Wilhelm Neurohr

Impulsreferat zur Leitbildarbeit am Sonntag, 21.10. 07 um 17 Uhr im Ratssaal Lindlar

Wenn von Leitbildern die Rede ist - einleitend einige leitende Fragen oder Leitfragen:

  • Wozu brauchen wir Leitbilder und Leitbilddiskusionen?
  • Sind Leitbilder eine vorübergehende Mode-Erscheinung - und folglich entbehrlich?
  • War sind genau Leitbilder und was beinhalten sie?
  • Wie werden Leitbilder erarbeitet? Wer erarbeitet sie? Was geschieht damit?
  • Wie werden Leitbilder gelebt oder mit Leben gefüllt?
  • Müssten wir Leitbilder mit „d“ schreiben, weil manche die Leitbilddebatten bereits leid sind?

Zur Person - und vorweg zum Themenbezug aus der Praxis:

  • Als Stadtplaner und Regionalplaner beruflich mit Leitbildern vertraut:
  • Seit den 60-er Jahren Städtebauliche Leitbilder für die Stadtentwicklung
  • Leitbilder für die Regionalentwicklung und Raumordnung (z.B. Strategien für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land)
  • Damit verknüpft waren politische Leitbilder z.B. für die Landesentwicklung
  • Ursprünglich kommen Leitbilder aus der Psychologie und wurden dann in die Stadtplanung übertragen

Dann wurde es eine zeitlang still um die Leitbildorientierung, bis in den 90-er Jahren überall Leitbilder entwickelt wurden:

Heute gibt es kaum ein Unternehmen, das kein eigenes Leitbild hat, wie man im Internet nachschauen kann:

  • Produktionsunternehmen,
  • Dienstleistungsunternehmen,
  • Schulen und Bildungseinrichtungen,
  • Kommunale Verwaltungen oder Einrichtungen,
  • Leitbilder für die gesamte Stadt oder Gemeinde,
  • Aber auch Vereine und Organisationen geben sich oft ein Leitbild.
  • Und im Rahmen der lokalen Agenda 21 sind Leitbilder für die nachhaltige Entwicklung geradezu unverzichtbar.

Als Beauftragter für die Lokale Agenda 21 im Kreis Recklinghausen war ich in der Kreisstadt schon vor Jahren an der Leitbilderarbeitung beteiligt, also für eine Großstadt mit 130.000 Einwohnern im Ruhrgebiet.

Für ein konkretes Agenda-Projekt in der Alten Feuerwache von Recklinghausen haben wir vom Vereinsvorstand außerdem noch ein eigenes Leitbild für ethische Dienstleistungen und deren Qualitätsmerkmale entwickelt.

Besonders intensiv war ich in den letzten Monaten mit der Erarbeitung eines weiteren Leitbildes befasst:

  • In der Kreisverwaltung Recklinghausen, in der ich als Personalratsvorsitzender tätig bin, haben wir gerade sowohl ein internes Leitbild für das Verwaltungshandeln der 1400 Beschäftigten erarbeitet,
  • zusätzlich eine eigenes Leitbild für die Personalvertretung,
  • aber vor allem auch ein politisches Leitbild für die Region des Kreises – also für die Entwicklung eines Lebensraumes für 650.000 Menschen. (Diese machen den Kreis Recklinghausen zum größten Kreis der Bundesrepublik, an 5. Stelle der Gebietskörperschaften nach Berlin, Hamburg, München und Köln).

An dem Leitbild des Kreises waren viele beteiligt im Rahmen von so genannten Zukunftswerkstätten:

  • alle Führungskräfte der Kreisverwaltung
  • viele Mitarbeiter auf freiwilliger Basis
  • Kreistagspolitiker aller Fraktionen
  • aber auch die Bürgerinnen und Bürger im Rahmen von Befragungen auf den Marktplätzen in allen 10 Städten,
  • außerdem die Unternehmen in der Region durch eine spezielle Unternehmensbefragung.
  • Die kreisangehörigen Städte bekamen den Leitbildentwurf dann noch einmal zur kritischen Durchsicht und Ergänzung
  • Und die einzelnen Ämter und Abteilungen haben den Auftrag, Unter-Leitbilder abzuleiten für ihren jeweiligen Fachbereich.

Damit war gewährleistet, dass alle Akteure in der Region in den Erarbeitungsprozess inhaltlich einbezogen wurden, sich einbringen konnten und sich im Leitbild mit ihren Vorstellungen wiederfinden – und sich somit damit identifizieren können, denn das ist das Wichtigste.

