Wilhelm Neurohr

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

es ist für mich bald soweit: Nach den Osterferien sind es nur noch 3 kurze Arbeitswochen – sofern sie nicht durch einen längeren Streik noch verkürzt werden – die ich im aktiven Dienst noch für Sie tätig sein darf. Dann beginnt (mit Resturlaub etc.) Anfang/Mitte Mai die Freiphase meiner Altersteilzeit.

Warum ich denn „jetzt schon aufhöre“, so wurde ich in jüngster Zeit wiederholt von mehreren Kolleginnen und Kollegen ungläubig bis vorwurfsvoll gefragt, obwohl 60 plus…

Ich denke, ein erfülltes Berufsleben nähert sich nun mal früher oder später seinem Ende – wenn man nicht gerade zu den Verfechtern der Rente mit 69 gehört. Und niemand sollte ein Wahlamt solange ausüben, bis er als „Fossil“ von seinem Stuhl davongetragen wird…

Rückblick in Dankbarkeit

Immerhin kann ich (seit meinem Berufseinstieg bereits mit dem 13. Lebensjahr) auf zunächst 6 Jahre im Bergbau und seither fast 40 Jahre bei dieser Kreisverwaltung zurückblicken, davon die ersten 20 Jahre in den Aufgabengebieten, Planung, Umwelt, Kreisentwicklung und in diversen Stabstätigkeiten.

Es folgten fast 2 Jahrzehnte in der zwar aufreibenden, aber auch herausfordernden Rolle des Personalratsvorsitzenden in 5 Wahlperioden; (nebenher noch die Aufgaben der Agenda 21, die zukünftig an Jutta Emming im FD 70 als neue Agenda-Beauftragte übergehen). Insgesamt waren es über 30 Jahre als gewählter Interessenvertreter im Personalrat unter 5 verschiedenen Verwaltungschefs. (Da diese alle paar Jahre wechselten, hat die Personalvertretung für Kontinuität in der Betriebskultur gesorgt…).

Auf diese Zeit blicke ich gerne und mit Dankbarkeit für die vielen Mitgestaltungsmöglichkeiten zurück – obwohl ich bei Amtsantritt damals nicht vorhatte, 18 Jahre lang als PR-Vorsitzender zu fungieren. Doch erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt….

Und ich denke mit Anteilnahme an diejenige Generation, der eine solche ununterbrochene Berufsbiografie mit gesichertem Arbeitsplatz und Einkommen über 4 Jahrzehnte in heutiger Zeit verwehrt ist…

Auch für diejenigen draußen kämpft man ja als Gewerkschafts- und Personalratsvertreter, so dass es ohne überbetriebliches gesellschaftliches Engagement nicht geht, denn gerade auch unsere Kreisverwaltung ist vom poltischen Umfeld und von der Kommunalfinanzierung direkt abhängig.

Obwohl die bisweilen belastende und termingeplagte Personalratsarbeit gewiss nicht stressfrei, geschweige konfliktfrei war und ist, habe ich mich mit breiter Unterstützung in all den Jahren dennoch sehr gerne und motiviert für die Anliegen der Kollegenschaft eingesetzt - und hatte dabei das Glück, die Amtszeit mit robuster Gesundheit ohne jede Krankenfehlzeiten durchzustehen, obwohl der Einsatz oft weit über eine 39-Stunden-Woche hinausging.

Hervorragende Unterstützung durch ein solidarisches Team

Das war nur möglich und erträglich durch die solidarische Unterstützung aller Personalratskolleginnen und -kollegen, die über all die Jahre ein hervorragendes und eingespieltes Team mit vertrauensvoller Zusammenarbeit waren (und auch zukünftig sein werden) - aber auch durch das positive Feedback durch die liebenswerte Kollegenschaft insgesamt, für die sich das Engagement lohnt. Denn in Ihrem Auftrag ist der Personalrat in dienender Funktion tätig.

Hinzu kam die hilfreiche Unterstützung durch die Gewerkschaftskollegen und -gremien.

