Wilhelm Neurohr

„Tragen Sie dazu bei, dass die Welt sich bewegt!“

„Haben Sie eine Vision von der Zukunft? In welcher Gesellschaft möchten Sie in der Mitte des 21. Jahrhunderts leben? Tragen Sie dazu bei, dass die Welt sich bewegt!“ Mit diesen Fragen und Aufforderungen tritt die zivilgesellschaftliche „Initiative Zukunft“ in Deutschland zur Zeit an die Bürgergesellschaft heran, um mit einem breit angelegten unabhängigen Projekt zur Förderung gesellschaftlicher Innovation und Kreativität sowie zur Entwicklung und Diskussion sozialer Visionen beizutragen. Die Niedergangsbewegung der zusammenwachsenden Weltgesellschaft als drohende zivilisatorische Katastrophe soll wieder in eine Aufwärtsbewegung verwandelt werden , indem neue Handlungsspielräume durch neue Gedanken und Zukunftsvisionen eröffnet werden, ohne die Veränderungen nicht möglich sind. Eingeladen wird deshalb zu deutschen und europäische Zukunftsforen sowie lokalen Zukunftszirkeln im Jahre 2004, um dort mit einer „visionären Expedition über den Globus“ und einem „Atlas der Visionen“ neue Horizonte zu entdecken und Neuland zu beschreiten: „Gestalten Sie die Terra inkognita“ in dem Bewusstsein: Wir können die Welt wirklich verändern.

Angestoßen werden soll mit dieser beispiellosen zivilgesellschaftlichen Initiative eine handlungsorientierte „soziale Bewegung der Veränderer“ und zugleich eine weitergehende Vernetzung und Kooperation der schon bestehenden zivilgesellschaftlichen Netzwerke der verschiedenen Organisationen und Zusammenschlüsse sowie Einzelpersonen - derweil die Politik mit der innere Erosion der parlamentarischen Parteiendemokratie eher Lethargie und lähmenden Konformismus verbreitet, obwohl immer Alternativen möglich sind zu dem fundamentalistischen Anspruch, die gesamte Welt trotz unterschiedlichster Kulturen und verschiedener wirtschaftlicher Entwicklungsstadien nach einem einzigen wirtschaftlichen Prinzip formen zu wollen, gegen das sich die Zivilgesellschaft wehrt.1 Die großen gesellschaftlichen Veränderungen gingen selten von der offiziellen Politik aus, sondern stets von den zivilgesellschaftlichen Bewegungen, der Ökologiebewegung, der Friedensbewegung, den Freiheitsbewegungen, der Frauenbewegung und nunmehr von der neuen sozialen Kulturbewegung.

Neue soziale Ideen und Visionen schaffen Zukunft: Treffpunkt für „culturell creatives“ und ihre Ideen

In der Hoffnung auf die Kraft von Ideen und Visionen bietet die „Initiative Zukunft“2 drei Schwerpunkte: Einerseits Zentrale Veranstaltungen zur Vorstellung von Visionen; sie werden nach der „Open-Space-Methode“ durchgeführt. Dazu gibt es ein korrespondierendes Internet-Diskussionsforum als „Zukunfts-Club“ sowie andererseits „Zukunfts-Zirkel“ als lokale Initiativen zur Diskussion der Visionen und zur Entwicklung von Umsetzungsstrategien. Vom 14.-16. Mai 2004 findet das Zukunfts-Forum „Arbeit und Tätigkeit“ statt und vom 15.-17. Oktober das Zukunftsforum „Aktive Bürgergesellschaft“. Ein Europäisches Forum wird vom 18.-22. Juli 2004 zum Thema „Komplementär-Währungen“ veranstaltet. Vom 24.-29. Juli findet eine Sommerakademie für „Querdenkerinnen und Querdenker“ sowie „Quertuer und Quertuerinnen“ statt.

