40 Jahre Drogerie-Discounter dm – eine unternehmerische Erfolgsgeschichte: Rekordumsätze, Höchstinvestitionen und Expansionsstreben im Jubiläumsjahr
Wo steht dm heute und wo will es hin?
In diesem Jahr 2013 feierte die am deutschen Markt führende Drogeriemarktkette dm mit Stammsitz in Karlsruhe ihr 40-jähriges Bestehen - mit mehreren Show-Highlights und einer soeben als Buch erschienenen Autobiografie des Gründers Götz Werner (siehe nebenstehende Buchrezension) , vor allem mit einem „traumhaften Geschäftsergebnis“: Im zurückliegenden Geschäftsjahr hat dm in Deutschland einen Rekordumsatz von über 5,8 Mrd. € verbucht, 14,3% mehr als im Vorjahreszeitraum, europaweit sogar fast 7,7 Mrd. € Umsatz, eine Steigerung um 11,9%. Die Umsatzsteigerung ist nur teilweise auf die Insolvenz des Konkurrenten Schlecker zurückzuführen (im Vorjahr schlug sie mit 5% zu Buche). Zum Ertrag und zur Umsatzrendite (von angeblich 1%) macht das Unternehmen dm traditionell keine Angaben, da man „nicht auf Gewinne ausgerichtet“ sei. Im Jubiläumsjahr wurden 13 Mio. € an die Mitarbeiterschaft ausgeschüttet.
Europaweit hat der dm-Konzern mittlerweile fast 50.000 Beschäftigte und 2.900 Filialen in 12 Ländern (vor allem Osteuropas) mit durchschnittlichen Verkaufsflächen von 570 qm, in denen 12.500 verschiedene Produkte angeboten werden, viele davon mit Umweltsiegeln. In Deutschland beschäftigt die dm-Kette ca. 34.000 Menschen in 1480 Geschäftsfilialen, 2.700 Mitarbeiter in den beiden Verteilzentren sowie 1.300 in der Unternehmenszentrale, darunter 70 Leiharbeiter und 200 ehemalige Leiharbeiter, die in feste Arbeitsverhältnisse übernommen wurden. Es wurden im abgelaufenen Jahr fast 4.800 neue Arbeitsplätze geschaffen. Hinzu kommen über 3.200 Ausbildungsplätze. Für 2014 sind 1.600 neue Ausbildungsplätze geplant.
Im laufenden Geschäftsjahr wurden 135 neue Filialen eröffnet und 2 große Verteilerzentren. Für 90 Mio. € wird eine neue Zentrale in Karlsruhe gebaut. Mit 300 Mio. € investiert dm im Jubiläumsjahr europaweit die größte Rekordsumme (davon 230 Mio. € allein Deutschland) seit der Gründung in 1973 und ist auf rasantem Expansionskurs. Für das kommende Jahr 2014 plant dm 150 neue Märkte. In der 9-köpfigen dm-Geschäftsführung unter dem Vorsitz von Erich Harsch gibt es mit Markus Trojansky eigens einen Geschäftsführer nur für Expansion.
Täglich kaufen 1,6 Mio. Kunden bei dm ein. Nach dem Kundenmonitor Deutschland ist der Marktführer dm der beliebteste Drogeriemarkt. Drei Jahre zuvor erhielt die dm-Naturkosmetikmarke Alverde den deutschen Nachhaltigkeitspreis; auch die Marke ALANA-Kindertextilien erhielt eine Auszeichnung. Der amtierende dm-Geschäftsführer Erich Harsch wurde als „Unternehmenspersönlichkeit des Jahres“ ausgezeichnet. Für 2.200 soziale und kulturelle Projekte hat dm 860.000 € spendiert. In 2014 will dm einen Preis für ehrenamtliches Engagement vergeben.