Nicht zuletzt war es die zuverlässige und tatkräftig Unterstützung durch meine langjährige Kollegin im Geschäftszimmer des Personalrates, Sigrid Watermeier, die über 35 Jahre lang unter 4 verschiedenen Personalratsvorsitzenden vertrauensvoll gedient hat – und ebenfalls Anfang Mai in die wohlverdiente Altersteilzeit übergeht. Ihr gebührt mein ganz besonders herzlicher Dank!

Alles das hat dazu beigetragen, dass die verantwortungsvolle Arbeit im Dienste der Betriebsgemeinschaft überwiegend Freude gemacht hat, auch wenn man sich in manchen Konflikt- und Streitphasen gelegentlich fragte, „warum tue ich mir das eigentlich an?“

Rückblickend war es eine zumeist aufregende Zeit ohne Langeweile und mit viel Abwechslung. (Gleichwohl dementiere ich vorbeugend das Gerücht, ich würde nun in der Altersteilzeit ein „Enthüllungs-Buch“ schreiben, etwa mit dem Titel: „40 Jahre hinter den Kulissen der Kreisverwaltung“…)

Dank und Appell an die Kollegenschaft

Auch wenn es dem Personalrat nicht in jedem Einzelfall gelungen ist, Ihren persönlichen Interessen und Anliegen oder denjenigen aller Beschäftigtengruppen immer zum Erfolg zu verhelfen und durchzusetzen, so haben wir doch meist nichts unversucht gelassen in unserem Bemühen für Ihre berechtigten Belange und für die Pflege einer sozialen Betriebskultur.

Trotz der immer schwierigeren Zeiten und Belastungen konnte durch den Zusammenhalt der Belegschaft in den letzten Jahrzehnten doch eine Menge erreicht oder gesichert werden – oder Schlimmeres abgewendet werden. Dies soll keineswegs ein Selbstlob sein, denn die Beurteilung und Bilanz der Arbeit Ihrer Interessenvertreter im Personalrat obliegt ganz allein der Kollegenschaft selber.

Mir ist es aber ein Anliegen, mich am Ende meiner Amtszeit bei Ihnen allen auf diesem Wege ganz herzlich zu bedanken für das jahrelang entgegengebrachte Vertrauen! Und danke für die kollegiale Unterstützung und Ermunterung, die Sie auch stets dem gesamten Personalratsteam entgegengebracht haben, und das nicht nur bei den jeweiligen Personalratswahlen.

Die gesamte Kollegenschaft und die Betriebsgemeinschaft sind mir im Laufe der Jahre ans Herz gewachsen sowie jeder Einzelne als Individualität, so dass der bevorstehende Abschied mit dem vielzitierten „weinenden und lachenden Auge zugleich“ erfolgt. Ihre zustimmende Beifalls-Geste anlässlich meiner letzten großen Personalversammlung im Ruhrfestspielhaus hat mich deshalb sehr angerührt. Danke!

Die Zukunft der Personalvertretung liegt in guten Händen

Ich gehe insofern unbesorgt aus dem Dienst, als ich weiß, dass in der Nachfolge bei den künftigen Personalvertretern als eingespieltes Team – die ja teilweise auch schon Jahrzehnte dabei sind – Ihre Interessen in allerbesten Händen sind! Bringen Sie bitte meinen nachfolgenden Kolleginnen und Kollegen im Personalrat das gleiche Vertrauen entgegen, sie haben es verdient! Diesen Appell möchte ich noch gerne loswerden! Denn sie werden sich mindestens genauso engagiert und kompetent für Ihre Belange einsetzen, wahrscheinlich noch besser – auch wenn sie in schwierigen Zeiten vor noch größeren Herausforderungen stehen als ich vor 18 Jahren.

Die wirksamste Unterstützung und Stärkung lassen Sie dem gesamten Personalratsteam am besten dadurch zuteilwerden, dass Sie ihm im Juni bei der Personalratswahl durch eine hohe Wahlbeteiligung zählbar den Rücken stärken – unabhängig davon, welcher Gewerkschaft sie sich verbunden oder nicht verbunden fühlen. Denn je mehr die Kollegenschaft insgesamt hinter ihren gewählten Interessenvertretern steht, desto mehr können diese für Sie alle erreichen.

Wie soll man sich vor Verabschiedung oder „Ausstand“ drücken….?

Sicherlich wird sich in den nächsten 3 Wochen als meinen letzten Arbeitswochen noch die eine oder andere persönliche Begegnung ergeben.

