Wilhelm Neurohr

Auf einer öffentlichen Veranstaltung zum TTIP-Abkommen im Stuttgarter Forum3 am 19. März sowie auf anderen Veranstaltungen in verschiedenen Städten hatte Wilhelm Neurohr in einem Kurzvortrag einige mögliche Auswirkungen von TTIP und TISA auf die Kommunen und die örtliche Daseinsvorsorge sowie die kommunale Selbstverwaltung und lokale Demokratie aufgezeigt In einer ergänzten und vervollständigten schriftlichen Zusammenfassung sollen hier die zu erwartenden Auswirkungen und Einschnitte noch einmal verdeutlicht werden, die nach Auffassung des Verfassers teilweise gegen das Grundgesetz und die Kommunalverfassung verstoßen, aber auch gegen europäische Verträge und die gültige Grundrechte- und Sozialcharta der EU. Die kommunalen Spitzenverbände (Städtetag. Landkreistag und Städte- und Gemeindebund sowie die Verbände der öffentlichen Dienstleister) sind bei alledem außen vor, ebenso der EU-Regionalausschuss, während die Lobbyisten und Konzernvertreter einbezogen sind.

Hunderttausende Kommunen mit ihren Dienstleistungen und öffentlichen Unternehmen wecken kommerzielle Begehrlichkeiten

Was macht unsere (verarmten) Städte so begehrlich für die internationalen Dienstleistungskonzerne? Hunderttausende Städte und Gemeinden in ganz Europa und fast 13.000 Städte, Kreise und Gemeinden in Deutschland bieten sich mit ihren vielen Dienstleistungen und kommunalen Unternehmen für einen „kommerziellen Beutezug“ geradezu an. (Die amerikanischen Städte und Countys haben bereits fast alle Dienstleistungen bis auf die Wasserversorgung kommerzialisiert). Denn der EU-Binnenmarkt ist bereits zu 60 bis 70% ein Dienstleistungsmarkt. Allein die Kommunen in Deutschland vergeben jährlich Aufträge im Wert von 200 Mrd. €, Bund und Länder für weitere 200 Mrd. €. Die privaten Dienstleistungskonzerne betrachten die insgesamt 14.000 kommunalen Unternehmen mit 300 Mrd. € Umsatz und jährlich 10 Mrd. € Gewinn in Deutschland (sowie Hunderttausende öffentliche Unternehmen in ganz Europa) als auszuschaltende Konkurrenz. Europaweit beläuft sich das öffentliche Beschaffungswesen auf 2,7 Bio. Euro. Deshalb ist das öffentliche und kommunale Vergabe- und Beschaffungswesen Bestandteil des geplanten TTIP-Abkommens.

An den internationalen Finanzmärkten spekuliert man durch Privatisierung des Wassermarktes auf 1 Bio. Dollar Profite, des Gesundheitswesens auf 3,5 Bio. € und auf dem „Bildungsmarkt“ auf 2,5 Bio. Dollar – das sind die drei größten Wachstumsmärkte. Auch Bertelsmann als Europas größter Medienkonzern und einflussreichster TTIP-Lobbyist – der schon vorbereitend über seine Stiftung sämtliche Kommunen in Deutschland auf das New-Public-Management eingeschworen hat – kündigte im Februar dieses Jahres an, z. B. mit dem internationalen Bildungshandel 20 Mrd. € an Gewinnen anzustreben. Der verstorbene Bertelsmann-Patriarch Reinhard Mohn hatte zuletzt in einem Interview[1] die Finanzprobleme der kommunalen Haushalte als einen „Segen“ bezeichnet, weil nunmehr der Privatisierung kommunaler Dienste und Einrichtungen nichts mehr im Wege stehe. (Bekanntlich hatte die Bertelsmann-Tochter Arvato sogar versucht, ganze Kommunalverwaltungen z. B. in Yorkshire/England und in Würzburg/Bayern mitsamt den hoheitlichen Aufgaben komplett zu übernehmen, ist aber vorläufig damit gescheitert).

Mit der Gründung der ÖPP-Deutschland AG[2] unter Beteiligung privater Firmen hatte der damalige Bundesfinanzminister Steinmeier versucht, die Finanzierung öffentlicher und kommunaler Infrastruktur statt aus Steuern aus kommerziellen Geldquellen zugunsten von PPP-Modellen[3] umzusteuern – wie es auch zur Bedingung und Voraussetzung für EU-Fördermittel an die Kommunen werden sollte. Für die überschuldeten (teilweise eigentlich insolventen) Städte und Gemeinden, die ihre Gehaltszahlungen an die Rathaus-Bediensteten oft über Dispo-Kredite (Kassenkredite) abwickeln, gehören als Gläubiger faktisch den Banken. In dieser prekären Situation erhoffen sich die Betreiber des TTIP- und TISA-Abkommens für den Handel mit Dienstleistungen gerade auf kommunaler Ebene ein „leichtes Spiel“ .