Inzwischen bietet dm neben den rund 10.000 gängigen Produkten auch 23 Eigenmarken mit 2.700 Produkten aus allen Sortimentsbereichen an, die ein Fünftel des Umsatzes ausmachen, bei Küchenrollen und Toilettenpapier über 90%. Niemand verkauft überdies so viel Sonnenschutzmittel oder Windeln wie dm. Mit über 20% Marktanteil liegt dm bei den Drogerieartikeln deutlich vor Aldi, Rossmann, Kaufland, Edeka, Lidl oder Rewe, die mit ihren Produkten auch in Konkurrenz zu den Drogeriemärkten agieren. In einer Käuferbefragung (Innenstadt Recklinghausen) wurden Bürger befragt, warum sie die Innenstadt aufsuchen: Nach den großen Kaufhäusern Karstadt und C&A wurde an dritter Stelle der dm-Drogeriemarkt genannt, noch vor Peek & Cloppenburg, H&M, Mediamarkt, Thalia-Buchhandlung und Hettlagefashion.
Die Gründungsidee und -phase und die Fortentwicklung des Unternehmens im Umfeld der Konkurrenten
Die erste dm-Drogerie wurde vom Drogisten Götz Werner als Unternehmensgründer am 28. August 1973 in Karlsruhe eröffnet, zusammen mit seinem Ruder-Partner Günter Bauer als Geschäftspartner in der Geschäftsleitung. Jährlich folgten weitere Filialeröffnungen des stetig expandierenden Unternehmens (als Kommanditgesellschaft mit dem Mitinhaber Günther Lehmann) hauptsächlich in Süddeutschland.
Götz Werners Idee war die Übertragung des Discounter-Prinzips unter Ausschaltung des Zwischenhandels (nach dem Vorbild und Konzept des Lebensmittel-Discounters ALDI) auf die Drogeriebranche anstelle des bisher dort üblichen Thekenverkaufs durch Inhabergeführte Einzelhändlerläden mit zu breitem Sortiment und teilweise unrentablen Dienstleistungen. Eröffnet werden sollten also Selbstbedienungs-Discountgeschäfte mit möglichst billigen Preisen und kleinem Sortiment bei dennoch guter Qualität in einfacher Aufmachung, um dem Wettbewerbsdruck etwa der boomenden Supermärkte von Tengelmann, Kaisers usw. Stand zu halten.
Ein Jahr vorher (1972)war jedoch Dirk Rossmann dem dm-Gründer mit der gleichen Idee zuvorgekommen, und ein Jahr später (1974) folgte Anton Schlecker, so dass ein harter Wettbewerb und Konkurrenzkampf der Drogerie-Discounter am Markt erfolgte, mit langjähriger Absprache über eine Marktaufteilung zwischen dm (im Süden des Landes) und Rossmann (im Norden). Dies wurde 30 Jahre lang so praktiziert, bis Rossmann vor 10 Jahren einen harten Verdrängungswettbewerb begann, der auch dm veranlasste, sich im Norden des Landes auszubreiten.
Nach Gründung der von dm Deutschland rechtlich unabhängigen „dm drogerie markt GmbH“ startete dm 1976 auch in Österreich, wo die Konzerngesellschaft bereits 5 Jahre später über 100 Filialen hatte. Ab 1992 begann von dort unter Geschäftsführung von Günter Bauer (Nachfolger Martin Engelmann) die Expansion in die osteuropäischen Länder Tschechien, Ungarn, Slowakei und Kroatien sowie nach der Jahrhundertwende auch in Serbien, Bosnien, Rumänien, Bulgarien und zuletzt (2012) in Mazedonien. Allerdings scheiterte der Versuch von dm, auch in Ländern wie Italien oder Frankreich Fuß zu fassen, weil die Menschen dort eine andere Kaufkultur mit individuellen kleinen Einzelhändlern im persönlichen Umfeld bevorzugen und Kauf mit Kommunikation verbinden. (Gleichwohl breiten sich auch in Frankreich etc. an den Ortsrändern größerer Städte inzwischen große Hyper- und Supermarktketten und Discounter aus.) Ebenso scheiterte die kurzfristige Überlegung von dm, auch in das Brillengeschäft in Konkurrenz zu Fielmann mit einzusteigen.