Und am 2. Mai in der Personalratssitzung werde ich zusammen mit der ebenfalls ausscheidenden Kollegin Sigrid Watermeier in der Runde der Personalratskollegen den internen Ausstand geben.

Am 7. Mai, meinem wahrscheinlich letzten Arbeitstag, werde ich mich außer Hauses von den Personalratskollegen der kreisangehörigen Städte verabschieden, deren Sprecher im interkommunalen Personalräte-Arbeitskreis ich 18 Jahre lang sein durfte.

Zuguterletzt begleite ich am 16. Mai zum letzten Mal den Betriebsausflug mit dem Samba-Zug (nachdem ich insgesamt 36 Betriebsausflüge und 18 Rentner- und Pensionärsausflüge mitplanen durfte…).

Wie und wann aber soll ich mich darüber hinaus von der Kollegenschaft insgesamt verabschieden – zumal ich zu befürchtende Lobes- und Abschiedsreden und -geschenke (ehrliche und unehrliche) fürchte wie der Teufel das Weihwasser – und schon gar nicht stehe ich gerne im Mittelpunkt und ich verabscheue auch jede Form von „Personenkult“.

Kann ich mich nach so langer Zeit einfach klammheimlich oder fluchtartig davonstehlen und es bei diesem „Abschiedsbrief“ (zugleich mein letztes PR-Info als Redakteur) belassen?

Kann und soll ich etwa alle mittlerweile 2065 Beschäftigten der Kreisverwaltung einladen zum Ausstand? Das ist schlechterdings nicht machbar und finanzierbar und würde wohl auch den Dienstbetrieb stören.

Nur einen ausgewählten Personenkreis einzuladen, mit dem ich vielleicht besonders intensiven Kontakt hatte (etwa aus dem Querschnitts-, Führungs- und Planungsbereich und aus der Politik) würde bedeuten, andere auszugrenzen oder Missverständnisse über unterschiedlicher Wertschätzung erzeugen.

Deshalb kam mir in Gesprächen mit meinen langjährigen gewerkschaftlichen Mitstreitern aus dem Hause eine mir sympathische Idee als Kompromiss:

Am Donnerstag, 10. Mai laden die gewerkschaftlichen Vertrauensleute aus unserer Kreisverwaltung nachmittags zum Dienst-Ende am Brunnen vor dem Kreishaus zu einer zünftigen „Curry-Wurst-Fete“ mit Fassbier ein. Damit der Aufwand bezahlbar bleibt, werde ich zum Abschied vor allem das Fassbier sponsern. Zugleich ist damit Gelegenheit für diejenigen Kolleginnen und Kollegen, denen es ein ehrliches Bedürfnis ist, auch ohne persönliche Einladung auf ein (oder mehrere) Bier vorbeizuschauen und „Tschüs“ zu sagen bei lockeren Gesprächen (ohne Berührungsängste zum gewerkschaftlichen Umfeld).

Und das ganze unkonventionell und ungezwungen ohne Ansprachen, Abschiedsreden oder Geschenke, ( so wie ich es auch gut ertragen kann…). Wer mag, kann also einfach vorbeischauen, ohne jede Verpflichtung. (Und wer unbedingt etwas „schenken“ will, darf gerne eine kleine Spende auf das Konto des gemeinnützigen Afrika-Vereines www.Avenir-Togo.de für ein Schulbauprojekt zugunsten der Ärmsten beisteuern, für das sich meine Familie auch vor Ort engagiert).

So stelle ich mir also den ungezwungenen Ausstand im Kollegenkreis vor und werde mit dem Recklinghäuser Hape Kerkeling anschließend rufen: „Ich bin dann mal weg!“

Danke Ihnen allen und alles Gute für Ihre weitere berufliche und private Zukunft!

Mit herzlichen Grüßen und besten Osterwünschen Ihr / Euer
Wilhelm Neurohr

P.S. Bis zur Neukonstituierung des Personalrates am 1.7.2012 können Sie sich in der Übergangszeit vertrauensvoll an meine derzeitige Stellvertreterin Martina Pestke und natürlich an alle anderen Personalratskollegen und -kolleginnen wenden, die immer ein offenes Ohr haben.