄRE SUPERGAU:
Vor gut einem Jahrzehnt wurde auf dem UN-Milleniumsgipfel unter deutscher Beteiligung verbindlich beschlossen, mit einem konkreten und messbaren Zielkatalog die Zahl der 700 Mio. hungernden und unterernährten Menschen auf der Welt bis 2015 zu halbieren: So lautetet der politische Schwur der reichen Länder in der Weltgemeinschaft. Seit dem politischen Gipfel ist die Zahl der Verhungernden auf der Welt auf über 1 Mrd. Menschen angewachsen statt gesunken; auch die gleichzeitigen Abrüstungsziele und Umweltziele wurden verfehlt und die Mittel für Entwicklungshilfe nicht wie versprochen angehoben. Seitdem wird der humanitäre Skandal politisch torgeschwiegen, trotz zivilgesellschaftlicher Mahnungen.
BEISPIEL 4 - DER ÖKOLOGISCHE SUPERGAU:
Die hochgesteckten Ziele der wiederholten Klimagipfel geraten auch in Anbetracht der längst eingetretenen und noch weiter bevorstehenden weltweiten Klimakatastrophen immer wieder ins Stocken. Gesteckte Ziele werden verfehlt, zurückgesetzt oder zeitlich verschoben, mit Zugeständnissen an Lobbyisten. Erreichtes wird schöngerechnet, der Klimawandel sogar wissenschaftlich verleugnet. Die Katastrophe schreitet voran und trotz Atomkatastrophe wird die Atomenergie von manchen weiterhin trotzig zur Klimarettung ins Feld geführt.
BEISPIEL 5- DER SOZIALE SUPERGAU:
Im reichsten Land Europas steigen dank Hartz IV und Agenda 2010 die Armutsquote und das Armuts-Reichtuns-Gefälle ungebremst; sogar Staat und Kommunen verarmen. 7 bis 9 Mio. Menschen sind auf Sozialhilfe angewiesen. Die Schlangen vor den Suppenküchen und Kleiderkammern wachsen, die überschuldeten Privathaushalte ebenso, prekäre Arbeitsverhältnisse führen zu sklavenähnlichen Zuständen. Den Rentnern droht Altersarmut.
Ganze Generationen und Schichten werden von sozialer und kultureller Teilhabe dauerhaft ausgegrenzt. Alle Parteien gelobten, gegen die zunehmende Armut anzukämpfen, aber sie zankten nur monatelang um 3 oder 5 € Erhöhung von Hartz IV statt über dessen überfällige Abschaffung. Ähnlich wie bei der Atomenergie sollten auch hier die Fehler der Vergangenheit eingestanden und eine radikale Abkehr von einer menschenunwürdigen Sozialpolitik in einer entsolidarisierenden Gesellschaft erklärt werden. Doch es gibt nur Vertröstungen auf eine temporäre Konjunktur-und Wachstumserholung, als ob der Markt automatisch soziale Gerechtigkeit wiederherstelle könnte. Der eigentliche soziale Supergau mit wiederauflebenden Massenprotesten steht erst noch bevor.
AKTUELLES BEISPIEL - DER ATOMARE SUPERGAU:
Die täglichen Katastrophenmeldungen und -bilder aus Japan sind noch frisch – die 25 Jahre alten Bilder aus Tschernobyl allerdings verblasst. Damals wie heute der Schwur der Parteipolitiker, nunmehr aber wirklich eine Energiewende herbeizuführen – doch mit welchem Halbzeitwert? Die Atomfrage wird innerhalb der Atomparteien so diskutiert, wie es Parteien immer machen: Als innerparteiliche Machtfrage.
Wann begreifen die politischen Verantwortungsträger endlich, dass sie, erstens, den Willen des souveränen Volkes immer und überall zu vollziehen haben? Dass sie, zweitens, im 21. Jahrhundert mit einer immer stärker aufbegehrenden Zivilgesellschaft zu tun haben, die endlich die Lüge aus dem öffentlichen Leben verbannen wird – und die Wahrheit immer ans Tageslicht kommt! Dass wir es, drittens, mit einem letzten Aufbäumen der überkommenen Parteienherrschaft aus zwei abgelaufenen Jahrhunderten zu tun haben? Unsere 60-jährige Nachkriegsdemokratie bedarf endlich der Weiterentwicklung; sie ist den Kinderschuhen entwachsen und wehrt sich gegen Relikte feudalherrschaftlichen Gebarens ihrer gewählten (repräsentativen?) Volksvertreter. Es geht immer mehr um das Schicksal der Menschheit, nicht um das Schicksal irgendwelcher Parteivorsitzenden und das Gerangel um deren personelle Nachfolge. Das Volk sind wir!