Problematisches Verhalten und Fehlerbereinigung auf dem Erfolgsweg nach oben
Seit 1984/85 gibt es eine enge Geschäftsbeziehung zwischen dm und dem Biomarkt-Unternehmen Alnatura (unter der Geschäftsführung von Götz Rehn), das fast 80 Biomärkte in 40 Städten sowie 3.400 Filialen der Handelspartner in 13 Ländern unterhält. Alnatura ist in allen dm-Filialen als drittgrößter Partner mit Angeboten präsent. Nachdem in 2010 Alnatura in die negativen Schlagzeilen geriet wegen seiner Niedriglöhne für die 1300 Beschäftigten - um ein Drittel unterhalb der üblichen Tarife und teilweise mit 7,50 € sogar unterhalb der geforderten Mindestlöhne, trotz Umsatzsteigerung um 18%, hoher Gewinne und Expansion als Branchenprimus - passte es schließlich wegen des öffentlichen und gewerkschaftlichen Drucks im Oktober 2010 die Löhne an die Branchentarife an (siehe Rundbrief Nr. 2/2010). Das Unternehmen dm selber erhielt erst 30 Jahre nach Unternehmensgründung aufgrund seiner mitbestimmungspflichtigen Größe einen Betriebsrat und einen mitbestimmten Aufsichtsrat mit Arbeitnehmervertretern.
Auch mit dem online-Versandhändler Amazon, der vielfach in die negativen Schlagzeilen geriet wegen seiner fragwürdigen Mitarbeiterbehandlung und Lohnpolitik sowie seiner Leih- und Zeitarbeiterpraxis, pflegt dm neuerdings Geschäftsbeziehungen. Amazon könne ja aus seinem Fehlverhalten noch lernen, argumentiert hierzu dm-Gründer Götz Werner, selber outet er sich aber in seiner Autobiografie als Gegner etwa flächendeckender Mindestlöhne, (deren Pro und Kontra ja im letzten Rundbrief 3/2013 vielfach beleuchtet wurde).
Im Jahr 2011 gab es überdies heftige Kritik an einer von dm gesponserten Anzeigenkampagne der CSU-Verbraucherministerin ausgerechnet in der BILD-Zeitung mit Schleichwerbung für dm. Dafür gab es eine Abmahnung durch die Wettbewerbszentrale mit Aufforderung zur Unterlassung. Auch dm ist also vor solchen Versuchungen aus reinem Geschäftsinteresse nicht gefeit, in diesem Falle sogar vor einer nicht gerade dreigliederungsgemäßen Verquickung von Politik und Wirtschaftsinteressen . (Es gilt aber der dm-Grundsatz: „Aus Fehlern lernen“).
Dass dm eine kurze Zeit mit Re-Importen von Waren aus dem Ausland die heimischen Lieferanten und Produzenten unter massiven Preisdruck zu setzen versuchte, wie Götz Werner in seiner Autobiografie freimütig bekennt, stand schließlich fairen Lieferbeziehungen entgegen und wurde deshalb wieder fallen gelassen im Interesse partnerschaftlicher Handelsbeziehungen. Gleichwohl musste noch im Jubiläumsjahr 2013 die Windelfirma Ontex/Hartmann in Recklinghausen (als Hauptlieferant von Babywindeln an dm mit der Produktion von 1,2 Mrd. Windeln jährlich) ihr Werk schließen und über 300 Mitarbeiter entlassen, nachdem dm die Lieferverträge wegen der überlebensnotwendigen 5%-igen Preiserhöhung der Ontex-Produkte daraufhin kurzerhand kündigte. (Der Marktführer unter den Billigdiscountern diktiert letztlich das Preisniveau – eine nicht immer faire und „assoziative Preisfindung“…)
dm als heutiger Marktführer auf seinem Expansionsweg in die Zukunft
Mittlerweile unterhält der Handelskonzern dm als großer „Player“ auf dem europäischen Markt in Deutschland und elf weiteren europäischen Ländern fast 3000 Filialen, wie eingangs dargestellt. Zwischenzeitlich eröffnete dm bei Weilerswist das „fortschrittlichste Logistik-Zentrum Europas“ mit fast 2000 Arbeitsplätzen ( bei dm „Einkommensplätze“ genannt )für Menschen aus über 60 Nationen.
Zwischenzeitlich ist der bis dahin stärkste Konkurrent Schlecker als einstmals größte Drogeriemarktkette mit zuletzt 7 Mrd. € Jahresumsatz und 2012 Filialen aufgrund seines fragwürdigen und nicht nachhaltigen Unternehmenskonzeptes gescheitert und ist 2012 nach Insolvenz spektakulär vom Markt verschwunden. Das bescherte dm ein Umsatzplus von ca. 5%. Von den 26.000 entlassenen Schlecker-Mitarbeitern waren in 2013 immer noch die Hälfte arbeitslos, also ohne neuen Arbeitsvertrag. Nur rund 1000 Schlecker-Mitarbeiter konnten von dm übernommen werden, ebenso 14 der 364 geschlossenen „Ihr-Platz-Märkte“ von Schlecker.
