Friedensnobelpreis für die erste Afrikanerin Wangari Maathai: Grüne Kämpferin gegen Diktatur, Rechtlosigkeit und die Zerstörung der Lebensgrundlagen
Nach der letztjährigen Auszeichnung der Frauenrechtlerin Schirin Ebadi aus dem Iran (siehe Goetheanum Nr. 44/2003 ) ist dem Osloer Friedensnobelpreis-Komitee, in dem inzwischen drei Frauen die Mehrheit haben, in diesem Jahr eine weitere Überraschung gelungen: Mit der Anfang Dezember in Oslo vorgesehenen Verleihung des Friedensnobelpreises an die nunmehr bekannteste Frau des afrikanischen Kontinentes nach Winnie Mandela, an die 64-jährige Wangari Maathai aus Kenia, rücken die Probleme Afrikas als zentrale Herausforderung für Frieden und Sicherheit im Weltmaßstab ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit und damit aus dem Rand- und Schattendasein des dunklen Kontinentes
Das Friedensnobelpreiskomitee hat mit dem Preis für Wangari Maathai eigens den Friedensbegriff sinnvoll erweitert, wie der Vorsitzende Mjos betonte, denn ohne gut funktionierende Umwelt gebe es keinen Frieden. Doch die in den Schlagzeilen auf ihr Engagement als Umweltschützerin und stellvertretende Umweltmisterin Kenias reduzierte „Baumfrau“ oder „Mutter der Bäume“, die erste grüne Abgeordnete im Parlament Kenias, führt einen viel weiter reichenden, ganzheitlichen und risikoreichen Kampf als afrikanische Zivilgesellschaftlerin gegen Diktatur, Rechtlosigkeit und die Zerstörung von Lebensgrundlagen.
Sie ist eine sowohl in der Zivilgesellschaft als auch in der Politik und Wissenschaft engagierte Aktivistin der Umwelt- und Demokratiebewegung, der Frauen- und Menschenrechtsbewegung, die auch gegen das archaische Frauenbild in den kenianischen Dorfgemeinschaften angetreten ist. Sie war führend in der kenianischen Demokratiebewegung der 90-er Jahre und kämpfte auch gegen Korruption in Form von illegal privatisertem Staatsland für Reiche und Prominente, für Politiker und Geschäftsleute - aus dem gesunden Empfinden, daß Grund und Boden eigentlich unverkäuflich sind.
Die Abwesenheit von Frieden und Sicherheit sei neben der Umweltzerstörung das größte Hemmnis für die Entwicklung Afrikas, sagte sie 1995 in einem Grundsatzvortrag. Korrupte Herrscher würden ihr eigens Volk im Stich lassen, auf dem Rücken ihrer Völker Kriege in Afrika führen um ihr eigenes politisches Überleben, um ökonomische Kontrolle und um schwindende natürliche Ressourcen. Sie verkörpert und symbolisiert wie keine andere Persönlichkeit Afrikas das Engagement zur Überwindung hartnäckigster Hindernisse für dauerhaften Frieden in der Welt.
Nicht zuletzt ist die von ihr 1977 noch vor Beginn der Globalisierungsdebatten gegründete „Green Belt Movement“ -Bewegung quasi die Ausgangsform aller heutigen Nichtregierungsorganisationen. Dafür bekam sie bereits 1984 den alternativen Nobelpreis und nun, 20 Jahre später den „richtigen“ Nobelpreis als erste afrikanische Frau, zugleich in diesem Jahr auch noch den Petra-Kelly-Preis der Heinrich-Böll-Stiftung. In den 80-er Jahren wurde ihre Organisation vor allem bekannt durch den Kampf gegen die Bebauung eines großen Parks im Zentrum von Kenias Hauptstadt Nairobi. Daraus entstanden später Baumschulen in Tausenden Dörfern Kenias, in denen vor allem Frauen mehr als 30 Mio. Bäume angepflanzt haben, vor allem Obstbäume zur Eigenversorgung der Menschen auf dem Land und schnell nachwachsendes Brennholz, um das Abholzen der Wälder zu reduzieren.
Die am 1. April 1940 geborene Wangari Mathai ist ausgebildete Tierärztin und Zoologin, promovierte Biologin und seit 1971 erste Professorin für Veterinärmedizin in Kenia, also ausgewiesene Wissenschaftlerin und zugleich Umweltpionierin Afrikas. Nach ihrem Wechsel in die Politik - mit 98% Zustimmung in ihrem Heimatwahlkreis Tetu - will sie dazu beitragen, das Leben des Volkes zu verändern, die Wirtschaft wiederzubeleben und den Menschen wieder ein Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit in Kenia geben, damit sich die Menschen nicht länger vom Staat ausgegrenzt und terrorisiert fühlen.
Mit der Ehrung für Wangari Maathai ist auch die Anerkennung der für Afrikas Verhältnisse vorbildlichen Reformbemühungen Kenias seit dem historischen Machtwechsel von 2002 verbunden, auch wenn eine neue Verfassung und ein Ende der Korruption noch nicht erreicht sind. Über die Auszeichnung freute sich auch UN-Generalsekretät Kofi Annan, der darauf hinwies, das Wangari Maathai auch in einem UN-Komitee Einfluss genommen habe auf eine dort inzwischen erreichte Mehrheit von Frauen. Die Frauen Afrikas haben in ihrer Friedensnobelpreisträgerin eine in die Zukunft weisende glaubwürdige Vorkämpferin auf allen Gebieten, die den Menschen in Afrika aus eigenen Reihen Orientierung und Selbstvertrauen gibt - und die überfällige Anerkennung in der Welt.