Wilhelm Neurohr

Forum Goethe-Institut: Konferenz mit 15 alternativen Nobelpreisträgern in München

Gut 15 Jahre nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems im Osten wird es absehbar keine 15 Jahre mehr dauern bis zum Zusammenbruch des kapitalistischen westlichen Systems - ein nur scheinbar erfolgreiches globales System, das sich „zu Tode siegt“. Danach wird die Welt eine andere sein als vorher - und die Menschen werden anders denken und sich anders verhalten. Politische und wirtschaftliche Systeme vertragen keine Ideologien als Fundament, sondern eine den Gesetzen des Lebens, der Menschen und der Natur entsprechende Sozialgestaltung im Sinne der sozialen Dreigliederung. Es wird bereits von der „nachökonomischen“ Gesellschaft gesprochen - aber ist die Menschheit auf diese vorbereitet mit sozialen Ideen aus spirituellen Quellen?

Kraftvolles soziales Engagement zeichnet jedenfalls die 15 Träger des Alternativen Nobelpreises aus , die vom 8. Bis 11. März 2005 zu einer Konferenz nach München eingeladen waren zu dem Thema: Die Alternatibve - Ausblick auf eine andere Globalisierung“. Anlaß für diese vom Forum Goethe-Institut in Zusammenarbeit mit der Stadt München, einer Bürger-Stiftung und der Schweisfurth-Stiftung u.a. organisierte Plattform war das 25-jährige Jubiläum des Alternativen Nobelpreises (Right Livelihood Award / RLA), dessen Stifter Jakob von Uexküll ebenfalls vertreten war. Unter den Preisträgern der Jahre 1980 bis 2004 aus 14 verschiedenen Ländern - von der USA über Kanada, Deutschland und Norwegen bis zu Chile, Indien, Thailand und Nicaragua - waren auch Nicanor Perlas von den Phlippinen und Ibrahim Abouleish aus Ägypten. Die ebenfalls eingeladene letztjährige Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai (Goetheanum Nr. 43/2004) aus Kenia konnte nicht teilnehmen.

Mit dem alternativen Nobelpreis werden jedes Jahr herausragende Projekte oder Pioniere geehrt, die das moderne Leitbild der Nachhaltigkeit mit Leben füllen können. Der Preis gilt heute als der bedeutendste „alternative“ Preis der Friedenspolitik, des Umweltschutzes, der Menschenrechte und der nachhaltigen Entwicklung auf sozialem, wirtschaftlichem oder ökologischem Gebiet. Die zum Teil langjährigen und erfolgreichen Projekte der Preisträger öffneten den Blick dafür, dass eine kulturell vielfältige, wirtschaftlich tragbare und nachhaltige Zukunft möglich ist.

Die ethischen Werte einer nachhaltigen Gesellschaft mit Zukunft: Ist die Welt auf die Zukunft vorbereitet?

Die Konferenz beschäftigte sich mit Ausblicken auf einen andere Globalisierung, dem Erhalt der kulturellen und ökologischen Vielfalt der Welt, mit Perspektiven zur nachhaltigen Entwicklung, der Unterstützung lokaler Ökonomien sowie der Entwicklung alternativer und dezentralisierter Gemeinschaften. Dabei wurden insbesondere die ethischen Werte einer nachhaltigen Gesellschaft herausgearbeitet. Visionen, Ansätze, Projekte und Lösungswege der geladenen Preisträger wurden der Öffentlichkeit präsentiert und zur Diskussion gestellt. Ziel war es, die anwesenden Initiativen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) am Wissen der Preisträger teilhaben zu lassen und zu einer weiteren internationalen Vernetzung der besten Praxismodelle anzuregen.