Heute hat dm als Marktführer allein in Deutschland 1.417 Filialen mit 32.000 Beschäftigten, darunter aktuell 70 Leiharbeiter und 200 ehemalige Leiharbeiter, die zwischenzeitlich in eine Festanstellung übernommen wurden. Durch die Marktdominanz der großen Drogeriemarkt-Discounter sind Immerhin ehedem 17.000 familiengeführte Drogerien in Deutschland mit ganz individuellen Läden, kreativen Angeboten und Konzepten sowie oft exzellentem Beratungsservice dem Discounterwettbewerb und der „Billigpreis-Schnäppchenjagd“ zum Opfer gefallen, vermutlich auch zahlreiche Fotohändler und -labors, Babyausstatter sowie demnächst so manche Apotheke oder etliche Kosmetik-Salons usw., ähnlich wie die Tante-Emma-Läden durch Aldi und & Co. zum Aufgeben gezwungen waren, zum Bedauern vieler Kunden bis heute, die sich Aldi oftmals verweigern .
Zu einer konsequenten Verselbständigung seiner Filialen (etwa nach dem Vorbild von Edeka oder noch weitergehende unternehmerische Selbständigkeit und damit eine Teilrückkehr zum örtlich selbständigen Drogisten, etwa in einer Einkaufs- und Solidargemeinschaft) oder zu einer Unternehmensbeteiligung der Kunden oder Mitarbeiter konnte sich dm nicht durchringen. Das verbleibende bloße Prinzip der Delegation von Ressourcen- und Personalverantwortung nach unten (in die Filialen) durch die Unternehmenszentrale sowie die Querverrechnung unternehmensinterner Dienstleistungen ist längst gängiges Prinzip in den meisten fortschrittlichen Unternehmen und Verwaltungen, auch wenn vielfach ein Verfall unternehmerischer Kultur und Mitarbeiterbehandlung bei den Marktradikalen zu beobachten ist.
Als Drogeriemarkt hat dm natürlich auch den boomenden Gesundheitsmarkt im Blick. In sein Sortiment gehört eine ganze Reihe von Nahrungsergänzungsmitteln und freiverkäuflichen Arzneimitteln. Ebenso Zubehör für Diabetiker. Zudem gibt es seit Kurzem Jahres die Kooperation mit der Rose Versandapotheke – nachdem zuvor die Zusammenarbeit mit der Europa Apotheek Venlo beendet worden war. In den Filialen liegen die Prospekte der in Halle ansässigen Apotheke aus. An Gesundheitsterminals, die in die Regale mit den Gesundheitsprodukten eingebettet sind, können Kunden Bestellungen bei Zur Rose aufgeben. Kunden können dm zudem als Pick-up-Station nutzen. Wer diesen Weg wählt, spart sich die Versandkosten. Qualifizierte Gesundheitsberatung durch Apotheker findet nicht statt, auch wenn es sich um nicht rezeptpflichtige Medikamente handelt. Fallengelassen wurde bei dm die zeitweilige Überlegung, mit dem Billiganbieter von Brillen, Fielmann, in Konkurrenz zu treten, da man sich in dieser Branche nicht auskannte.
Insgesamt betont dm seinen guten Beratungsservice für die Kunden. In der Praxis jedoch beschränkt sich dieser oft in vielen gut besuchten dm-Filialen auf das gestresste Bewältigen der langen Kassenschlangen durch das Personal, so dass für den einzelnen Kunden nur die Frage nach der Payback-Karte und die rituelle freundliche Grußformel verbleibt. (Anders als etwa in den großen Baumärkten gibt es keinen Info-Point o. ä mit Ansprechpartnern). Auch die besonders betonte Ermittlung der tatsächlichen Kundenbedürfnisse bei der Sortiments- und Angebotsgestaltung erfolgt nicht wirklich assoziativ, sondern eher konventionell wie bei anderen Unternehmen auch, nämlich durch umfangreiche elektronische Auswertung von Kunden-Daten und Kaufverhalten (unter Einbezug der dazu eingeführten Payback-Karte), durch gelegentliche Kundenbefragung (oder Filialbesuche durch den Inhaber höchstpersönlich mit Zufallsbeobachtungen an der Kundenkasse), ansonsten durch Marktbeobachtung und Facebook-Kundendialog etc.