Bei TTIP und TISA geht es um den Handel mit Dienstleistungen und noch viel mehr

In dem geplanten Freihandelsabkommen (für die größte und dominante Freihandelszone der Welt) geht es nicht nur um Warenhandel, sondern – wie im letzten Rundbrief ausführlich dargestellt - vor allem auch um Handel mit Dienstleistungen und um Teilhabe an der öffentlichen Auftragsvergabe. Ferner umfasst es den Handel mit Finanzprodukten, es geht um Patente und Urheberrechte, um die Nutzung von Land und Rohstoffen, aber auch um das Bildungs- und Gesundheitswesen, um kulturelle Dienstleistungen etc. Angestrebt wird die Veränderung von Sozialstandards, von Verbraucher- und Umweltstandards, die Marktöffnung für Abfallentsorgung, Energie und Transportwesen, Wasser- und Abwasserwirtshaft sowie Verkehr und öffentlichen Nahverkehr.

Es geht auch um Regelungen des Tarif- und Arbeitsrechtes, um Subventionsabbau, um Beschleunigung von Antrags- und Planverfahren (mit eingeschränkter Bürgerbeteiligung) u. a. m. Damit sind fast alle Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge und der kommunalen Selbstverwaltung und Planungshoheit massiv betroffen, obwohl von der EU-Handelskommission bestritten. Dabei heißt es in einer offiziellen EU-Broschüre: Lediglich „bestimmte grundlegende Dienstleistungen auf lokaler Ebene werden durch TTIP nicht angetastet.“ Es gehe doch bei den Marktöffnungen nur darum, marktrelevante Bereiche für ausländische Anbieter genauso wie für Inländer zu öffnen und handelshemmende Barrieren zu beseitigen…

Parallel finden übrigens noch Verhandlungen für ein Nachfolgeabkommen für das GATS-Abkommen der WTO (für den Handel mit Dienstleistungen) unter dem Kürzel TISA statt – siehe Beitrag in diesem Rundbrief an anderer Stelle - ,um die bisher in Länderlisten festgelegten Ausnahmen für bestimmte öffentliche Dienstleistungen endlich zu kippen und die bisherigen „Positivlisten“ mit Tabubereichen durch „Negativlisten“ abzulösen, wonach künftig alles zu liberalisieren ist, was nicht in Ausnahmen ausdrücklich erwähnt ist. Zudem sollen mit TISA Rekommunalisierungen nach gescheiterten Privatisierungen öffentlicher Dienstleistungen verhindert werden. Mit TISA sollen alle „Wettbewerbshindernisse“ im Dienstleistungshandel ausgeräumt werden und sämtliche Dienstleistungen für den globalen Wettbewerb geöffnet und liberalisiert werden.

Lokale und regionale Besonderheiten sollen eliminiert und kommunale Monopole, Privilegien und Zuständigkeiten „geschliffen“ werden. Es geht um eine völlige Gleichschaltung privater mit kommunalen oder öffentlichen Dienstleistungsanbietern und damit um Gleichstellung privater mit öffentlichen Interessen. Einmal erreichter Privatisierungsumfang soll über eine „Standstil-Klausel“ nicht mehr zurückgefahren werden dürfen und künftige Liberalisierungen werden zu nicht revidierbaren automatischen Verpflichtungen (Ratchet-Klausel). Die Revision einmal vorgenommener Liberalisierungen wäre ein Vertragsverstoß. Die Vertragsinhalte und Verhandlungspositionen sollen nach dem Willen der USA erst 5 Jahre nach deren Inkrafttreten der Öffentlichkeit zugänglich sein. Das EU-Parlament hat am 4. Juli 2013 der EU-Kommission nahezu einmütig für TISA das Verhandlungsmandat erteilt, obwohl anschließend kein Parlament in die Ratifizierung eingebunden wird. Unter Federführung der USA wird für 23 Staaten weltweit plus EU mit 28 Staaten streng geheim in der australischen Botschaft in Genf (außerhalb der Regeln der WTO) verhandelt.