Die Tagung mit Vorträgen, Workshops und Foren sowie einer öffentliche Podiumsdiskussion der Preisträger mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft wendete sich zwar in erster Linie an Initiativen, NGOs und Menschen, die in der Zivilgesellschaft im Bereich nachhaltiger Zukunftsplanung aktiv sind. Die Ergebnisse sind aber für eine breite politische Öffentlichkeit von außerordentlicher Bedeutung. So wurde die aufrüttelnde Prognose von Nicanor Perlas: „Das kapitalistische System wird zusammenbrechen“ auf der Titelseite der Ausgabe „die tageszeitung“ vom 12./13. März zitiert. In einem ausführlichen 3-seitigen Interview bekam er - zusammen mit den Preisträgern Manfred Max-Neef aus Chile und Topio Mattlar aus Finnland - Gelegenheit, der überlebenswichtigen Frage in einer breiten Öffentlichkeit nachzugehen, ob die Welt überhaupt auf die Zukunft vorbereitet ist.

Nicanor Perlas: „Es stimmt, die Nationalstaaten haben ihre Entscheidungsfindung an die transnationalen Konzerne abgegeben. Diese Konzentration der Macht ist allerdings nicht nachhaltig. Deshalb wird das System, zusammenbrechen.“ Manfred Max-Neef ergänzte: „Das System wird entweder aus ökologischen oder aus finanziellen Gründen kollabieren. Ich glaube. Der finanzielle Kollaps wird zuerst kommen, denn am Steuerruder sitzen nur die globalen Spekulanten - das ist offensichtlich nicht nachhaltig.“ Ökonomen könnten sogar in der Theorie beweisen, dass diese Macht zusammenbrechen muss, auch wenn es nicht möglich ist, den exakten Zeitpunkt zu berechnen. Auch ein zu reduzierender Energieverbrauch in allen Gesellschaften erfordere einen sozialen, politischen und ökologischen Wechsel. Nicanor Perlas sieht den nächsten Ölpreisschock ebenso kommen wie die schneller als erwartet eintretende globale Erwärmung sowie das Chaos der Finanzsysteme im „kapitalistischen Weltreich“.

Die Preisträger stellten die Frage, ob die dezentralen Organisationsformen der Zivilgesellschaft sich schnell genug entwickeln, um den Kollaps des Systems auszugleichen, der zu einer verstärkten Unterdrückung der Armen führen werde, obwohl diese kollossal kreativ seien. Diejenigen, die über Armut redeten, hätten sie nicht verstanden und nicht durchlitten. Der Finne Topio Mattlar verdeutlichte, wie sich die finnische Dorfbewegung bereits heute loslöse von den negativen Einflüssen der Globalisierung und des ausufernden Kapitalismus und bereits ihren eigenen Weg gehe. Manfred Max-Neef ergänzte, dass die Arbeitslosigkeit eine Erfindung der industriellen Revolution sei und der Arbeitsbegriff heute neu geprägt werden müsse.

Er entwarf auch eine ganz andere Sicht auf den Irak-Krieg der USA: Nach dem neuen Saatgutgesetz der US-Verwaltung sind alle Bauern im Irak gezwungen, ihr Saatgut zu verbrennen. Sie dürfen von Gesetzes wegen nur noch ihr Saatgut beim US-Konzern Monsanto, das den Anspruch formuliert hat, in 20 Jahren den Weltmarkt für Saargut zu 100 Prozent zu beherrschen. Nicanor Perlas verdeutlichte, dass Widerstand durch die Zivilgesellschaft deshalb zwar notwendig sei, aber nicht ausreiche. Die vielen lokalen Alternativen und Lösungen müßten nunmehr der weltweiten Zivilgesellschaft einen Schub verschaffen, damit die Kräfte zusammenkommen und sich gegenseitig verstärken zur Veränderung der Gesellschaft. Das Bewußtsein dafür sei jetzt da. Wird unser Bewußseinsseelenzeitalter den absehbaren Zusammenbruch des Systems in eine lebenswerte Zukunft für alle überführen? Eine Herausforderung für jeden Einzelnen!