Von oben vorgegebene, in kleinen Zirkeln ausgedachte Leitbilder kann man vergessen und gleich abheften oder in den Papierkorb geben.

Vor allem wenn es sich um die austauschbaren oder voneinander abgeschriebenen Allerwelts-Leitbilder handelt, die man auf jede Firma oder Organisation allgemeingültig übertragen könnte.

Leitbilder müssen individuell sein, auf die jeweilige Gemeinschaft zugeschnitten, also maßgeschneidert und nicht von der Stange.

  • Leitbildprozesse können aber auch in noch viel größeren Einheiten stattfinden als in überschaubaren Unternehmen oder Verwaltungen. - Das hat die Gewerkschaft ÖTV bewiesen:
  • Vor ihrer Fusion zur großen Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat es in der Organisation mit einer Million Mitgliedern eine breit angelegte Leitbilddiskussion in der Mitgliederschaft gegeben, in dezentralen Gruppen und in Workshops mit Vernetzungen. Auch in diesen Leitbildprozess hatte ich mich selber mit eingebracht.
  • Leitbilddiskussionen und -prozesse können aber auf noch größerer Ebene angestoßen werden, z.B. für Europa mit seinen 27 Mitgliedsstaaten und 500 Millionen Menschen.
  • Es fehlt nämlich erkennbar ein Leitbild für Europa. Wohin soll sich Europa eigentlich entwickeln? Was will Europa für die Zukunft?
  • Wie wollen die vielen unterschiedlichen Staaten und Menschen in dem großen Gebilde zusammenarbeiten?

Wer die Europa-Politik und den letzten EU-Gipfel unter deutscher Ratspräsidentschaft verfolgt hat, der hat bemerkt, wie orientierungslos die europäischen Staatschefs in die Europa-Zukunft tapsen, - nachdem viele EU-Bürger deren umstrittenen Verfassungsentwurf von oben ebenso ablehnen wie die zentralistische Brüsseler Bürokratie.

Man ist sich nicht einmal grundsätzlich im Klaren, ob das erweiterte Europa ein Staatenbund, ein Bundesstaat oder Superstaat, ein föderalistisches Gebilde oder nur eine wirtschaftliche Freihandelszone sein soll.

Es wird im Frühjahr 2008 in einem Schweizer Verlag ein Buch von mir erscheinen für die zivilgesellschaftlichen Initiativen, mit Denkanstößen für eine europäische Leitbilddiskussion – so lautet der Untertitel.

Der Haupttitel lautet: „Ist Europa noch zu retten? - Ein anderes Europa ist wahrhaft möglich!“

Das war jetzt der kurze Werbebock in eigener Sache – jetzt kommen wir zu den eingangs genannten Leifragen:

  • Wozu Leitbilder, was ist deren Zweck, Anliegen und Inhalt? Was ist deren Nutzen?

Feststellung: In unserer modernen Gesellschaft, wo sich die Einzelnen immer mehr individualisieren, erweist sich eine soziale, gemeinschaftliche Zusammenarbeit als immer schwieriger.

Jeder hat andere Motive, Interessen und Vorstellungen, die nicht immer mit denen der anderen zusammenpassen.

Das war früher zumeist anders, als noch mehr in

  • kirchlichen,
  • familiären,
  • berufsständischen oder
  • vereinsmäßigen Zusammenhängen

alle mehr oder weniger die

  • gleichen Wertvorstellungen

und einheitliche oder ähnliche Interessen und Lebensentwürfe hatten.

Die Menschen folgten mehr geschlossenen Weltbildern oder den Intentionen gewachsener Gruppen.

Wer heutzutage in Vereinen, Bürgerinitiativen oder Gremien engagiert ist, der weiß dagegen ein Lied davon zu singen, wie schwierig sich die gemeinsame Zusammenarbeit oft gestaltet – und welche Konflikte die eigentliche Arbeit behindern, trotz gemeinsamer Satzungen und Programme.

(Es gibt ein schönes Büchlein über die 12 Drachen, die das Gemeinschaftsleben zerstören, vom Vielredner über den Wichtigtuer, vom Quertreiber zum Integrator, den selbsternannten Führer und den Außenseiter usw.)

Deshalb ist es sehr hilfreich, vorher die Spielregeln des gemeinsamen Zusammenarbeitens festzulegen und die Zielrichtung des gemeinsamen Handeln – sonst wird man sich immer und immer wieder an diesen Fragen und Konflikten festbeißen, bis hin zum Scheitern.

