Wilhelm Neurohr

Mittlerweile sind 5 Monate seit der Kreistagswahl vergangen, ohne dass sich die im Kreistag vertretenen Parteien auf eine (eigentlich nicht erforderliche) „Koalition“ geeinigt haben. Oder ist man der Meinung, man könne man sich getrost ein Jahr Zeit für das Schmieden von Machtbündnissen nehmen, da diesmal die Wahlperiode ausnahmsweise 6 Jahre dauert? Schlagzeilen haben die Parteistrategen seither nicht mit politischer Arbeit für die Menschen im Kreis gemacht, sondern fast ausschließlich mit ihrem abstoßenden Gerangel um lukrative Posten im Verwaltungsrat der Sparkasse oder um den Proporz im aufgeblähten „Ruhrparlament“. (Zwischenfrage: Wieso eigentlich wird der Verwaltungsrat nicht aus dem Kundenkreis der Sparkasse besetzt, sondern mit Parteipolitikern?)

Als Kreisbürger hat man den Eindruck, die Parteien und ihre hiesigen Repräsentanten be-schäftigen sich ausschließlich mit sich selber, obwohl es genug dringliche Themen und Aufgaben gäbe, die keinen Aufschub dulden: Die soziale Fehlentwicklung mit Kinderarmut, Altersarmut und insgesamt steigende Armutsquote im Kreis, Bildungsrückstand und Jugendarbeitslosigkeit, Überalterung etc. Zugleich Haushalts- und Finanzprobleme, marode Infrastruktur , Umweltschäden und Folgen der Klimawandels in der Region u. v. m. Das alles scheint nachrangig zu sein gegenüber den parteipolitischen Eigeninteressen unserer gewählten Volksvertreter im Kreistag.

Das Warnsignal der niedrigen kommunalen Wahlbeteiligung im Kreis von durchschnittlich 48% (sowie 26,4% bei der Landrats-Stichwahl) war wohl noch nicht deutlich genug? Wahr-scheinlich werden dieselben politischen Akteure ein weiteres Absinken auf 38% beim nächs-ten Mal bitter beklagen und scheinheilig nach den Ursachen fragen…Es wird höchste Zeit, dass sich die Zivilgesellschaft in Ausfüllung des in 65 Jahren bewährten Grundgesetzes nunmehr selber Gedanken macht zur zukunftsfähigen Weiterentwicklung unserer (direkt-) demokratischen Beteiligungskultur und Einmischung, da die überkommene Parteienstruktur aus dem 19. und 20. Jahrhundert unseren heutigen Anforderungen für die Gegenwart und Zukunft offensichtlich nicht mehr gewachsen zu sein scheint, wie das Beispiel unseres Krei-ses belegt.

Positiver Nebeneffekt: „Abzockerei“ wird sichtbar

Einen positiven Nebeneffekt hat allerdings das momentane politische Tauziehen um die luk-rativen Posten bei der öffentlich-rechtlichen Sparkasse in Gewährsträgerschaft des Kreises, einst als Geldinstitut für die „kleinen Leute“ aus der Taufe gehoben: Wir erfahren als Kunden der Sparkasse Vest einerseits, dass unsere Kreissparkasse im Landes- und bundesweiten Vergleich zu den intransparenten „Abzockern“ bei den überhöhten und weiter wuchernden Dispo-Kreditziehen und Überziehungskredit-Zinsen gehört (weshalb sie ihre hohen Zinssätze auf ihrer Homepage verheimlicht). Und andererseits, wofür anschließend diese Kunden-gelder als billige Einnahmequelle verwendet werden, nämlich für die völlig überhöhten Sitzungsgelder der Verwaltungsratsmitglieder (von insg. 174.000 jährlich) und für die unangemessen hohen Gehälter der Sparkassendirektoren (fast eine halbe Mio. € jährlich) sowie für die Premium-Sanierung der dominanten Sparkassen-Hauptstelle am Recklinghäuser Lohtor.

Früher verdienten die Sparkassen-Chefs nach dem Sparkassen-Tarif in Anlehnung an den öffentlichen Dienst analog A 15/A16 (also um die 70.000 € jährlich); heute wollen sie wir „richtige Banker“ außertariflich um das Zehnfache bezahlt werden. Wen verwundert es, dass sich auch die Kreispolitiker in den Sparkassengremien entsprechend hochwertig bedienen wollen in allgemeinen Zeiten der Geldgier? Alles das sind aber nur politische Randsymptome des Erscheinungsbildes und Versagens unserer parteipolitisch dominierten Kreis- und Kommunalpolitik im Vest.