Die Produktwerbung selber (auch in der Kundenzeitschrift alverde) erscheint bei dm zwar dezenter und seriöser als die an das Unterbewusstsein appellierende marktschreierische Werbung bei anderen Billiganbietern. Bei dm gibt es zumeist eine Beschreibung der Produktqualität und der Nachhaltigkeiten, aber letztlich ebenso mit Weckung neuer Bedürfnisse für (nicht lebensnotwendige) Artikel z. B. für die Schönheitspflege nach gewissen Schönheitsidealen usw. Die Weckung neuer „künstlicher“ Bedürfnisse für Produkte, für die eigentlich nicht notwendige Arbeit aufgewendet wird, unterscheidet sich kaum von anderen, rein nachfrageorientierten Anbietern, die sich allein durch den Absatz bestätigt sehen.
Durch die stetige Sortiments- und Angebotserweiterung von dm ging und geht es zudem vielen kleinen Fotoläden und -labors an den Kragen, demnächst auch Textileinzelhändlern mit Babywäsche, manchem kleinen und engagiert geführten Bioladen sowie auch mancher Apotheke, in Österreich wohl auch vielen Kosmetik-und Frisiersalons von Inhaberinnen, die sich erfolgreich selbständig gemacht haben, die aber mit dem teils aggressiven Preiswettkampf und Dumpingpreisen der großen Ketten nicht mithalten konnten und können. Die verlorengegangenen Arbeitsplätze konnten durch die Discounter mit ihren weniger personalintensiven Konzepten kaum kompensiert werden. Doch laut Götz Werner geht es nicht um die Erhaltung von Arbeitsplätzen, sondern um Sicherung von Einkommen – das für viele Arbeitsplatzverlierer bis auf Weiteres aus dem menschenunwürdigen Hartz-IV-Bezug besteht, da das von ihm propagierte auskömmliche Grundeinkommen noch nicht zum Durchbruch gelangt ist.
dm behält auch als Marktplayer seinen Charakter als Familienbetrieb
Nach seinem Ausscheiden aus der Geschäftsführung der GmbH wechselte Unternehmensgründer Götz Werner er in den Aufsichtsart von dm und als Vorsitzender der von ihm gegründeten dm-Werner-Stiftung, der er alle seine Anteile an dm übertrug, auch zur Umgehung der fälligen Erbschaftsteuer bei verworfener Vererbung seiner Anteile an seine 7 Kinder und die 7 Schwiegerkinder. Die Höhe der Steuern hätte nach Aussagen von Götz Werner die Erben zum Verkauf von dm-Anteilen zum Nachteil und Schaden des Unternehmens genötigt. Somit berichteten die Medien, dass Götz Werner seine Kinder „enteignet“ habe, weil er ihnen nicht das Unternehmen des Vaters (dessen Erfolg auch den zigtausend Mitarbeitern zu verdanken ist) vererbt habe. Dass sie „dennoch nicht am Hungertuch nagen“, spricht Götz Werner in seinem Buch selber an, (denn außer den dm-Vermögensanteilen gibt es sicher noch reichlich anderes aus dem Privatvermögen des Vaters, das dieser verständlicherweise öffentlich nicht preisgibt, als „leistungsloses Einkommen“ irgendwann zu erben).
Doch wie das bei Familienunternehmen mit einem „Gründungs-Partriarchen“ so ist, mochte auch Götz Werner das Unternehmen nach seinem Ausscheiden nicht ganz von der Familie entkoppeln, auch wenn er kein Firmenvermögen innerhalb der Blutsverwandtschaft vererbt hat. Sein Sohn Christoph wurde in die Geschäftsführung geholt, sein Schwager Götz Rehn bleibt dm über Alnatura verbunden, er selber im Aufsichtsrat und als Stiftungsvorsitzender – also kein komplettes Loslassen. Sein Nachfolger im Vorsitz der Geschäftsführung, Erich Harsch und sein 9-köfiges Vorstandsteam, setzt mit Unterstützung des Aufsichtsrates massiv auf weiteren erfolgreichen Expansionskurs – auch um der Expansion und Marktführerschaft willen?