Die Initiatoren wollen bereits entwickelte Visionen bündeln und in einen breiten gesellschaftlichen Diskussionsprozess einbringen, der in politisch relevante Entwürfe münden und in einer entsprechenden Programmatik ausformuliert werden soll. Schließlich geht es aber auch um ihre Umsetzung und entsprechende Aktionen. Die erklärten Ziele der Initiative sind es, ein Forum für visionäre Gedanken und deren Entfaltung zu sein, einen „think tank“ für neue politische Ansätze zu formen sowie einen permanenten Dialog und Konsultationsprozess aufzubauen, zugleich ein Netzwerk für „Vordenker und Gestalter“ in Deutschland anzubieten und dabei mit neuen Formen der Kommunikation und Beteiligung zu experimentieren, also einen Treffpunkt für „culturell creatives“ und ihre Ideen anzubieten: „Europa als Kontinent der Quer-Denker, der Quer-Sucher, der Quer-Tuer und der Quer-Lenker.“

Alternative Wirtschaftskonzepte und Strategien für ein Soziales Europa, für Gemeinwohlökonomie, soziale Netzwerke, Nachhaltigkeit und Weltbürgerschaft

Die Themenpalette soll sich erstrecken von den Anliegen der Nachhaltigkeit und Gemeinwohlorientierung sowie Weltbürgerschaft über die Frage eines sozialen Europa bis zu Einzelfragen einer Agrarwende, einer Halbtagsgesellschaft und des Regio-Geldes. Nachgedacht werden soll über Veränderungen des politischen Systems, über alternative wirtschaftliche Konzepte sowie alternative Strategien der Nachhaltigkeit und Fragen des Gleichgewichtes. Die Entwicklung der Zivil- und Bürgergesellschaft und sozialer Netzwerke ist ebenso ein Anliegen wie die soziale Gerechtigkeit vor Wirtschaftswachstum. Weitere Stichworte lauten: „Von Erwerbsarbeit zur Tätigkeit“, „Zahlungsmittel Zeit“ oder „Workholder Values versus Shareholder Values“.

Angeknüpft wird dabei auch an die Weltsozialforen in Porto Alegre und Cancun sowie an die Europäischen Sozialforen in Florenz und Paris.3 „Global Exchange“, der globale Austausch, soll dabei auch gepflegt werden mit Organisationen wie Amnesty international“, Misereor“ oder „terre des hommes“ und vielen anderen. Mitträger des „Initiative Zukunft“ sind die „Stiftung Mitarbeit“4, die sich seit 12 Jahren für die Bürgergesellschaft engagiert, die Leserinitiative der globalisierungskritischen und spirituellen Zeitschrift kritischer Christen aller Konfessionen, „Publik Forum“, das soziale Institut der katholischen Kirche, ferner der Verein „Equlibrismus“ und das „Soziale Netzwerk Zukunft“ Der Münchener Verein Equlibrismus e.V.5 setzt sich für eine Gleichgewichtung der Bereiche Ökologie, Wirtschaft, Politik, Kultur, Recht und Soziales ein, mit einer natürlichen Kreislaufwirtschaft, einer nachhaltigen Wirtschaftsordnung und einem Weltbürgertum sowie einer Reform der Vereinten Nationen.

Zukunftsentwürfe erfordern Austausch zwischen Menschen unterschiedlichster Lebens-, Arbeits- und Erfahrungszusammenhänge

