Leserbrief zur Berichterstattung vom 10. August über die von der CDU abgelehnten Korruptionsregeln für Abgeordnete:
Ausgerechnet der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestages, der CDU-Abgeordnete Siegfried Kauder, wehrt sich laut Zitat mit hanebüchenen Argumenten gegen verschärfte Korruptionsregeln für unsere Abgeordneten. Zu Recht fragt der Kommentator des Medienhauses Bauer, was unsere Abgeordneten zu verbergen haben, wenn sie angeblich nicht bestechlich sind. Sämtliche demokratische Staaten haben schließlich das Anti-Korruptionsabkommen der UN ratifiziert und unterschrieben, nur einige wenige „Bananenrepubliken“ verweigern nebst dem deutschen Parlament die Ratifizierung. Die artikulierte Angst vor Strafverfolgung wegen Bestechlichkeit hält der CDU-Rechtsexperte Siegfried Kauder nach seinen Worten deshalb für “nicht passend auf den parlamentarischen Verkehr“, weil Abgeordnete „regelmäßig an Abenden von Verbänden oder Unternehmen teilnehmen müssten“. Wie bitte? Wer zwingt die mit üppigen Diäten versorgten Abgeordneten, solche Einladungen von Lobbygruppen, Interessenverbänden und Unternehmen mit Partialinteressen zum kostenlosen Abendessen anzunehmen, auch wenn es im „deutschen Parlament der Lobbyisten“ leider gängige Praxis ist?
Die das Gemeinwohl vertretenden Verbände wie die Gewerkschaften, die Wohlfahrtsverbände oder die Umweltverbände etc. kommen schließlich bei den Gesprächen mit Abgeordneten ohne solche Bestechlichkeitsversuche aus. In fast allen anderen Staaten Europas und in Amerika gelten viel strengere Regeln der Transparenz für Abgeordnete als bei in uns in Deutschland, sowohl in Bezug auf Beraterverträge als auch im Detail für Zuwendungen aller Art an Abgeordnete oder Parteien und deren Aufschlüsselung. Vor allem dürfen anderswo politische Mandats- und Amtsträger kurz vor oder nach ihrer Mandatsausübung nicht sogleich für Lobbyorganisationen tätig sein, für die sie als Abgeordnete oder Minister Politik gemacht haben.
Hingegen befindet sich in Deutschland jeder zweite ausscheidende Minister und Abgeordnete in führender Lobbyistenfunktion, wie auf den Internetseiten von Lobbycontrol oder Transparency international nachzulesen ist. Aktuellster Fall war derjenige des Chefs der NRW-Staatskanzlei, Adamowitsch (SPD), der nach seinem Ausscheiden im letzten Jahr sogleich als Cheflobbyist der Rüstungskonzerne angetreten ist. Vom Gazprom-Bundeskanzler Schröder erst gar nicht zu reden, oder von Schily, Riester, Clement & Co.
Im Bericht der Bundestagsverwaltung war jüngst nachzulesen, dass unmittelbar nach der Finanzmarktkrise so viele Parteispenden wir nie zuvor von den großen Banken und Versicherungen geflossen sind, als „Dankeschön“ dafür, dass die Politik die Profiteure der Finanzmarktkrise ungeschoren weiter gewähren lässt?
Auch die Armutsentwicklung mit der immer größere Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland durch die Umverteilung in die Taschen der 10% Reichen als „Umverteilung von unten nach oben“ ist auf die erfolgreiche Einflussnahme von Lobbyisten auf die Politik zurückzuführen - allen voran die Umverteilungspartei FDP, laut einem Kabarettisten in Wirklichkeit eine „als Partei getarnte Lobbyorganisation“.
In Deutschland wie auch in der EU-Zentrale in Brüssel, wo weiterhin Lobbyisten in den Ministerien und bei den EU-Kommissaren an den Gesetzestexten mitschreiben, nimmt die Demokratie allergrößten Schaden und die Politikverdrossenheit nimmt zu. Das Schlimmste aber ist, dass sich hochbezahlte und einflussreiche Abgeordnete wie Siegfried Kauder (CDU) nicht der (notfalls auch strafrechtlichen) Verantwortung für ihr politisches Verhalten oder Fehlverhalten bei ihren von Lobbyisten beeinflussten Entscheidungen stellen wollen, sondern sich den Folgen ihres Handelns offensichtlich entziehen und weiterhin im Verborgenen Agieren wollen. So jemand dürfte keine Wählerstimme mehr erhalten, denn er will faktisch einen Freibrief für Korruption!