Damit werden die Städte und Gemeinden durch zwei problematische Abkommen gleichzeitig „in die Zange genommen“. Diese bedenklichen Pläne haben neben der Zivilgesellschaft den deutschen Städtetag, den Verband kommunaler Unternehmen, den Deutschen Kulturrat und den WDR-Rundfunkrat, die Gewerkschaft ver.di und den DGB sowie viele andere Institutionen und Initiativen auf den Plan gerufen. Doch die kommunalen Spitzenverbände sind bei den nichtöffentlichen EU-Verhandlungen ebenso außen vor wie die Bürgerinnen und Bürger. Dennoch will die große Koalition in Berlin das Abkommen zügig abgeschlossen sehen, bevor die Kritiker dagegen halten.

Während das GATS-Abkommen[4] der WTO über den Handel mit Dienstleistungen den Ländern noch Ausnahmen für öffentliche Dienstleistungsbereiche über Länderlisten erlaubte, sollen diese nun mittels TTIP und TISA liberalisiert oder abgeschafft werden, wie schon mehrmals durch die EU-Kommission vergeblich versucht. Die EU-Kommission verspricht aber bei den TTIP-Verhandlungen den Ausschluss von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ und will „Dienstleistungen in hoheitlicher Gewalt“ ausnehmen. Sie schreibt zudem in einer Presseerklärung vom November 2013: „Weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft ist an einer Einschränkung oder Privatisierung kommunaler Daseinsvorsorge gedacht“ (obwohl sie zeitgleich mit der Konzessionsrichtlinie die Wasserprivatisierung nicht ausschließen wollte).

EU-Kommission hat keinerlei Rechtszuständigkeiten für Eingriffe in kommunale und regionale Zuständigkeiten

Eigentlich hat laut Lissabon-Vertrag die EU keinerlei Zuständigkeiten für die Belange der Kommunen und Regionen und kann folglich auch nicht für diese verhandeln, weil sämtliche lokalen und allgemeinen Dienstleistungen in der garantierten Selbstverwaltung der Städte, Kreise und Regionen liegt, einschließlich Definitionshoheit und Entscheidungskompetenz für kommunale Dienstleistungen. Im Februar 2010 hatte eine „Intergroup öffentliche Dienste“ aus EU-Parlament und –Kommission den ewigen Streitpunkt und Dauerkonflikt um die “Binnenmarktrelevanz“ kommunaler Dienstleitungen ein für allemal bereinigt. Die EU darf das Recht der Kommunen und Regionen auf Selbstverwaltung und das Subsidiaritätsprinzip nicht mehr antasten, wie auch vom EuGH zur Revision des europäischen Primärrechtes festgestellt.

Der Deutsche Städtetag wehrt sich deshalb auch gegen direkte und indirekte Auswirkungen auf die kommunale Organisationshoheit, auch dann, wenn Aufgaben und Organisationsformen der öffentlichen Verwaltung nicht explizit genannt werden. Die EU-Kommission pocht dessen ungeachtet auf Einschränkung der Marktregulierungsrechte der Kommunen, wenn sie ihr „angemessen und legitim“ erscheinen. Und seitdem das EU-Parlament im Mai 2013 in seiner Entschließung (Verhandlungsmandat) zu TTIP betont hat, dass TTIP für alle Verwaltungsebenen gelten soll (also auch für die Kommunen als untere Ebene), fühlt sich die EU-Kommission bestärkt, weiterhin in die kommunalen Rechte unrechtmäßig einzugreifen und versucht sogar, die Nationalparlamente aus der Ratifizierung des TTIP-Abkommens (über die Einschaltung des EuGH) herauszuhalten.

EU und Bundesregierung verkaufen verfassungswidrig unsere Städte

Obwohl die EU also laut Lissabon-Vertrag und gemäß Subsidiaritätsprinzip in die kommunale und regionalen Selbstverwaltungsrechte nicht eingreifen darf und damit ihre Zuständigkeit überschreitet, duldet unsere Bundesregierung den verfassungswidrigen Eingriff zur Entrechtung unserer Städte durch das TTIP-Abkommen. (Sie entmachtet sich sogar selber, indem sie den Konzernen vor internationalen Schiedsgerichten mit 3 Wirtschaftsanwälten erlaubt, die Staaten und Kommunen auf Entschädigung bei entgangenen Gewinnerwartungen zu verklagen, wenn z. B. der Bundestag oder Stadtrat handelshemmende Umwelt- und Verbraucherschutzauflagen oder soziale Regeln wie Mindestlöhne gesetzlich beschließt . Vor jeder Gesetzesinitiative soll obendrein ein Konzerngremium (regulatorischer Kooperationsrat) ein vorheriges Überprüfungs- und Vetorecht bezüglich handelshemmender Regelungen erhalten. Das Primat der Politik wird zum Primat der Wirtschaft – ein Staatsstreich von oben?). Die Folgen insbesondere auch für unsere Städte sind erheblich, in deren Rechte nur durch Gesetze, nicht aber durch bilaterale Abkommen eingegriffen werden darf.