Das „Soziale Netzwerk Zukunft e.V.“, das mit einer Vielzahl weiterer Organisationen, Institutionen und Einzelpersonen sowie mit der Akademie der Künste in Berlin zusammenarbeitet und das geistige Erbe Robert Jungks (Zukunftswerkstätten) in die Zukunft fortsetzen möchte, versteht sich als ein Forum für den Austausch zwischen Menschen aus unterschiedlichsten Lebens- Arbeits- und Erfahrungszusammenhängen: „Die neuen Antworten, die hier gesucht werden, müssen mehr sein als die Projektion der Gegenwart in die Zukunft. Gefordert sind nicht mehr allein wissenschaftliche oder technische Pioniertaten, sondern vor allem soziale Innovationen für ein friedliches und selbstbestimmtes Zusammenleben sowie die Erhaltung der ökologischen Lebensgrundlagen.“ Beteiligt sind auch das Sekretariat für Zukunftsforschung in Gelsenkirchen (Ruhrgebiet) sowie das Gelsenkirchener „Z_punkt büro für zukunftsgestaltung“, ferner einige Landeskoordinierungsstellen der Lokalen Agenda 21.

Die Beteiligten gehen von folgender Erkenntnis aus: „Der wachsenden Komplexität unserer Lebenswelt kann eine in einzelne Fachgebiete zergliederte Wissenschaft und eine kurzsichtige Politik der Sachzwänge nicht gerecht werden. Der Versuch, mögliche und wünschenswerte Zukünfte zu entwerfen, verlangt eine Herangehensweise, die den Horizont gesicherter Wege und Erkenntnisse verlässt. Sie muss über die wissenschaftliche Diskussion hinaus das Alltagswissen möglichst vieler Menschen unterschiedliche Herkunft und auch die Imaginationen und Sensibilität von Schriftsteller/innen und Künstler/innen miteinbeziehen.“

Weiter heißt es zu der Zielsetzung des Zukunftsnetzwerkes: „Die Risiken der technisch-wissenschaftlichen Zivilisation machen ein Wissenschafts- und Politikverständnis erforderlich, das die demokratische Teilhabe bisher ausgegrenzter Sichtweisen und Interessen ermöglicht und auf ein ganzheitlich-integratives Denken und Handeln setzt. Benötigt wird eine auf Ergebnisse der Zukunftsforschung aufbauende partizipative Zukunftsgestaltung, die bei dem Entwurf von Visionen und Konzepten für eine bessere Zukunft dem Prinzip Global denken – lokal handeln folgt.“ 6

Die Spirale als Symbol der „Initiative Zukunft“: das „Über-sich-hinaus-Wachsen“ des inneren Menschen nach außen

Das Netzwerk Zukunft will Mut machen, persönliches Engagement, Kreativität und soziale Phantasie zu entfalten. Es will Einfluss auf gesellschaftliche Entscheidungsprozesse nehmen und zukunftsorientierte Handlungsoptionen eröffnen. Die „Initiative Zukunft“ hat deshalb für ihr gemeinschaftliches Projekt die Spirale als Symbol gewählt für das „Über-sich-hinaus-Wachsen“. Die Spirale, zweidimensional gesehen, ist eine Linie, die sich aus sich selbst entrollt; sie ist eine offene, dynamische Figur, die von Drehung zu Drehung über sich hinausweist. Von einem Punkt ausgehend, den sie in immer neuen Umdrehungen umkreist, lässt sie sich grundsätzlich bis ins Unendliche fortsetzen. Dabei gewinnt sie bei jeder Umkreisung an Energie: an Expansionskraft, wenn wir ihren Verlauf von innen nach außen betrachten, und als Konzentration, wenn wir ihren Verlauf von außen nach innen betrachten.

Damit wird deutlich, dass bei der Zukunftsinitiative mit ihren Zukunftswerkstätten das Innere und Äußere der beteiligten Menschen in engem Wechselspiel steht. Woher kann eine andere Denkweise und Gesinnung kommen als die momentan vorherrschende? Indem wir neue soziale Ideen und Visionen dadurch aus spirituellen Quellen entspringen lassen, dass sich die Menschen, losgelöst von den politischen Problemen, zunächst auch selbst in den Blick nehmen. Dann können wir in Handlungen nach außen wirken und die Welt, zum Teil wenigstens, so gestalten, wie wir es wollen, jenseits vermeintlicher Sachzwänge.

