Mit ihrer wichtigtuerischen Ankündigung, die monatelange Hängepartie des Koalitionsgerangels im Recklinghäuser Rat beenden zu wollen, maßt sich die mit Abstand kleinste Ratspartei in Recklinghausen eine Bedeutung an, die ihr nicht zusteht. Allzu lange hat es die stets als „Zünglein an der Waage“ mitregierende FDP somit nicht im selbst gewählten Schmollwinkel der Bedeutungslosigkeit ausgehalten - als zunächst anerkennenswerte Reaktion auf das unerträgliche und unverzeihliche Techtelmechtel der CDU mit der rechtspopulistischen UBP.
Zu sehr lockt nun doch der Ruhm und Ruf als „Zünglein an der Waage“ bei einer Neuauflage der bürgerlich-konservativen Jamaika-Koalition anstelle einer Rolle als Mini-Oppositionspartei, ungeachtet des Wählerwillens und der tatsächlichen Fraktionsstärken im Recklinghäuser Rat. Zugegeben: An Selbstbewusstsein mangelt es der winzigen FDP in Recklinghausen nicht, derweil sie in Bund und Ländern nach dem Wählerwillen gänzlich von der Bildfläche in die Bedeutungslosigkeit verschwindet.
Zur Erinnerung: Von den sechs in den Rat gewählten Parteien in Recklinghausen ist die FDP die mit Abstand kleinste Partei mit lediglich zwei von 52 Sitzen. Sie erhielt gerade einmal 3,1% der Wählerstimmen – unter Anrechnung der geringen Wahlbeteiligung von nur 47,8 % sind das eigentlich nur 1,4% an Zustimmung. Folglich haben 98,6% der Wählerinnen und Wähler in Recklinghausen die FDP nicht gewählt und nicht gewollt!
Das hält die Kleinstpartei nicht davon ab, der stärksten Fraktion (SPD mit 38% und 20 Ratssitzen) einen Korb zu geben für eine rot-grün-gelbe Ampelkoalition (geschweige eine Einbeziehung der mit 6% doppelt so starken Linkspartei zu erwägen). Vielmehr hofft man, dass die eher bürgerlich-konservativen Grünen in Recklinghausen sich beim Mitgliederentscheid wieder zugunsten von Jamaika entscheiden, um einen überfälligen Politikwechsel nach 15 Jahren in Recklinghausen zu verhindern – obwohl sich die regierende CDU und ihr Bürgermeister mit der frühzeitigen statt nachträglichen Bürgerbeteiligung sehr schwer tun. Siehe die vom Kommentator aufgeführten Beispiele der Baumfällungen Maybachstraße oder Paulusstraße, bei den Suderwicher Verkehrsplanungen, bei der Platzgestaltung Westerholter Weg/ Reitzensteinstraße im Westviertel, aber auch bei den Planungen des Palais Vest usw.
Mit dem vorgeschobenen Argument, man brauche im Rat „stabile statt wechselnde Mehrheiten“, um ein angebliches „Durcheinander“ zu vermeiden, will sich die FDP als unverzichtbar für eine Koalitionsbeteiligung nach altem Muster im Rat andienen. Dabei hat man es doch noch gar nicht versucht, ob eine neue Konstellation oder der völlige Verzicht auf jegliche Koalitionsbildung dem Wählerwillen und dem demokratischen Diskussions- und Entscheidungsprozess im Rat nicht viel besser entsprechen würde! (Als parteiloser Bürger und Demokrat würde ich das jedenfalls begrüßen).
Noch alberner ist das zweite Argument der FDP: Der direkt gewählte Bürgermeister müsse eine „politische Heimat“ haben. Soll er nicht Repräsentant aller Bürger sein statt Handlanger einer Partei oder Koalitions-Konstellation? Und ist nicht in ganz vielen Gemeinden sogar ein parteiloser Bürgermeister direkt gewählt worden oder einer anderen Partei als wie der poltischen Ratsmehrheit? Und es funktioniert!
Denn laut Gemeindeordnung ist der Bürgermeister neben seiner Repräsentationsfunktion und als neutraler Sitzungsleiter der Ratssitzungen vor allem Chef der Stadtverwaltung und damit der Exekutive. Nicht der Bürgermeister, sondern der Rat als „Stadtparlament“ ist die politische gewählte Interessenvertretung der Bürgerschaft und gestaltet als solche die Politik. Der Bürgermeister hat die Ratsbeschlüsse lediglich auszuführen statt eigene Politik zu machen! Insofern haben die „Liberalen“ in Recklinghausen ein seltsames Demokratieverständnis!