Eigentlich ist in den Kommunalverfassungen bzw. Gemeindeordnungen der Bundesländer klar geregelt, dass die Kommunen - als die Grundlage des demokratischen (Sozial-) Staatsaufbaus – „das Wohl der Einwohner in freier Selbstverwaltung durch ihre von der Bürgerschaft gewählten Organe“ fördern. Deshalb sind sie in ihrem Gebiet „ausschließliche und eigenverantwortliche Träger der öffentlichen Verwaltung“. Die Gemeinden schaffen die „für ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Betreuung ihrer Einwohner erforderlichen öffentlichen Einrichtungen“ – also nicht etwa die transnationalen Konzerne. „Eingriffe in die Rechte der Gemeinden sind nur durch Gesetze zulässig“ – also nicht durch bilaterale Handelsabkommen. Andernfalls läge hier ein deutlicher Verstoß gegen das Grundgesetz vor, dessen Artikel 28 (2) das Recht der Gemeinden garantiert, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung und Zuständigkeit zu regeln. Doch genau diese Gestaltungshoheit ist rundum in Gefahr! (Schon jetzt führen die Städte zu 80% nur noch Gesetzesvorgaben der EU aus, die zu nationalem Recht wurden oder hängen direkt und indirekt an den Fördertöpfen der EU).

Was kommt auf die entrechteten Städte und ihre Bürgerinnen und Bürger durch TTIP und TISA konkret zu?

Für die durch TTIP und TISA demnächst entrechteten Städte stellen sich in Zukunft beispielsweise folgende Fragen:

  • Müssen die Städte bei öffentlichen Ausschreibungen künftig nicht nur europaweit, sondern auch in den USA oder weltweit ausschreiben? Dürfen sie überhaupt noch entscheiden, ob sie eine Aufgabe selber erledigen oder sind sie generell gezwungen, sich stets der privaten Konkurrenz zu stellen? Müssen sich kommunale Unternehmen bei verschärfter Ausschreibungspflicht stets dem Wettbewerb stellen? Ist die übliche „Inhouse-Vergabe“ im Rahmen interkommunaler Zusammenarbeit noch erlaubt? Dürfen die Städte bei der Ausschreibung künftig noch die üblichen Auflagen machen wie z.B. tarifliche Bezahlung oder Mindestlöhne, Einhaltung von Umweltstandard, von Qualitäts- und Sicherheitsstandards mit Vorlegen von Umwelt- und Gütesiegeln, fair gehandelte Produkte (ohne Kinderarbeit), nachhaltige Bauweisen usw.?
  • Dürfen die Städte im Rahmen von städtischen Klimaschutzprojekten, als „Fair-Traide-Stadt“ oder im Rahmen der Wirtschaftsförderung örtliche und regionale Unternehmen, Produzenten oder Händler bevorzugen, zur Strukturförderung oder aus Umweltgründen (um lange Transportwege zu vermeiden)? Dürfen die Städte (zusammen mit dem Jobcenter) noch örtliche Arbeitsmarktprogramme etwa im öffentlichen Beschäftigungssektor uneingeschränkt auflegen? Wird die kommunale Planungshoheit eingeschränkt z.B. bei Umweltauflagen in Raumordnungs-, Flächennutzungs- oder Bebauungsplänen oder beim Verbot der Ansiedlung von Kaufmärkten auf grüner Wiese (zugunsten gewachsene Einzelhandelsstrukturen in der Innenstadt?)
  • Ist die Gründung oder Betätigung eigener Stadtwerke (Rekommunalisierung) mit Monopolen noch zulässig oder müssen geschlossene Versorgungs- und Konzessionsgebiete aufgehoben und Leitungsnetze für den Zugang Dritter geöffnet werden? Unterliegen die Städte dann dem vollständigen Preiswettbewerb und erleiden sie Einnahmeverluste bei den Konzessionsabgaben? Ist der übliche Anschluss- und Benutzungszwang (z. B. an Fernwärmenetze) gefährdet? Droht die Privatisierung der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung? Ist die Müll- oder Abfallentsorgung komplett für kommerzielle Anbieter zu öffnen und dürfen noch eigene Abfallwirtschaftkonzepte entwickelt werden?
  • Gibt es weitere Konkurrenz beim ÖPNV und Subventionsverbote (z. B. Sozialticket)? Gibt es im Straßenbau den Zwang zu PPP-Modellen (siehe Ausbau der A 7)? Wird der Sonderstatus der öffentlich-rechtlichen (kommunalen) Sparkassen gegenüber den Privatbanken erneut angegriffen, wenn die Finanzregelungen in TTIP einbezogen werden? Droht die Aufhebung von Frackingverboten (bisher durch Land und Bund geregelt) und damit Beeinträchtigung örtlicher Wasserschutzgebiete? Droht eine Veränderung der kleinbäuerlichen Strukturen in ländlichen Gemeinden durch Eindringen von Genmais etc.? Müssen die städtischen Kontrolleure oder die Kreisverwaltung bei ihren Kontrollen zum Verbraucherschutz abgesenkte Schutzstandards hinnehmen? Was kommt auf die kommunalen Datenzentralen hinsichtlich Patenten, Urheberrechten und Datenschutz zu?
  • Wird die unverzichtbare Subventionierung von Bildungs- und Kultureinrichtungen (VHS, Musikschule, Stadtbücherei, Museen, Theater, Regional- und Lokalfunk etc.) untersagt und müssen sich auch diese Einrichtungen denn kommerziellen Anbietern im Wettbewerb stellen? Was ist mit den Sozialeinrichtungen (Heime, kommunale Krankenhäuser, Rettungs- und Pflegedienste, sozialer Wohnungsbau)? Was ist mit kommunalen Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen? Was ist dann mit den Qualitätsmaßstäben, mit der Bezahlbarkeit, mit den kommunal erworbenen Kompetenzen? Und was ist allgemein mit dem gemeinnützigen Non-Profit-Sektor in den Städten (der auch kommerzielle Begehrlichkeiten weckt)? Was ist dann noch mit bürgerschaftlichem Engagement und Ehrenamt sowie Gemeinwesen?