Das handelnde ICH hat sowohl fehlerhaft als auch positiv gehandelt bei dem, was geworden ist und was zukünftig werden soll. Auf dieses fortdauernde Spannungsfeld im menschlichen Leben und gesellschaftlichen Zusammenhang weist die Spirale hin: Etwas zu schaffen, dann zu dem geschaffenen nach einiger Zeit zurückzukehren, es zu betrachten und vielleicht zu bemerken, dass nicht das daraus geworden und gelungen ist, was eigentlich gewollt war. Das menschliche Ich ist eine in die Zukunft führende Kraft, die nicht auf dem ausruht, was ist, sondern auf dem, was lebt.7

Besinnung der lernenden Gesellschaft auf das Zukunftsnotwendige durch neues Bewusstsein für ihre eigenen sozialen Angelegenheiten

Das gilt auch für die lebendige Gemeinschaft in der aktiven Bürgergesellschaft, die sich nun auf das Zukunftsnotwendige besinnt. „Mit diesem Erwachen stehen wir an einem neuen Anfang, ohne dass schon neue Inhalte gegriffen werden könnten, aber die Bewusstseinsform ist schon eine neue. Wie schafft man Voraussetzungen, dass das verstärkt inhaltlich ausgefüllt werden kann? Wie kann man es hinbekommen, dass eine Gesellschaft selbst zu einer lernenden in Bezug auf ihre eigenen sozialen Angelegenheiten wird, wie sie es im Hinblick auf wirtschaftlich-technischen Fortschritt schon lange ist? Dass Wege einer Gesellschaft zu einer sich verändernden, zu einer offenen im Hinblick auf Werte beschritten werden? Reicht es aus, dass ein paar Politiker Mittel und Wege finden, dass ein Parlament das beschließt, was sie haben wollen, oder ist da etwas mehr an Beteiligung notwendig?“ 8

Wo wirklich zukunftsträchtige Entscheidungen anstehen, die alle Mündigen betreffen, sollen diese Entscheidungen auch von den Betroffenen Menschen selber getroffen und beeinflusst werden können. Was dieser Ideenbildung an Zukunftskraft innewohnt, indem sie mögliche Organisationsformen, also Wege zu Problemlösungen, aufzeigt, kann man erst ermessen, wenn die wirtschaftliche Not am größten ist. In diesen Zeiten wirtschaftlicher und sozialer Not sowie seelischer Armut und geistiger Leere für viele Menschen, trotz größten wirtschaftlichen Reichtums der Weltgesellschaft insgesamt, hat die „Initiative Zukunft“ die richtigen Schritte und Wege sowie Organisationsformen vor Augen. Sie will genau das, was in Anthroposophie und sozialer Dreigliederung veranlagt ist, so dass die anthroposophische Bewegung nicht außerhalb dieser zivilgesellschaftlichen Initiative stehen kann, sondern sich mit sozialer Phantasie aus spirituellen Quellen in die Zukunftsforen inhaltlich aktiv einbringen sollte - eine große Chance und Herausforderung für die öffentliche Wirksamkeit der Anthroposophie!9

Bürgerstiftung „Mitarbeit“: Globalisierung und Demokratie-Entwicklung von unten

„Nur wenn möglichst viele Bürgerinnen und Bürger bereit sind, sich aktiv einzumischen und Mitverantwortung zu übernehmen, kann Demokratie lebendig werden.“ Dieser Leitsatz kennzeichnet die Arbeit der „Stiftung Mitarbeit“1. Sie hat sich die „Demokratieentwicklung von unten“ zur Aufgabe gemacht und versteht sich als Servicestelle für das bürgerschaftliche Engagement außerhalb von Parteien und großen Verbänden. Sie steht insbesondere Bürgerinitiativen und Selbsthilfegruppen mit Beratung und Information, mit der Vermittlung von Kontakten und Vernetzungsmöglichkeiten sowie vielfältigen praktischen Hilfestellungen zur Verfügung. Über 1000 lokale Gruppen konnte seit 1991 bei ihrer Arbeit finanziell mit kleinen Starthilfezuschüssen unterstützt werden.

