Wilhelm Neurohr

Wie vor jeder Tarifrunde des öffentlichen Dienstes empören sich wieder einmal die öffentlichen Arbeitgeber und Finanzminister unter dem Beifall der Journalisten reflexartig über die angeblich „überhöhten Lohn- und Gehaltsforderungen“ der Gewerkschaft. Wieder einmal werden die angeblich „sicheren Arbeitsplätze“ im öffentlichen Dienst mit ihrer „Jobgarantie“ anstelle von Lohnerhöhungen als Gegenargument und Kompensation gebetsmühlenartig aufgetischt.
Und natürlich darf der Hinweis auf die maroden öffentlichen Haushalte von Staat und Kommunen nicht fehlen, die aber nicht von den Beschäftigten mit ihrer bescheidenen Lohnentwicklung verursacht wurden, sondern von den Politikern selber eingebrockt werden mit ihren anhaltenden Steuergeschenken für Wohlhabende.
Für Hoteliers und Banker ist also genug Verteilungsmasse da, nicht hingegen für Müllmänner und Krankenschwestern? In deren Taschen möchte man Jahr für Jahr greifen zur Haushaltssanierung und zur Kompensation des anhaltenden Politikversagens?
Durch die Umverteilung von der öffentlichen Hand in die privaten Taschen sind Staat und Kommunen so verarmt, dass für die notdürftige Aufrechterhaltung der verblieben restlichen sozialen und öffentlichen Einrichtungen und die leistungsgerechte Bezahlung der dort Beschäftigten kein Geld mehr da ist. Dadurch sind die öffentlichen Arbeitnehmer seit Jahrzehnten von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt durch Minus- und Nullrunden, Urlaubs- und Weihnachtsgeldverzicht und unbezahlte Arbeitszeitverlängerungen. Deren Reallöhne und Gehälter sinken seit Jahrzehnten ungebremst.
Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst bilden das Schlusslicht Demgegenüber erhöhen sich zum Jahreswechsel die Landtagsabgeordneten in NRW wieder ihre Diäten um 3,2% trotz maroden Landeshaushaltes. Und der Innenminister NRW erhöhte auch die Aufwandsentschädigungen für die kommunalen Mandatsträger mit dem Argument, „sie dürften unter der Haushaltskrise nicht leiden“.
Dagegen sollen allein die Bürger und die Arbeitnehmer und Beamten beschäftigten im öffentlichen Dienst darunter leiden? Die staatlichen Personalausgaben sind in den letzten 15 Jahren nicht gestiegen, sondern um 9,1% des Bruttosozialproduktes gesunken; damit sind wir Schlusslicht internationalen Staatenvergleich.
Die Arbeitnehmer und Beamten im öffentlichen Dienst haben in noch größerem Maße durch Verzicht und Einbußen ihren Beitrag zur Sicherung ihrer Arbeitsplätze geleistet als die Beschäftigten bei Opel. Karstadt oder Quelle. Und was die Presse auch verschweigt: Verwaltungsangestellte und Beamte in NRW arbeiten im Schnitt drei Stunden länger als Industrie- oder Bauarbeiter im produzierenden Gewerbe und verdienen laut amtlicher Statistik dabei brutto auch noch um acht Euro schlechter! Der Bruttostundenverdienst in den Verwaltungen liegt mit 18,14 € Euro um 8,4% niedriger als im produzierenden Gewerbe mit 19,80 €Euro! Im Vergleich zu allen anderen europäischen Ländern haben wir in Deutschland die niedrigsten Lohnzuwächse, nämlich zwischen 1,3% und 3,6% niedriger (im öffentlichen Dienst noch weit darunter), obwohl unser Bruttosozialprodukt seit 2000 um 12% angestiegen ist. Die übrigen Europäer konnten 20% mehr für den privaten Verbrauch ausgeben, während unser Binnenmarkt leidet.
Stellenabbau in Millionenhöhe widerlegt die Legende sicherer öffentlicher Arbeitsplätze Das wichtigste Argument zuletzt: Was die vermeintlich sicheren Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst anbelangt, verschweigt die Presse beharrlich, dass in den letzten 15 Jahren unbemerkt und unkommentiert über 60 000 Arbeitsplätze allein in NRW bei Land und Kommunen gestrichen worden sind, bundesweit wurden sogar 2,2 Millionen Stellen (!) im öffentlichen Dienst abgebaut – also ein Vielfaches von Quelle, Arcandor, Opel und der Metallindustrie zusammengenommen .