Was ist zu tun, damit die Stadt wieder uns gehört?

Da ohne freien (oder für jeden bezahlbaren) Zugang zu öffentlichen Diensten und Einrichtungen wie Bildung, Kultur, Soziales, Energie, Wasser usw. keine Einhaltung der Menschenrechte möglich ist, geht es hier um den Kampf um unser Menschenrechte und um unsere Demokratie und Selbstverwaltung. Denn das Freihandelsabkommen TTIP und das Parallelabkommen TISA sind Angriffe auf Demokratie und Menschenrechte, auf europäische Sozial- und Umweltstandards – und kein Instrument fairer Handelspartnerschaft. Es geht nicht zuletzt auch um den Kampf für unsere Städte – oder um das, was davon übriggeblieben ist. („Vom Konzern Stadt“ Zur Stadt der Konzerne“?)

Deshalb hat sich bereits in kürzester Zeit die größte denkbare Widerstandsbewegung gegen TTIP gebildet, mit Hunderten vernetzten Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften, Verbänden usw., die bereits Hunderttausende Unterschiften gesammelt, eine Petition eingereicht und eine europäische Bürgerinitiative (mit der Sammlung von 1 Mio. Unterschriften) gestartet sowie ein „alternatives Handelsmandat“ entwickelt haben. In fast allen Städten finden Aktionen und Informationsveranstaltungen statt.

Was jetzt noch folgen muss, sind Initiativen über alle Stadträte landauf, landab gemäß § 23 der Gemeindeordnung NRW oder §§ 20 (1) und 20a der GO Baden-Württemberg (und gleichlautender Paragraphen in den anderen Kommunalverfassungen der Bundesländer) , wie bereits in zahlreichen Städte eingeleitet: Denn die Gemeinden haben ihre Einwohner über alle bedeutenden Angelegenheiten zu unterrichten und über wichtige Vorhaben und deren Folgen und Auswirkungen, die das wirtschaftliche, kulturelle und soziale Wohl ihrer Einwohner nachteilig berühren. Bürgerversammlungen sind einzuberufen. Also: Ratsanfragen, Ratsresolutionen, Bürgerversammlungen, Marktplatzaktionen, Info-Veranstaltungen, Kandidatenbefragungen zur Kommunal- und Europawahl und vielleicht Schilder an den Ortseingängen und öffentlichen Einrichtungen: „TTIP-freie Zone“! Holen wir uns unsere Städte und unsere kommunale Selbstverwaltung zurück – notfalls auch per Verfassungsklage!


[1] http://www.bertelsmann-stiftung.de/bst/de/media/xcms_bst_dms_14722_14723_2.pdf

[2] https://www.google.de/#q=%C3%B6pp+deutschland+ag

[3] Öffentlich-Private-Partnerschaft (Public Private Partnership), siehe https://www.google.de/#q=ppp

[4] http://www.bmz.de/de/was_wir_machen/themen/wirtschaft/welthandel/welthandelssystem/GATS.html