Artikel für die Wochenschrift Goetheanum
Erstmals fand der diesjährige Weltkongress der Ölindustrie in Afrika statt, und zwar vom 25. bis 29. September in Johannesburg. Derzeit ist nämlich Westafrika mit dem Golf von Guinea die am schnellsten wachsende Ölförderregion, die in Kürze ein Fünftel des US-Bedarfs decken soll. Afrika liegt als Rohölquelle für Europa und Nordamerika nur knapp hinter dem nahen Osten. Und auch Ölfirmen aus Asien drängen in Afrikas Ölgebiete. Doch der Ölboom ist für den Krisenkontinent Afrika kein Segen, da die Ölmultis in Absprache mit den Regierungen ihre Geschäfte unter Umgehung der lokalen Wirtschaft und ohne lokale Mitbestimmung durchführen. Eine transparente Verwendung der Öleinnahmen findet nicht statt. Ölförderung in Afrika ist allzu oft eine Exklavenwirtschaft kolonialen Stils, ohne die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse für die Menschen zu verbessern. Die Weltbank als Kreditgeber für die westafrikanischen Ölförderländer muss zusehen, wie ihre Kriterien zur Verbesserung der Menschenrechte missachtet werden.
Die Goldgräbermentalität der Konzerne in Afrikas Öl-Eldorado
Dramatisch steigende Ölpreise und moderne Techniken machen es möglich, vor allem an Afrikas Küsten in immer größeren Tiefen nach dem schwarzen Gold zu bohren. Dort werden schon jetzt 4 Millionen Barrel am Tag produziert, die bis 2009 auf 5,5 Millionen Barrel gesteigert werden sollen, um ein Fünftel des US-Bedarfs zu decken. Allein die Ölreserven in den Anrainerstaaten des Golfs von Guinea werden auf 60 Milliarden Barrel (159 Liter) Rohöl geschätzt. Alle wichtigen Ölförderländer wie Nigeria, Angola, Gabun oder Äquatorial-Guinea liegen an den strategisch wichtigen Lagerstätten. Nach jahrelangen Kriegen oder politischer Isolierung bieten plötzlich Länder wie Sudan, Angola, Tschad oder Libyen auf einmal Zugang zu ausgiebigen Lagerstätten, die durch immer neue Funde von sich reden machen.
Der Bau einer Pipeline von Tschad nach Kamerun, die 20 km vor der westafrikanischen Küste an einem Terminal im Meer endet, und die Aufnahme der Ölförderung waren das bisher größte einzelne Privatinvestitionsprojekt in Afrika südlich der Sahara. In Fachmagazinen der Ölindustrie wird den vier afrikanischen Schlüsselländern am Guinea-Golf sowie dem Tschad für die kommenden zehn bis fünfzehn Jahre eine Produktionssteigerung von zusammen drei bis fünf Millionen Barrel pro Tag vorausgesagt. Hinzu kommt die zunehmende Nutzung der Gasreserven als umfangreich verfügbare Energiequelle. „Im ölreichen Norden des Kontinents ist Newcomer Libyen mit nachgewiesenen 39 Milliarden Barrel nach fast zwei Jahrzehnten ökonomischer Isolation das neue Hätschelkind der Konzerne“, schreibt die deutsche Presseagentur. Algeriens Reserven in Höhe von 11,8 Milliarden nehmen sich da im Vergleich fast schon bescheiden aus.
Nigeria als der größte Förderstaat mit nachgewiesenen Reserven von rund 40 Mrd. Barrel produziert zurzeit rund 2,7 Millionen Barrel pro Tag und will seine Produktion bis 2010 auf 4,0 Millionen ausweiten. Da die restriktive Politik der OECD (Vereinigung der Ölförderländer) dem entgegensteht, gilt ein Austritt Nigerias aus dem Kartell als durchaus denkbar. Der nicht an die OPEC-Vorgaben gebundene ehemalige Bürgerkriegsstaat Angola – die Nummer zwei der Ölförderer südlich der Sahara – sitzt auf Öl-Reserven, die auf bis zu neun Milliarden Barrel geschätzt werden. Das weckt Begehrlichkeiten der Ölkonzerne und des Auslandes, die mit Goldgräbermentalität in Afrikas Öl-Eldorado eindringen. Als neuer Akteur hat sich sogar China bei beiden Staaten langfristige Lieferungen gesichert, auch durch die Gewährung eines Milliardenkredites für Angola sowie großzügiger Aufbauhilfe. Auch aus dem Sudan bezieht China große Lieferungen.
Zerstörung statt Bereicherung vorhandener regionaler Strukturen
Ist der Ölboom in Afrika eine Hoffnung für die Menschen zur Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebenssituation? Der afrikanische Kontinent war schon immer reich an Rohstoffen und deshalb interessant für die Industrieländer und reichen Kolonialherren. Doch hat sich deren gebaren gebessert? Sichtbar ist zunächst, dass am schönsten Touristenstrand von Kamerun nun täglich die Tanker andocken, um das Öl auf die Weltmärkte zu verschiffen. Entlang der Pipeline setzte nach deren Einweihung im Herbst 2003 ein Bauboom z.B. in Kribi ein. Jetzt stehen viele Hotels leer oder im Stadium des Rohbaus herum. Bisher lebte Kribis Wirtschaft von der Fischerei. Dass Pipeline und Tanker die Meeresfischerei beeinträchtigen könnten, wurde bei den Verhandlungen ignoriert. Erst jetzt entsteht dort ein Fischereihafen mit Kühlhallen und geregelten Verkaufsbedingungen, aber nicht auf Betreiben von Regierung oder Ölfirmen, sondern als Projekt der japanischen Entwicklungshilfe.