In den Fachtagungen der Stiftung werden Probleme der Bürgermitwirkung aufgegriffen und neue Ideen und Ansätze vorgestellt, von der Jugend- bis zur Seniorenarbeit, vom Umweltschutz bis zur Ausländer- und Antirassismus-Arbeit. Methodenseminare mit „Arbeitshilfe Kreativtechnik“ werden angeboten und praxisnahe Publikationen zur Demokratieentwicklung von unten mit positiven Modellen und Beispielen herausgegeben. Mit dem Internetportal „Wegweise Bürgergesellschaft“2 wendet sich die „Stiftung Mitarbeit“ an Initiativen, Projekte, Non-Profit-Organisationen, Wissenschaft und Politik wie auch an Bürgerinnen und Bürger, die sich bürgerschaftlich engagieren wollen. Sie beteiligt sich bei der Entwicklung neuer Bürgerbeteiligungsmodelle für die Teilnamerechte der Schwächeren.

Die Stiftung wurde bereits 1963 von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens mit zum Teil sehr unterschiedlichen politischen Überzeugungen gegründet. 1999 wurde anlässlich der Feiern von „50 Jahre Grundsatz – die Bürgergesellschaft lebt“ die Lebendigkeit der Bürgergesellschaft eindrucksvoll demonstriert, aber auch über den Zustand der Demokratie nachgedacht und Reformbedarf geltend gemacht.

Politische, soziale und kulturelle Visionen: Direkte Demokratie, Partizipation, Bürgerbeteiligung, Gemeinwesenarbeit, soziale Stadtentwicklung und soziale Entwicklung in Europa

In ganz Deutschland hält die Stiftung Fachtagungen und Methodenseminare ab, beispielsweise im Februar 2003 zum Thema: “Schweiz als Modell – Erfahrungen mit der direkten Demokratie“ oder im März und Oktober dieses Jahres zum Thema „Gemeinwesenarbeit und soziale Stadtentwicklung“ oder „Die soziale Stadt stärken“. Praxisseminare im Mai 2003 befassten sich mit „Bürgerbegehren“ sowie mit „Sozial Development in Europa“ oder zur Frage „Wie demokratisch wird Europa?“ und zu den Themen „Civil Society Europa“ oder „Was ist wirklich wichtig in Europa?“. Die weitere Themenpalette reicht von „Mitarbeiter/innen-Partizipation in sozialen Einrichtungen“ über „Planspiel Bürgerbeteiligung“ bis „Selbstbestimmt Wohnen in Gemeinschaft – Wohnformen mit Zukunft“. Eine Bundestagung „Modelle der lokalen Bürgerbeteiligung“ sowie eine Sommerakademie „Wege und Perspektiven bürgerschaftlichen Engagements: Politische, soziale und kulturelle Visionen“ wurden abgehalten, ferner eine „Perspektivenwerkstatt – von guten Beispielen lernen“, außerdem eine „lokale Demokratie-Bilanz“ eingeführt und „Erfolgeiche Netzwerke als informelle Sozialforen“ geknüpft sowie „Direkte Demokratie in den Kommunen“ gefördert.