Wo also Menschen gemeinschaftlich an Gegenwarts- oder Zukunftsaufgaben arbeiten wollen, ob ehrenamtlich oder beruflich, tritt zunehmend das Bedürfnis und Erfordernis auf, sich an zusammen entwickelten Leitmotiven oder Leitbildern zu orientieren.

  • Leitbilder haben in erster Linie eine Orientierungsfunktion

Vereinfacht gesagt, geht es um die Frage:

  • Wer wir sind und was wir wollen?

Eigentlich eine zentrale Frage des Bewußtseins, die sich schließlich auch jeder Einzelne in seinem Lebenslauf irgendwann mal stellt, wenn er vielleicht nach einer Sinnkrise den roten Faden in seiner Biografie sucht.

Umso mehr in einer bunt zusammengewürfelten Gemeinschaft, egal, ob sie sich freiwillig zuammengeschlossen hat oder mehr zwangsläufig (am Arbeitsplatz oder am Wohnort)

Es tauchen über kurz oder lang die Fragen auf:

  • Was sind die Ziele unseres gemeinsamen Strebens und Handelns?
  • Was sind unsere Zukunftsvorstellungen?
  • Warum haben wir uns zusammengeschlossen?
  • Wie wollen wir miteinander umgehen und gemeinsam arbeiten?
  • Leitbildarbeit ist also Ausdruck der Gemeinschaftsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit – denn es kommt dabei eigentlich auf den gemeinsamen Bewußtseinsprozess an, weniger auf das Ergebnis am Schluss auf dem Papier.
  • (Leitbilder unterliegen ohnehin einem ständigen dynamischen Wandel und sind niemals abschließend oder starr definiert, auch nicht zu umfassend und kleinteilig, dann liest sie eh keiner).
  • Leitbilder haben also neben der Orientierungsfunktion auch eine Integrationsfunktion – nämlich für das WIR-Gefühl!
  • (In den Unternehmen nennt man das Neudeutsch Corporaty Identity – also die gemeinsame Identifikation über die Vereins- oder Unternehmenskultur und den Kommunikationsstil).
  • Auch die Umgangskultur in einer Bürgerorientierten Stadt kann Inhalt eines kommunalen Leitbildes sein. (Denn die demokratische Kultur oder auch die Unternehmenskultur ändert sich nicht von allein.)
  • Daneben können Leitbilder auch Entscheidungs- und Koordinierungsfunktion haben, z.B. Regeln für Mitarbeiter oder Mitglieder, Führungskräfte, Konfliktlösungen, Entscheidungswege, Öffentlichkeitsarbeit – aber auch Verhaltensmaßregeln gegenüber Kunden, Mitgliedern, Bürgern usw.)

Ich fasse noch einmal ein paar wesentliche Leitbildfragen zusammen, um dann der Frage nachzugehen, was passiert anschließend mit den schönen Formulierungen der visionären Leitbilder?

Ein Leitbild fragt z. B. danach:

  • Wer sind wir?
  • Für welche Ideen und Werte stehen wir?
  • Für wen arbeiten wir? An wen wenden wir uns?
  • Wie sehen wir unser Verhältnis zur politischen Vertretung oder zu Parteien, Gesellschaften und Organisationen - oder zu Dienstleistern mit gleichem Angbot?
  • Wen wünschen wir uns als Partner?
  • Wie arbeiten wir?
  • Wie führen wir und lassen wir uns führen?
  • Wie gehen wir miteinander um?
  • Wie sehen wir unsere jetzigen und zukünftigen Mitstreiterinnen und Mitstreiter?
  • Wie stellen wir uns auf eine ungewisse Zukunft ein?
  • Woran messen wir unseren Erfolg?

Die Wirksamkeit von Leitbildern lässt sich nicht von vornherein einschätzen.

Sie hängt von der Prozessqualität ebenso ab wie von der Verantwortlichkeit der Beteiligten.

  • Am Ende des Leitbildprozesses hat man das grobe Bild einer angestrebten Zukunft.

Daraus werden dann die Ziele und Maßnahmen abgeleitet für das gemeinsame Handeln, auf diese Zukunftsziele hin ausgerichtet.

  • Leitbild-Erstellungen bedürfen in der Regel einer fachkundigen Begleitung durch externe Moderation und geschulte Moderatoren.
  • Besonders geeignet für die Leitbilderarbeitung (auch mit vielen Beteiligen) sind die erwähnten Zukunftswerkstätten.

