Zum Weltwasserforum und Wassertribunal in Mexiko am Weltwassertag
Dem 4. „Weltwasserforum“ vom 16. März bis zum „Weltwassertag“ am 22. März in Mexiko setzte die Zivilgesellschaft zeitgleich das „Lateinamerikanische Wassertribunal“ entgegen. Denn unter dem Deckmantel einer nicht an Profit orientierten Nichtregierungsorganisation ist das alljährliche Weltwasserforum in Wirklichkeit eine Veranstaltung von Wirtschaftslobbyisten, Beratern, Politikern und UNO-Funktionären zur privatwirtschaftlichen Aufteilung der Wasserressourcen - also keine offizielle UNO-Veranstaltung etwa zur gerechten Verteilung des Trinkwassers. Mit „Aktionstagen zur Verteidigung des Wassers“ verdeutlichte das Wassertribunal, dass täglich 6000 und jährlich 2,2 Millionen Kinder infolge schmutzigen oder unbezahlbaren Wassers sterben und deshalb eine Umkehr nötig ist.
„In der Geschichte ist Wasser, und vor allem sein Ursprung, die Quelle, immer Gegenstand von Verehrung und Respekt gewesen. Die Erfindung des Wasserhahns und der Mineralwasserflasche hat uns vergessen lassen, das Wasser, bevor es aus dem Hahn fließt oder in Flaschen verkauft wird, ein Geschenk der Natur ist.“ Diese Feststellung von Vandana Shiva aus Indien, Trägerin des Alternativen Nobelpreises, ruft in Erinnerung: Wasser ist keine gewöhnliche Ware, denn Wasser bedeutet Leben, Menschenwürde und gleiche Lebenschancen. Deshalb ist Wasser viel zu wichtig, um allein dem Markt überlassen zu werden – mit gleichem Fug und Recht könnte sonst auch die Luft zum Atmen profitabel vermarktet werden.
Die Aufteilung der lukrativen Wassermärkte
Doch die Tendenz ist eher umgekehrt: Insbesondere die EU forderte bereits im Zuge der GATS-Verhandlungen von 72 Staaten die radikale Öffnung ihrer Wassermärkte für die kommerziellen Anbieter und damit das Ende der öffentlichen Wasserversorgung. Auch in der umstrittenen und nach Protesten jüngst geänderten EU-Dienstleistungsrichtlinie ist die Liberalisierung und damit Privatisierung der Wasserversorgung immer noch enthalten: Wasser als Handelsware. Auch die Aktivitäten der Weltbank laufen auf die Wasserprivatisierung hinaus, unterstützt durch den 1997 gegründeten und mit Lobbyisten der 3 größten Weltwasserkonzerne und Monopolisten besetzten „Welt-Wasser-Rat“ – eine der heute üblichen Verquickungen statt strikter Trennung politischer und wirtschaftlicher Interessen.
Die Parlamente und Regierungen sowie Weltorganisationen sind letztlich dafür verantwortlich, den Zugang zu sauberem Trinkwasser für alle Menschen gleichermaßen sicherzustellen, wenn nicht den Ölkriegen der kriegerische Überlebenskampf um die Wasserreserven alsbald folgen soll. Die menschlichen Grundbedürfnisse und nicht die Zahlungsfähigkeit müssen das wegweisende Prinzip sein. Denn es darf nicht sein, dass in den größten Slums Afrikas wie im kenianischen Kibera das Dreifache für Trinkwasser zu zahlen ist als in Manhatten oder London und das Zehnfache wie in den wohlhabenden Vorstädten von Nairobi.
Von 60 € Monatseinkommen müssen die Menschen in den Entwicklungsländer teilweise 20 € für das Wasser bezahlen. Mindestens 10% bis 20% des Einkommens für das Trinkwasser ist in den meisten armen Ländern normal. Seitdem die privaten Wasserbetriebe ihr billiges, subventioniertes Wasser zu den wohlhabenden Kunden pumpen, erreichen sie die armen Slumbewohner nur selten. Diese stehen deshalb vor der Wahl, ihr Wasser bei teuren Händlern zu kaufen oder, weil unerschwinglich, zwei Meilen zum nächsten Fluss zu gehen, um sich mit dem täglichen Bedarf an schmutzigem Wasser für die ganze Familie einzudecken.
Millionenfaches Sterben wegen schmutzigen oder überteuerten Trinkwassers
Solche Lebensbedingungen und Tagesgestaltungen wären für uns Europäer undenkbar. Während im kühlen Großbritannien eine Person im Durchschnitt 160 Liter Wasser am Tag verschwenderisch verbraucht, müssen im ländlichen Mosambik oder Äthiopien mit ihren heißen Temperaturen die Menschen mit täglich 5 – 10 Litern Wasser auskommen, die von Frauen und jungen Mädchen mühsam von Flüssen und Seen herangetragen werden. Unsere Kinder müssen nicht deshalb sterben, weil sie ohne ein Glas sauberes Wasser und andere grundlegende Hygienestandards auskommen müssen. Keiner von uns muss am Feld- oder Straßenrand eine Plastiktüte als Toilette benutzen.
In den armen Ländern sterben Tag für Tag 6000 Kinder – das sind 2,2 Millionen im Jahr - infolge schmutzigen Wassers und mangelhafter sanitärer Einrichtungen. Rechnet man die Erwachsenen hinzu, so sterben jährlich 5 Millionen Menschen an den Folgen von Wassermangel oder verschmutztem Trinkwasser, weil 2 Milliarden von insgesamt 6 Milliarden Menschen auf der Erde ohne sauberes Trinkwasser und hygienisches Sanitärwesen sind. Das Milleniumsziel der UNO, bis 2015 diese Zahl zu halbieren, könnte erreicht werden, wenn im nächsten Jahrzehnt etwa 4 Milliarden Dollar jährlich dafür ausgegeben würden, mit denen zugleich an andere Stelle 3 bis 4 Milliarden Dollar an Gesundheitsausgaben eingespart werden könnten und eine Produktivitätssteigerung zu erwarten wäre.