Auch die wertvollen Publikationen der Stiftung umfassen ein breites Themenspektrum, von der „Solidarität zwischen den Generationen“ über „Globalisierung von unten“ oder „Politik als Experiment“ und „Strategien gegen Korruption“. Entwickelt wurden „Arbeitshilfen zum Aufbau von Bürgerstiftungen“, veröffentlicht wurden „Beispiele für wirksame Vernetzung“ und „Wege zur Zukunftsfähigkeit“ oder „Ratgeber zur kreativen Problemlösung“ sowie „Alltags(t)räume – Lebensführung im Gemeinwesen“. Die Veröffentlichungen beschränken sich nicht nur auf Themen wie „Auf dem Weg zur Bürgerkommune“ oder „Mehr direkte Demokratie“ wagen oder „Direkte Demokratie international“, sondern erfassen auch spezielle Themen wie z.B. „Neue Ideen schaffen Arbeit“ oder „Wege aus der Gewalt“, bis hin zum „Lernziel Bürger/innen-gesellschaft in Schule und Hochschule“ oder „Schule ist mehr als nur Unterricht – Community Education“ – erst recht ein Thema auch für die Waldorfschulen. Eine spezielle Veröffentlichung : „Was die Welt zusammenhält – Ehrenamtliche Arbeit von Frauen“ kommt hinzu; regelmäßig herausgegeben wird das Publikationsorgan „Mitarbeit“.

Die Wirksamkeit direkter Demokratie lässt sich auch daran ablesen, dass zwischen 1972 und 2002 mehr als 150 Millionen Bürger in Europa in 11 Nationen an insgesamt 27 Referenden allein über Fragen der Europäischen Union abgestimmt haben; weitere Abstimmungen erfolgten zur Euro-Einführung und zu anderen Entscheidungen.. Mitarbeit und Mitverantwortung ist allenthalben angesagt.

Menschliches Sozialkapital: Netzwerke und Lobby für Bürgerrechte jenseits von Partikularinteressen

Über Mitgliederverbände, Dachorganisationen und Organisationen sowie Bewegungsunternehmen hinaus gibt es mittlerweile zahlreiche Netzwerke verschiedener Organisationen und Zusammenschlüsse. Damit wird dem vielfältigen Bedarf nach Vernetzung und Kooperation entsprochen. Jüngstes Beispiel ist das „Bündnis soziale Bewegung NRW“ aus 26 Organisationen und ungezählten Einzelpersonen als eine „starke Bewegung für soziale Gerechtigkeit und mutige Reformen“ in Nordrhein-Westfalen, die sich gerade formiert und an der auch der Verfasser dieses Beitrages mitwirkt. Die tiefe Krise, in der Deutschland sich gerade befindet, mit Massenarbeitslosigkeit, Ausbildungsmisere, leeren öffentlichen Kassen sowie Gefährdung der sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Infrastruktur erfordern andersartige Reformen, die für mehr Arbeitsplätze oder von Erwerbsarbeit unabhängige Einkommensmöglichkeiten sorgen und die sozialen Sicherungssysteme zukunftsfest machen.

So gibt es längst zahlreiche Beispiele , wie vielfach Organisationen unterschiedlicher Form und Ausrichtung, jenseits von Organisationsegoismen und Partikularinteressen erfolgreich zusammenarbeiten.. Zur Förderung von Sozialkapital ermöglicht die Bürgergesellschaft neue Bündnisse und Kooperationen auch im großen, bei der auch die anthroposophische Bewegung längst nicht mehr im Abseits steht, denkt man an die vielfältigen zivilgesellschaftlichen Vernetzungen einschließlich des Netzwerkes für soziale Dreigliederung oder die Organisationen für ein freies Schulwesen, im Landwirtschafts- und Gesundheitsbereich usw.