Zukunftswerkstätten sind eine dreistufige Methode, die sich sehr gut für die gemeinsame Leitbild-Erarbeitung eignet, sowohl in kleineren wie in sehr großen Teilnehmerrunden..

Die Methode und der Ablauf seien hier nur grob erläutert:

  • In der ersten Phase, der Kritikphase, nehmen die Teilnehmer den Ist-Zustand mit seinen Mängeln und Schwächen in den Blick und üben Kritik.
  • In der zweiten Phase, der Phantasiephase, wird ein ideales Bild von der Zukunft gezeichnet, ohne Denkverbote und Tabus und ohne Gegenkritik – der Kreativität und den Ideen sind dabei keine Grenzen gesetzt, sie dürfen auch etwas illusionär und unrealistisch sein.
  • In der dritten Phase, der Realisierungsphase, wird auf Grundlage der kreativen Ideensammlung versucht, wieder auf den Boden der Tatsachen herunterzukommen - also das herausgefiltert und ausgewählt, was realistisch und praxistauglich ist und was leistbar ist. Hierzu können auch Schwerpunkte und Prioritäten gesetzt werden usw.

In den Arbeitsphasen selber ist es methodisch wichtig:

  • dass sämtliche Kritiken, Ideen und Vorschläge der einzelnen Personen oder Gruppen oder des gesamten Plenums von allen anderen Teilnehmern wahrgenommen werden,
  • dass sie zunächst unvoreingenommen toleriert und akzeptiert werden.
  • und dass der Faden des anderen gedanklich aufgenommen und weitergesponnen wird,
  • so dass im Verlaufe der Zukunftswerkstatt jeder mit jedem in gedankliche Verbindung getreten ist und am Gesamtinhalt und -ergebnis beteiligt war, so dass ein wirklicher gemeinschaftlicher Bewusstseinsprozess stattfindet.

Wie das im Einzelnen organisiert und durchgeführt wird, kann jetzt hier nicht im Detail dargestellt werden – aber ich versichere Ihnen: es funktioniert auch in großem Rahmen mit vielen beteiligten Menschen - es ist erfolgreich erprobt!

  • Ich habe einige Beispiele für Leitbilder dabei und kann den einen oder anderen Auszug auf Wunsch gerne zitieren.
  • Nehmen wir das interne Verwaltungsleitbild für die Kreisverwaltung Recklinghausen, da heißt es beispielsweise in den Überschriften:
  • Wir erbringen qualitativ hochwertige Dienstleistungen für die Gemeinschaft,
  • Wir informieren die Öffentlichkeit umfassend und zeitnah,
  • Wir praktizieren Bürgernähe,
  • Wir verhalten uns partnerschaftlich,
  • Wir handeln wirtschaftlich und umweltfreundlich,
  • Wir führen kooperativ.

Im Einzelnen ist das dann näher ausgeführt und konkretisiert.

Oder nehmen wir einen Einzelpunkt aus dem erwähnten Leitbild für die alte Recklinghäuser Feuerwache mit der Folgenutzung als ethisches Dienstleitungszentrum:

Da heißt es u.a. :

  • Jede Kundin und jeder Kunde bzw. jede Patientin und jeder Patient, wird von den Dienstleistern als eine individuelle Persönlichkeit mit eigener Biografie, eigenen Fähigkeiten und Bedürfnissen angesehen und demgemäß individuell behandelt.
  • Sämtliche Dienstleitungen orientieren sich am Prinzip der ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit, am Prinzip des gemeinsamen Nutzens und gegenseitigen Interessensausgleichs.

Oder im kommunalen Leitbild der lokalen Agenda 21 für die Stadt Recklinghausen wird den Fragen nachgegangen:

  • Wir wollen wir arbeiten und wirtschaften?
  • Wie wollen wir lernen?
  • Wie wollen wir in der Stadt zusammenleben?
  • Wie wollen wir gut und sinnvoll leben?
  • Wie wollen wir unterwegs sein und uns fortbewegen?
  • Wie wollen wir wohnen?
  • Wir wollen wir Kultur erleben und gestalten?
  • Wie wollen wir Natur hegen und beleben?
  • Wie wollen wir verantwortungsbewußt mitbestimmen?

Dazu gibt es dann jeweils konkrete Aussagen.

