Wilhelm Neurohr

Anlässlich der neuesten, aber „geschönten“ Arbeitsmarktstatistiken sieht sich Rasmus Buchsteiner in seinem Zeitungskommentar dazu veranlasst, wieder einmal Hartz IV und die Schröderschen Reformen für das angebliche „Jobwunder“ zu loben, wie schon andere Kommentatoren zuvor. Doch auch durch die gebetsmühlenartigen Wiederholungen dieser unbewiesenen neoliberalen Behauptungen in den meisten Medien werden diese nicht wahrer.

Im Gegenteil gibt es inzwischen etliche veröffentlichte wissenschaftliche Studien, die überzeugend nachgewiesen haben, dass die Schröderschen Hartz-IV-Reformen keinerlei positiven Einfluss auf eine verbesserte Arbeitsmarktpolitik oder auf die Vermittlung von Arbeitslosen hatten. Obwohl manches davon in der eigenen Zeitung sogar veröffentlicht wurde, wird dieses in den Kommentaren hartnäckig ignoriert, weil es nicht in den Kram passt? Doch zu seiner gegenteiligen Behauptung kann auch Rasmus Buchsteiner - abgesehen von oberflächlichen statistischen Spekulationen - keine wissenschaftlich fundierte und seriöse Untersuchung benennen, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Hartz IV und angeblich positiven Arbeitsmarktentwicklungen belegen. Solche gibt es nämlich nicht, sondern dies entstammt lediglich der Propaganda der Lobbyverbände der Wirtschaft und der Bundesarbeitsministerin, die uns mit ihrer manipulierten Statistik die wahre Zahl der 4 Mio. Arbeitslosen verschweigen (siehe hierzu Leitartikel in der RZ vom 4. Januar).

Mit der wiederholten Arbeitsmarktlüge im Niedriglohnland Deutschland wird verschleiert, dass mehr als 12 Mio. Deutsche dank der Hartz IV-Reformen von Armut betroffen sind. Ein Viertel der Vollzeitarbeitsplätze sind so niedrig entlohnt, dass niemand davon leben kann und zusätzlich auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen ist – oder die Unternehmen kassieren vom Staat ergänzende Zuschüsse zur Aufrechterhaltung des Lohndumpings.

Jeder Dritte ist gegen seinen Willen nur in Zeitarbeit tätig. Und die Hälfte aller Arbeitsplätze ist so niedrig entlohnt, dass sie unter die Steuerbefreiung fallen. Und laut einer Studie sind die Vermittlungschancen von 1-€-Jobbern erwiesenermaßen schlechter als derjenigen, die nicht in solche abstempelnden Maßnahmen gesteckt wurden – von wegen „Fördern und Fordern“. Vollwertige, unbefristete und anständig bezahlte Vollzeitarbeitsplätze sind unverändert auf dem Rückzug. Dieses allen Ernstes als „Jobwunder „ zu bezeichnen“, lieber Herr Buchsteiner, kann also nur als Zynismus empfunden werden.

Eine Verbesserung der Arbeitsmarktsituation und eine Beendigung des immer weiter zunehmenden Gefälles zwischen Arm und Reich kann nur mit der Gewerkschaftsforderung erreicht werden: „Hartz IV muss weg!“ Denn Hartz IV ist die Ursache aller dieser Probleme, nicht deren Lösung. Notwendig ist stattdessen neben deutlichen Lohnerhöhungen zur Verbesserung der Binnenkonjunktur eine sozial gerechte Steuerreform, mit der Steuergeschenke für Reiche aufhören und jahrzehntelanger staatlicher Einnahmeverzicht beendet wird, um endlich alle Bevölkerungsschichten an der notwendigen Finanzierung der sozialen Aufgaben des Gemeinwohls zu beteiligen.

Denn Geld genug ist da: Millionen Europäer besitzen privat über 7 Billionen Euro – das sind mehr als das Doppelte der Staatsschulden von Italien, Spanien, Irand, Portugal und Griechenland zusammen. Doch diese Billionen werden lieber an den Finanzmärkten verzockt - und dies gefährdet damit die Arbeitsmärkte in ganz Europa. Eine Spirale ohne Ende. Dagegen kann kein Jobcenter und keine Arbeitsagentur erfolgreich ankämpfen mit den problemverschärfenden Instrumenten von Hartz IV.