Leserbrief zum Leitartikel vom 7.Februar 2015: „Der Überziehungszins wankt“.
„Kundenorientierung der Sparkasse geht anders“
Es ist ein äußerst bemerkenswerter Vorgang, dass zwar die Hälfte aller Sparkassen in Deutschland plus die meisten Genossenschafts- und Volksbanken endlich die überfällige Abschaffung der Überziehungs- und Dispokredit-Zinsen vollziehen – während die hiesige Kreissparkasse Vest mit dem vorgeschobenen Argument einer „fairen Kostenverteilung“ unverdrossen daran festhält. Und das, obwohl mit nur 1,5 Prozent Dispokrediten bei ihr das Ausfallrisiko sehr gering ist.
Ausgerechnet in der „Armutsregion“ Kreis Recklinghausen nimmt die größte Sparkasse keine Rücksicht auf die hier lebende Klientel – in einer Region mit fast 35.000 Arbeitslosen (11%) und rund 50.000 Hartz-IV-Empfängern, fast 65.000 überschuldeten Menschen (jeder Zehnte) und einer steigenden Zahl von Armutsrentnern, ferner mehreren Hundert Unternehmens-Insolvenzen jährlich. Diese Kunden laufen mehr als anderswo Gefahr, einen Überziehungs- oder Dispokredit gelegentlich zu benötigen. Für „fair“ hält die Verbraucherzentrale einen Dispozins von unter 9 Prozent, während die Sparkasse Vest an fast 12% festhält; (vor der Absenkung wegen der Niedrigzins-Situation waren fast 14% fällig!). Auf ihrer werbewirksamen Homepage verschweigt übrigens die Sparkasse diese Zinssätze, während andere Sparkassen ihren Kunden Transparenz zeigen.
Offensichtlich ist bei der Geschäftsführung folgendes in Vergessenheit geraten: Historisch sind die öffentlich-rechtlichen Sparkassen in dezentraler Gewährsträgerschaft der Städte und Kreise vor 200 Jahren nämlich unter sozialem Aspekt als „Bank der kleinen Leute“ und der kleinen regionalen Unternehmen gegründet worden. Vielleicht könnten die höher als anderswo dotierten Politiker im Verwaltungsrat der Sparkasse Vest den Vorstand einmal daran erinnern – schließlich sollen sie dort auch die Bürger- und Kundeninteressen vertreten und nicht nur die Eigeninteressen an den maßlos überhöhten Sitzungsgeldern, wie die RZ aufgedeckt hatte. Aber wie sagte der neue Verwaltungsratsvorsitzende Klaus Schild abwiegelnd: „Zu gegebener Zeit“ werde man sich mit der Frage der hohen Sitzungsgelder befassen…
Dienen vielleicht die überhöhten Dispo- und Überziehungszinsen, von Verbraucherverbänden seit langem als „Zinswucher“ gebrandmarkt, der Finanzierung eben dieser überhöhten Sitzungsgelder für den Verwaltungsrat? Jedenfalls dienen die Gelder nicht der Unterhaltung der dezentralen Nebenstellen, die trotz positiver Gewinn-Bilanzen reihenweise geschlossen werden. Eher wird das Geld in die luxuriöse Premium-Sanierung der Hauptstelle am Recklinghäuser Lohtor angelegt? Und obendrein natürlich in die ebenfalls überhöhten Gehälter der Vorstands-Direktoren von mehreren Hunderttausend Euro jährlich, (wie die RZ ebenfalls aufdeckte).
In der Vergangenheit wurden die Sparkassendirektoren nach dem Sparkassentarif in Anlehnung an den öffentlichen Dienst in der Gehaltsgruppe vergleichbar A15/A16 (Direktor/leitender Direktor) bezahlt, also max. 70.000 bis 80.000 € Jahresgehalt. Seitdem man sich mit „richtigen Bankern“ vergleicht, nachdem auch die Sparkassen sich auf spekulativen Geldanlagen einließen, beansprucht man auch bis zu einer halben Millionen € Jahresgehalt, Und in Zeiten allgemeiner Geldgier möchten die Politiker in den Aufsichtsgremien sich auch nicht mehr mit kleinen Sitzungsgeldern abspeisen lassen, derweil die Konten und Rücklagen der Kleinsparer durch Niedrigstzinsen dahinschmelzen. Kundenorientierung der Sparkasse geht anders! Das hat man in Recklinghausen nicht begriffen!
Wilhelm Neurohr