Der größte Teil der Ölförderung erfolgt in Tiefseebohrungen im Atlantik – nominell dem Land zugeordnet, aber tatsächlich von den Ölmultis in Absprache mit den Regierungen unter Umgehung der lokalen Wirtschaft durchgeführt. Das gilt auch für die Ölfelder im Binnenland, wie eine Enklavenwirtschaft im kolonialen Stil, ausgerichtet auf den Weltmarkt statt auf die Entwicklung der Region. Zwar planen die Ölkonzerne wie Shell, Exxon Mobil oder Chevron Texaco ebenso wie der französische Konzern Total, für die der Golf von Guinea die größte Wachstumsregion darstellt, Milliardeninvestitionen in der Region. Doch diese kommen ihnen mehr selber zugute statt den Menschen vor Ort.
Die Einhaltung der sozialen und ökologischen Bedingungen, die Verbesserung von Gesundheit, Umwelt und Arbeitsbedingungen sind weder durch die Konzerne noch durch die Regierungsstrukturen in Afrika gewährleistet. Die Ölförderaktivitäten in Afrika dienen in erster Linie dazu, die Ölpreissteigerung in Amerika und Europa in Grenzen zu halten und wegen der Ölverknappung eigene Ressourcen und Reserven zu schonen. Statt Steigerung wäre Reduktion der Ölförderung angebracht. Afrika wird nun zur Ausbeutung der letzten Reserven missbraucht. Alle Mahnungen gegen den Erdölverbrauch im 21. Jahrhundert werden dennoch in den Wind geschlagen, das zeigt die Goldgräbermentalität in Westafrikas Ölländern, anstatt das Ölzeitalter zu beenden. Afrika ist mit der Ölförderung nicht gedient, da deren armen Menschen das Öl weder zum Heizen noch zum Autofahren in großem Umfang benötigen. Nd es verschafft ihnen auch kaum Nahrung, Bildung und Gesundheit.
Schuldenerlass für Afrika ist durch die Ölförderländer Afrikas mitzufinanzieren
Selbst der größte Schuldenerlass aller Zeiten in Höhe von 40 Mrd. Euro zunächst für die 18 ärmsten Länder der Welt durch den Internationen Währungsfond (IWF) mit den 184 Mitgliedsstaaten am 25. September gemäß dem Konzept der reichen G-8-Industrieländer beendet nicht wirklich die Not und die Schuldenkrise für Afrika: Die Ausfälle sollen vor allem die Ölländer erstatten. Damit würden auch die neuen Ölförderländer Afrikas selber mit zur Kasse gebeten werden. Das Öl bedeutet nicht die Zukunft für Afrika, sondern deren Zurückwerfen auf die Vergangenheit: Die Erinnerungen an die Kolonialzeit werden wieder wach. Afrikas Ölförderländern werden nun zu nützlichen Idioten im weltweiten Verteilungskampf.
Hinzu kommen noch andere Unzulänglichkeiten durch solche Afrikaner, die es den Verteilungskämpfern auf ihre Weise gleichtun: In Nigeria haben afrikanische Rebellen im Niger-Delta zur Freikämpfung ihres festgenommenen Anführers mit einem Bürgerkrieg gedroht, indem die Aufständischen - mit Schnellbooten, automatischen Gewehren, Dynamit und Macheten ausgerüstet – die Ölpumpstation übernommen haben. Hunderte von Soldaten sind in die Ölhauptstadt Port Harcourt eingerückt. Polizei und Armee haben den Auftrag, das Erdöl aus nationalem Sicherheitsinteresse zu verteidigen. Doch die Untergrundkämpfer in den unzugänglichen Mangrovensümpfen drohten einen totalen Krieg gegen die Ölmultis an. Darauf durfte sich der Anführer Dokubo-Asari wieder frei im Lande bewegen und verdiente ein Vermögen mit dem Anzapfen der Pipelines im Ijaw-Gebiet. Die Rebellen sorgen nun für eine neuerliche Krise, die sich auch auf den Weltmarktpreis für Rohöl auswirken kann. Bereits im letzten Jahr trugen Unruhen in Nigerias Süden den Preis zu neuen Rekordhöhen.
Das Erdöl ist Afrikas Fluch und nicht Afrikas Segen
Wie schrieb Wolfgang Held im Goetheanum Nr. 29/30-2005: Das Versiegen des im Boden oder Meeresboden lagernden trägen Öls als fossiler Brennstoff bedeutet den Abschied von den Triebkräften der Vergangenheit, von ehemaligem Leben. Afrika sollte sich deshalb vom so genannten schwarzen Gold lösen – es wird ihm kein Glück bringen und keine lebenswerte Zukunft. Das Erdöl ist Afrikas Fluch und nicht Afrikas Segen. Afrika sollte sich zukunftsorientiert der Förderung des lebensspendenden Wassers zuwenden, mit dem es seine Landwirtschaft bewässern kann und seinen Menschen den Genuss sauberen Trinkwassers bereitet – dem Quell des Lebens.