Zum Abschluss aber noch einige wichtige Hinweise zur Abgrenzung der Leitbilddiskussionen von bloßen Programmdiskussionen oder gemeinsamer Werte-Suche – und zur Vermeidung von Frust und Fehlentwicklungen bei Leitbildprozessen:

  • Leitbilder sind keine Programme, denn Programme sind schon in dem Moment überholt, wo sie auf dem Papier formuliert sind.
  • Programme sind statisch und enthalten meist Ideologien, Weltanschauungen und Wertvorstellungen, die längst im Wandel sind. „Aus den Erkenntnissen von gestern werden die Ideen von heute abgeleitet, die morgen schon wieder von gestern oder vorgestern sind.“
  • Programme mögen zwar die gewünschte Zukunft zu beschreiben versuchen, sie sind aber immer Vergangenheits- und Gegenwartsorientiert, nicht wirklich zukunftstauglich. Die Parteiprogramme belegen das .

Ähnlich verhält es sich bei den in Mode gekommenen Werte-Diskussionen mit dem aussichtslosen Versuch, Gruppen oder Gemeinschaften auf gemeinschaftliche Werte festzulegen.

Eingangs erwähnte ich die zunehmende Individualisierung der Menschen, die es heutzutage nicht mehr zulässt, einheitliche Werte von Oben vorzugeben oder nach dem Mehrheitsprinzip aus Gruppen vorzugeben.

Heutzutage muss jeder einzelne Mensch seine Werte und seine Gemeinschaftsfähigkeit individuell erringen; niemand kann ihm das abnehmen!

Ein Zurück zur Geborgenheit in die alten Gemeinschaftswerte wird es nicht mehr geben – Moral und Ethik muss heutzutage selber entwickelt und hervorgebracht werden. Das ist die große Herausforderung für den modernen Menschen.

Genau dafür ist die bewusstseinsbildende Leitbildarbeitarbeit ganz hilfreich und wertvoll, damit der Einzelne sich weiter entwickeln kann und mit ihm die Gemeinschaft.!

Allerdings darf man keine überhöhen Erwartungen an die Leitbilder stellen!

Denn es gibt 5 krisenhafte Phasen der Frustration bei der Leitbildarbeit, - mit dem häufigen Ergebnis, dass die Leitbilder auf geduldigem Papier stehen, aber nicht gelebt und nicht umgesetzt werden:

  1. Die Begeisterungsphase
    Die Leute hören die wohlklingenden Grundsätze, finden sie gut und projizieren ihre unerfüllten Hoffnungen und Wünsche hinein.
  2. Die Erwartungshaltung
    Die Leute warten darauf, dass irgendjemand oder die Führungsmannschaft ihre Erwartungen erfüllt
  3. Die Ernüchterung:
    Je länger die Leute warten, desto mehr schlägt die Hoffnung und Vorfreude in Enttäuschung um
  4. Die Verbitterung:
    Wenn die Diskrepanzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit zur Sprache kommen, erklären die Oberen, dass die Leute zuviel in die Leitsätze hineininterpretiert hätten. Dann fühlen sich die Leute nicht ernst genommen und ziehen sich zurück.
  5. Der Zynismus und Frust:
    Nach einigen solchen Erfahrungen hat das Leitbild jede Leitwirkung verloren und taugt nur noch für Frust und sarkastische Sprüche hinter vorgehaltener Hand.

Dann haben wir ein Leitbild mit „d“, ein Leidbild.

  • Also muss ein Leitbild präzisiert werden, es müssen konkrete Ziele und Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt werden und es muss ein Controlling erfolgen.
  • Leitbilddiskussionen erfordern also Konflikfähigkeit und -bereitschaft, denn es handelt sich um freiwillige Veränderungsprozesse durch entwicklungsfähige und lernwillige Menschen.
  • Die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen und die eigenen, verfestigten Welt- und Menschenbilder zu hinterfragen, führt zu einer verbesserten Handlungsfähigkeit.
  • Die Gedanken, Gefühle, Bedürfnisse und Vorstellungen auch der anderen beteiligten und gleichberechtigten Menschen werden ernst genommen als Basis für eine soziale Zusammenarbeit, abseits von Hierarchien.
  • Die ehrliche Erforschung der eigenen Motive und Anliegen im Leitbildprozess gibt Anstöße auch für eigene Veränderungen der einzelnen Personen. Leitbilder sind somit entwicklungsfördernd.

Schlussfazit:

Leitbilddiskussionen sind der notwendige Anfang oder Neubeginn des sozialen Übens und Umgangs miteinander – und das Leitbild selber ist ein späterer Maßstab für das erfolgreiche Zusammenwirken im Dienst an der Gemeinschaft.