Unternehmerischer Wegbereiter für die soziale Dreigliederung? - Was sind die Erfolgsmaßstäbe großer führender Handelsketten für nachhaltiges und kooperatives Wirtschaften?
Es bleibt zu beobachten, ob und inwieweit dm als Großunternehmen und „Marktplayer“ seiner ethischen Unternehmensphilosophie konsequent und nachhaltig treu bleibt als „Pionier und Vorzeigeunternehmen“ mit sozialer Innovation, oder sich den radikalen Marktgesetzen und dem üblichen Markt- und Konkurrenzverhalten zunehmend anpasst. Nichts wäre wünschenswerter als ein überzeugender Wegbereiter für die soziale Dreigliederung innerhalb der Unternehmerschaft, was unter den gegebenen Rahmenbedingungen und geltenden Marktgesetzen schon schwierig genug erscheint. Derzeit erscheint das Unternehmen wie ein Lichtblick am Markt, trotz einiger berechtigter Einwände von Kritikern.
Die Frage nach den Erfolgsmaßstäben großer führender Handelsketten für nachhaltiges und kooperatives Wirtschaften - Beispiel dm und Alnatura – ist sicher noch ein dankbares Diskussionsthema untere sozialen Dreigliederern. Die 40-jährige Firmengeschichte des Unternehmens und die dazu als Buch vorgelegte Autobiografie seines anthroposophisch orientierten Gründers und Dreigliederungsverfechters könnte ein gegebener Anlass dafür sein (siehe auch kritische Diskussionsanstöße in der nebenstehenden Buchrezension).
Das dm-Vorbild: Aldi-Discounter und die Mitkonkurrenten
Großes Vorbild bei der Unternehmensgründung der Handelskette dm-Drogeriemärkte war für Götz Werner (nach eigenen Aussagen in seiner Autobiografie) die Lebensmittel-Discounter-Kette Aldi der von ihm bewunderten Gebrüder Albrecht, denen heute die „erfolgreichste Einzelhandels-Innovation des vorigen Jahrhunderts“ zuerkannt wird. ALDI setzte Maßstäbe als Vorbild aller Discounter (teilweise auch im Negativen) und ist für viele Kunden inzwischen Kult. Der deutsche „Ur-Discounter“ mit 50-jährigem Jubiläum im Vorjahr und mit 100-jähriger Geschäftstradition seit Unternehmensgründung durch den Senior Karl Albrecht begann als Backwarenhandel und „Tante-Emma-Laden“ im April 1913 in Essen. Im Jahr 1962 erfolgte durch die Albrecht-Söhne Karl (Aldi-Nord)und Theodor (Aldi-Süd) nach einer Unternehmenskrise die eigentliche Gründung des Albrecht-Discount („ALDI“), nachdem sie bereits 1945 den elterlichen Betrieb übernommen hatten und bis 1955 als Albrecht KG schon 100 Filialen ausschließlich in Nordrhein-Westfalen hatten.
Bei der Aufteilung 1960 in ALDI-Nord und –Süd (vollständig in Familienbesitz) gab es bereits 300 Filialen in Westdeutschland mit einem Umsatz von 90 Mio. DM. 1962 wurden fast im Wochenrhythmus ALDI-Discountmärkte mit knapp bemessenem Personal und entsprechendem Preisvorteil zunächst im Ruhrgebiet eröffnet. Die Umsatzleistung pro Mitarbeiter hatte sich gegenüber den vorherigen Albrecht-Supermärkten fast verzehnfacht, so dass die überregionale Expansion (seit 1966 als GmbH & Co oHG) nach dem neuen Konzept betrieben werden konnte.