Lebendige Beweise für die aktive Bürgergesellschaft

Lebendige Beweise für die aktive Bürgergesellschaft gibt es zuhauf, vom deutschen Naturschutzring mit 98 Einzelorganisationen über den „Verbund Entwicklungspolitik“ deutscher Nichtregierungsorganisationen bis hin zum „Forum Umwelt und Entwicklung“ mit 35 Verbänden und Netzwerken, nach der Umweltkonferenz von Rio entstanden. Des weiteren gibt es die „National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland“ mit 90 bundesweit tätigen Organisationen, ferner das „Forum Menschenrechte“ mit 40 nichtstaatlichen Organisationen sowie das „Bündnis für Demokratie und Toleranz“, in dem sich 800 Gruppen sowie Einzelpersonen zusammengeschlossen haben unter dem Motto „Hinschauen, Handeln, Helfen“. Erwähnt seien auch der „deutsche Kulturrat“ mit 200 Künstlerverbänden oder die „Bundesvereinigung Gesundheit“ mit 122 Organisationen, die „Nationale Armutskonferenz“ in Deutschland oder der deutsche „Bundesjugendring“, der deutsche „Frauenrat“, der „Behindertenrat“ oder die Gemeinwesenorganisation „Civitas – bürgerorientierte Kommunen“, ein Bundesnetzwerk bürgerschaftlichen Engagements.

Als „Lobby für Bürgerrechte“ versteht sich auch die „Humanistische Union“, die sich als emanzipatorisch, unabhängig und radikaldemokratisch bezeichnet. Viele engagierte Demokraten stellen die Frage: „Brauchen wir in einer Demokratie eine Demokratiepolitik?“ Die Antwort gab schon der erste Bundespräsident Theodor Heuss: „Wenn unsere Verfassung nicht im Bewusstsein und in der Freude unseres Volkes lebendig ist, bleibt sie ein Stück Machtgeschichte von Parteipolitikern.“ Inzwischen gibt es die Idee der „Ratschlaggruppen“, die vor wichtigen Entscheidungen der Regierungsparteien nach eingehender Diskussion in den Wahlkreisen Stellung nehmen und diese Stellungnahmen von den Parteizentralen und Parlamentsgremien ausgewertet werden, um auf diese Weise zigtausende Bürger unmittelbar an der Ausformung von Gesetzen sowie Partei- und Regierungsprogrammen zu beteiligen. Damit soll auch die soziale Ausgrenzung überwunden werden. Eine andere Idee sieht vor, „Fachleute für den Frieden“ auszubilden durch einen öffentlich geförderten freiwilligen Dienst, mit Ausbildung für Beratung und Unterstützung in Krisenregionen, um Unterstützung zum Aufbau zivilgesellschaftlicher Strukturen leisten zu können.

Bilanz- und Perspektiv-Konferenz der Agenda 21 für soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit

Tausende von Kommunen und Bürgerinitiativen weltweit haben sich seit der UN-Rio-Konferenz und dem Bilanzgipfel von Johannesburg im Vorjahr 1 den Zielen einer sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltigen Entwicklung verpflichtet, so auch die Hälfte der fast 500 Kommunen in NRW oder 2500 in ganz Deutschland an den runden Tischen mit den zivilgesellschaftlichen Aktivisten der Lokalen Agenda 21. In Nordrhein-Westfalen fand nun am 26. und 27. November eine große Bilanz- und Perspektivkonferenz der Agenda 21 im alten Bundeshaus in Bonn statt, an der auch der Verfasser dieses Aufsatzes teilnahm als Agenda-Beauftragter im nördlichen Ruhrgebiet.

Die Konferenz wurde von Ministerpräsident Steinbrück eröffnet und konnte mit namhaften Referenten aufwarten: Daniel Goeudevert, ehemaliger Automobilmanager und Buchautor, sprach über „Nachhaltiges Wirtschaften als globale Chance“ und Wouter van Dieren vom Club of Rome referierte über „Nachhaltigkeit als Geschäftsstrategie – ein neues Erfolgsrezept für die Wirtschaft?“. Der ehemalige deutsche Entwicklungshilfeminister Dr. Erhard Eppler sprach über „Zukunftstauglichkeit als Aufgabe der Politik“ und der ehemalige deutsche Forschungsminister Dr. Volker Hauff, heute Vorsitzender des Rates für nachhaltige Entwicklung, diskutierte mit Kirchenvertretern, Staatssekretären und Wissenschaftlern über „Wege zur Nachhaltigkeit in Bund, Land und Kommune“. In mehreren Workshops ging es um die Themen des nachhaltigen Wirtschaftens, um Verbraucherschutz und Gesundheit, um globale Verantwortung und Gerechtigkeit in der einen Welt, um Klimaschutz und nachhaltige Mobilität, um Siedlungs- und Naturräume mit einer nachhaltigen Flächenhaushaltspolitik sowie um nachhaltige Sozial- und Gesellschaftspolitik, um die Zukunft für die nächste Generation zu sichern.

