Wilhelm Neurohr

Es ist bedauerlich und ärgerlich, dass in Wahlkampfzeiten insbesondere in Recklinghausen die Mai-Kundgebungen am Tag der Arbeit stets in Wahlveranstaltungen umgemünzt werden. Dabei sind sie als gewerkschaftliche Veranstaltungen für die Arbeitnehmerschaft gedacht. In diesem Jahr bedrängte ausgerechnet CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen den DGB, ihn als Hauptredner auf dem Festspielhügel für die Arbeitnehmer einzusetzen. Eine wahlkämpfende SPD-Landesministerin statt ein Gewerkschaftsvertreter bekam dann den Zuschlag vom DGB als Veranstalter – ebenso inakzeptabel! Vor einigen Jahren bekam sogar der damalige SPD-Wirtschaftsminister Clement (unter Buhrufen der Arbeitnehmerschaft) auf dem Recklinghäuser Festspielhügel das Wort, der sich inzwischen als Wahlhelfer für den neoliberalen FDP-Spitzenkandidaten in NRW betätigt. Schon zu seiner Zeit als SPD-Ministerpräsident in NRW überwies der „Sozialdemokrat“ Clement heimlich Spenden an seine neoliberalen Gesinnungsgenossen von der FDP.

Allzu willfährig und eilfertig unterstützt der hiesige DGB-Regionalvorsitzende „im Schulterschluss“ mit „seiner“ SPD ausgerechnet diejenigen, die für Hartz IV und die Agenda 2010 und somit für die „Armut per Gesetz“ verantwortlich sind und infolgedessen auch für Niedriglöhne, Leiharbeit und Senkung von Spitzensteuersätzen. Alles das möchte man heute vergessen machen und hofft auf „Korrekturen“ durch eine erneute rot-grüne Mehrheit. Doch die letzte rot-grüne Regierung im Bund war für die Arbeitnehmerschaft und den Sozialstaat ein böser Alptraum der heute noch nachwirkt. Und heute kehrt der gutgläubige DGB dies in falsch verstandener Nibelungentrue zu den neoliberal gewendeten Sozialdemokraten einfach unter den Teppich und rührt wieder die Trommel für die politischen Übeltäter, die sich scheinbar „reumütig“ und „lernfähig“ geben. Wie wäre es, wenn unsere DGB-Funktionäre ihre Basis dazu befragen würde, wie und mit wem die Maikundgebungen gestaltet werden sollen? Jedenfalls müssen sie sich nicht wundern, wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Veranstaltung reihenweise fernbleiben. Ich bin trotz über 40-jähriger Gewerkschaftszugehörigkeit und langjähriger Personalratstätigkeit in diesem Jahr jedenfalls nicht dabei, denn Wahlkampf-Kundgebungen der Parteien kann ich auch außerhalb des 1. Mai auf Marktplätzen haben…