Heute haben ALDI-Nord und -Süd insgesamt 68 rechtlich selbständige Regionalgesellschaften mit über 4.300 Filialen in ganz Deutschland. Der ALDI-Konzern hatte in Deutschland im Jubiläumsjahr 2012 rund 61.000 Beschäftigte. In Österreich tritt ALDI unter dem Namen Hofer auf (1968 wurde die Filialkette Helmut Hofer von ALDI-Süd übernommen). ALDI-ist als „Global-Player“ mittlerweile weltweit mit über 130.000 Mitarbeitern sowie mit insgesamt über 10.000 Filialläden in 17 europäischen Ländern sowie in Australien und den USA (hier mit 2-stelligen Umsatzsteigerungen) erfolgreich am Markt vertreten. Der Umsatz in Deutschland betrug im Jahr 2010 in Deutschland über 22 Mrd. €, weltweit fast 53 Mrd. €, bei einer Umsatzrendite zwischen 3% und 4%.
Bei ALDI-gibt es keinen Gesamtbetriebsrat und eine rigorose Mitarbeiterführung, aber gute Entlohnung. Zeitungen, die kritisch über die Behinderung versuchter Betriebsratsgründungen bei ALDI berichteten, wurden vom Unternehmen mit Anzeigen-Entzug bestraft. In den Zulieferbetrieben z. B. in Asien nimmt ALDI massive Arbeitsrechtsverletzungen hin, wie Kritiker vorwerfen. Weitere Kritikpunkte: Das Unternehmen übe einen extremen Preisdruck auf seine Zulieferer aus und habe in seinem Sortiment einen hohen Anteil an Non-Food-Waren. Erst auf massiven öffentlichen Druck von Umweltorganisationen habe es seine Umweltstandards bei m Warenbezug verbessert.
Die ARD berichteten über systematisches Mobbing bei ALDI, mit dem teure ältere Mitarbeiter aus dem Betrieb gedrängt werden sollten zugunsten billigerer jüngerer Mitarbeiter. Der Spiegel berichtete über ein „System der Angst“ bei ALDI mit Kontrollwahn, unbezahlten Überstunden und Schikanen. Aktuell ging 2013 ein Vorfall durch die Medien, wonach Auszubildende in einer ALDI-Filiale regelrecht gequält worden sind. Eine ehemalige Führungskraft von ALDI hat ein „Schwarzbuch ALDI“ herausgegeben mit Einblicken in das Innenleben des Unternehmens. Und auch die Gewerkschaft ver.di hatte ein ALDI-Schwarzbuch (nach ihrem Lidl-Schwarzbuch und der Schlecker-Kritik) angekündigt. Im Unternehmensleitbild ist aber von fairem und respektvollem Umgang mit den Mitarbeitern die Rede und auch bei der Mitarbeiterzufriedenheit gibt es durchaus auch positive Rückmeldungen.
Im Oktober 2013 stand Aldi-Gründer Karl Albrecht (93) auf Platz 1 als reichster Deutscher mit einem Privatvermögen von 17,8 Mrd. € (ein Plus von 600 Mio. € gegenüber dem Vorjahr), sein 2010 verstorbener Bruder Theo Albrecht auf Platz 2 mit 16 Mrd. € Vermögen, gefolgt auf Platz 3 von Dirk Schwarz (Lidl/Kaufland) mit 13 Mrd. € Vermögen (ein Plus von 1 Mrd. gegenüber dem Vorjahr). Der bis 2008 geschäftsführende Inhaber der dm-Drogeriemarkt-Kette Götz Werner rangiert immerhin in der Rangliste des Manager-Magazins von 2012 mit 1,1 Mrd. € Vermögen auf Platz 107 unter den 500 reichsten Deutschen, ebenso mit gleicher Summe die Familie Lehmann als weiterer Mitinhaber und gleichberechtigter Gesellschafter von dm mit 50% Anteilen.
Götz Werner selber argumentiert auf Vorträgen und in Publikationen, dass seine Unternehmensanteile an dm, die er nicht zu verkaufen gedenke, nur Vermögen in den Regalen sei und somit für ihn nur theoretisch auf dem Papier existiere - und im übrigen das reine Privatvermögen niemanden etwas anginge. Ein „Schwarzbuch“ über sein Unternehmen dm existiert nicht – eher lassen alle Berichte und Auszeichnungen die Unternehmenskultur bei dm im Lichte eines „Weißbuchs“ erscheinen, eines trotz einiger Kritikpunkte vorbildlichen und zukunftsweisenden Unternehmens mit Pioniercharakter auch bei der Unternehmensethik und der Mitverantwortung für das Wirtschaftsleben als Ganzes.