Diese Bilanz- und Perspektivkonferenz des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen zusammen mit der Zivilgesellschaft, fand zu einem Zeitpunkt statt, an dem gerade eine Umfrage des bundesweit tätigen Agenda-Transferbüros in Bonn die betrübliche Bilanz ergeben hatte, dass viele Kommunen ihr Engagement, ihre Gelder und ihr Personal für die lokalen Agenda-Prozesse reduziert oder gar eingestellt haben, so dass der Nachhaltigkeitsprozess in Deutschland überwiegend auf den Schultern der Zivilgesellschaft, also auf bürgerschaftlichem Engagement sich stützt, wodurch über 50 Agenda-Projekte auf der Konferenz-Ausstellung präsentiert werden konnten. So stellte sich am Schluss die Frage für die engagierten Bürgerinnen und Bürger : Welche Wege müssen künftig beschritten werden, um die Visionen de Agenda 21 in die Tat umzusetzen? An der Eigenverantwortung und dem Ergreifen eigener Initiative der Menschen in der Zivilgesellschaft führt also kein Weg vorbei, so dass schon in der Schule darauf vorbereitet werden sollte, z.B. in den zahlreichen Agenda-Umweltschulen in NRW, denen sich auch einige Waldorfschulen anschließen könnten. Soziale Fähigkeiten und Interesse für bürgerschaftliches Engagement sind gefragt und für das Gemeinwesen der Zukunft überlebensnotwendig.


1 vgl. Interview mit dem alternativen Nobelpreisträger und Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer in Publik-Forum Nr. 22/2003.

2 Internet: www.initiativezukunft.de; Wer sich aktiv beteiligen will, kann Informationen über den Verlauf der Initiative oder ein Starterpaket anfordern bei Dr. Ulrike Buschmeier, Selhofer Str, 11 in D-53604 Bad Honnef

3 siehe diverse Ausgaben der Wochenschrift „Goetheanum“ 2001 bis 2004 (z.B. Nr. 10/2003 oder Nr. 8/2001)

4 Internet: www.mitarbeit.de

5 Internet: www.equilibrismus.de

6 Wilhelm Neurohr: „Die Bürgerkommune in der globalen Bürgergesellschaft“ in Goetheanum Nr. 28/2000

7 vgl. Stefan Leber: „Der soziale Auftrag Mitteleuropas“ in „Europa und sein Genius“, Perspektiven der Anthroposophie, Fischer-Verlag 1986 (Hrsg. Heinz Eckhoff)

8 ebenda

9 Wilhelm Neurohr: „Sein oder Nichtsein – Die anthroposophische Bewegung an der Schwelle zum neuen Jahrtausend – 10 Thesen“ in Goetheanum Nr. 5/2000 (Nachrichtenbeilage für die Mitglieder)

1 Internet: www.mitarbeit.de

2 Internet; www.wegweiser-buergergesellschaft.de sowie www.b-b-e.de (Bundesnetzwerk bürgerschaftliches Engagement)

1 Wilhelm Neurohr: „Eine andere Globalisierung ist möglich – Bilanz der Nachhaltigkeit zum bevorstehenden Umweltgipfel in Johannesburg“ in Goetheanum Nr. 32/33-2002;

Martin Wiegand: „Die Macht der Genmächtigen (Rio+10 und Johannesburg-Gipfel) in Goetheanum Nr. 38/2002