Die Gefährdung des knappen Naturgutes und Lebensmittels Wasser
Allmählich gelangt ins Bewusstsein, dass 97% allen Wassers auf der Welt Salzwasser sind, 2% Gletscher und Eis und nur 1% Süßwasser. Diese Trinkwasservorräte sind gefährdet durch Überschwemmungen und Verseuchungen, aber auch durch Terrorakte. Umweltschützer prophezeien längst eine Wasserknappheit und Wasserverschmutzung infolge der Klimakatastrophe. Je knapper das wertvolle Wasser, desto unverträglicher ist seine kommerzielle Vermarktung, oder Wasser wird zum teuren Luxusgut für einige wenige Zahlungskräftige. Auf dem lateinamerikanischen Wassertribunal mit Beteiligten von Chile bis Mexiko, wurden deshalb Alternativen zur Wasserprivatisierung, als Privatisierung eines Lebensmittels, aufgezeigt.
In den Staaten Lateinamerikas, die teilweise dabei sind, die großen Weltwasserkonzerne aus ihrem Land regelrecht zu verjagen und die Konzessionsverträge aufzukündigen wie in Argentinien, nachdem den Menschen dort einfach der Wasserhahn abgedreht wurde bei Zahlungsunfähigkeit, spitzen sich die Konflikte um das Lebenselement Wasser zu. In Brasilien haben Weltfirmen wie Nestle und Coca-Cola die meisten Wasserquellen aufgekauft. Diese Entwicklung wird inzwischen nach zunehmenden Protesten der Bevölkerung politisch bereut.
Das Wasserproblem erreicht die Städte Europas
Selbst in Europa ist man in vielen Städten dabei, die fast überall vorgenommene Privatisierung der kommunalen und regionalen Wasserversorgung zu korrigieren, allen voran London. Nachdem der deutsche Wasserkonzern RWE dort das marode Wassernetz übernahm und sofort die Wasserpreise drastisch erhöhte, ohne in das Rohrnetz zu investieren, waren die Straßen in London ständig gesperrt wegen geplatzter Rohre: Dort versickert bis zu 76% des wertvollen Trinkwassers. Deshalb senkte man den Leitungsdruck mit der Folge, dass in den Wohnungen nur stundenweise Wasser zur Verfügung stand, wie in Katastrophenzeiten. Die Regierung Blair begrenzte daraufhin die Gewinnmarge des RWE-Konzerns per Gesetz, so dass sich der Konzern zurückziehen will und ein teures Chaos hinterlässt.
Auch deutsche Städte wie Berlin, Hamburg oder Kiel bereuen inzwischen ihre vorgenommene Wasserprivatisierung mit Verkauf zum Teil an ausländische Konzerne, weil die Wasserpreise danach zwischen 15% bis 30% stiegen. Allein die Stadt München verteilt ihr quellfrisches Wasser aus dem Alpenvorland noch komplett selber mit Qualitätsgarantie. Die 6700 öffentlichen Wasserversorger in Deutschland haben sich nach der Privatisierungswelle auf 800 reduziert. In England sind von ehemals 3500 öffentlichen Wasserversorgern nur noch 10 Unternehmen übrig geblieben und in Frankreich beherrschen 4 große Monopol-Konzerne den gesamten Wassermarkt, ganz im Sinne der EU-Forderungen nach Liberalisierung der Wassermärkte.
Das Recht der Reichen, am meisten Wasser zu haben?
Ein von Verachtung und Zynismus gekennzeichnetes Menschenbild liegt der neoliberalen Ideologie der weltweiten Wasserliberalisierung zugrunde, wie die erschreckend offene Aussage von Prof. Erich Kasten, Inhaber des österreichischen Wasserversorgungsunternehmens B.A.D. vom Dezember 2004 offenbarte:
„Meine Damen und Herren! Seien wir einmal ehrlich. Wir sind eine kapitalistische Gesellschaft, was soviel heißt wie: es geht immer ums Geld, und genauso ist es. Ich habe hart gearbeitet für meine Firma und nun soviel Geld gemacht; deshalb ist es auch mein gutes Recht, am meisten Wasser zu haben. Wer weniger verdient, bekommt auch weniger Wasser. Wer hart arbeitet und verdient mehr, bekommt mehr Wasser. Was ist daran so schwer?
Wenn die Leute in Afrika nicht ordentlich arbeiten, dann bekommen sie eben auch kein Wasser. So ist das. Ich habe Jahre lang gebraucht, mir diese Firma und mein Imperium aufzubauen und lasse mir das nicht kaputt machen, niemals.“
Die Wasserbarone sind also auf dem Vormarsch und spielen das Wassermonopoly von Berlin bis Afrika: An den Netzen der an der Börse notierten Branchenführer Suez und Vivendi, die teilweise normales Trinkwasser in Plastikflaschen und Tüten abfüllen und teuer verkaufen, hängen bereits jeweils über 100 Million abhängige Menschen. Wir steuern auf eine globale Wasserkrise zu, wenn wir nicht ein Bewusstsein darüber erlangen: Wasser ist ein Geschenk der Natur an uns alle. Wasser ist Leben – und Leben ist nicht käuflich!