Wilhelm Neurohr

Das erste Gesetzesvorhaben der schwarz-gelben Landesregierung nach Amtsantritt bestätigt sogleich eine folgenschwere Wahlkampf-Lüge: Niemand wolle die betriebliche Mitbestimmung antasten, so hieß es vor der Wahl. Im Gegenteil, man wolle diese stärken, damit anstelle der gewerkschaftlichen Flächentarifverträge künftig die Betriebs -und Personalräte vor Ort mehr Rechte im Rahmen der Mitbestimmung bekämen. Das war vor dem 22. Mai.

Einen Monat später am 22. Juni, gleich nach der Wahl, läßt der frischgebackene Innenminister Ingo Wolf (FDP) vor Landräten die Katze aus dem Sack und erklärt das Gegenteil: Die bestehenden Mitbestimmungsrechte der Personalräte im öffentlichen Dienst sind ihm ein Dorn im Auge und sollen eingeschränkt werden. Als ehemaliger Oberkreisdirektor des Kreises Euskirchen habe er persönlich damit schlechte Erfahrungen mit seinem Personalrat gemacht.

Lag dies aber am dortigen Kreispersonalrat und dessen Mitbestimmungsrechten oder lag es am „diktatorischen“ Führungsstil des FDP-Politikers Wolf als Verwaltungschef? Insider wissen, dass er selber Verursacher der Dauerkonflikte war mit seinem autokratischen Führungsverständnis der 50-er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Er betrieb systematisch eine Entmündigung seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und war erklärter Gegner jeder innerbetrieblichen Demokratie.

Für sein wenig Dialog bereites Fehlverhalten will Ingo Wolf nun aus seinem eingeschränkten Erfahrungshorizont und seiner neuen Machtstellung heraus seinen damaligen Personalrat nachträglich „abstrafen“ und damit die Mitbestimmungsorgane insgesamt einschränken. Dies ist umso peinlicher, als der neue FDP-Innenminister von NRW bislang vor allem durch seine hohen Mehrfach-Bezüge auf Steuerzahlerkosten öffentlich als „Florida-Wolf“ von sich reden machte statt als kooperativer Verwaltungs-Reformer mit Sozialkompetenz.

Ohne Mitarbeiterbeteiligung kann moderne Verwaltung heute nicht mehr geführt werden. Nach Stellenabbau, Arbeitszeitverlängerung und Einkommenskürzungen im öffentlichen Dienst ist das der einzig verbliebene Motivationsfaktor für die Beschäftigten. Ohne wirksame Mitbestimmung seines Personals wird Herr Wolf auch in seinem Innenministerium scheitern und die Beschäftigten demotivieren.

Im Kontrast dazu kann man dem Recklinghäuser Landrat Jochen Welt nur dankbar dafür sein, dass er dem Innenminister die positiven Seiten einer funktionierenden und hilfreichen Mitbestimmung entgegenhält, wie er sie auch im Recklinghäuser Kreishaus kennengelernt hat und mit dem Personalrat und der Mitarbeiterschaft selber praktiziert.

Die Personalräte im Kreis Recklinghausen vermissen aber eine ebenso deutliche Haltung und Aussage der heimischen CDU-Kreispolitiker in dieser Frage, z.B. des CDU-Verwaltungschefs im Rathaus der Kreisstadt, die sich offenbar vom Koalitionspartner FDP in Düsseldorf vor den Karren spannen lassen - oder war das Bestandteil der Koalitionsvereinbarungen? Ich fordere die CDU-Politiker im Kreis dazu auf, eindeutig Stellung zu beziehen und den FDP-Innenminister von NRW zu bremsen. Die Empfehlung kann nur lauten: Finger weg von der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst als demokratische Errungenschaft!

Andernfalls werden wir in den Verwaltungen erleben, wie die Gewerkschaften mit einer mündigen Mitarbeiterschaft auch mit eingeschränkten Mitbestimmungsrechten ihre zeitgenmäßen Rechte auf andere Weise erkämpfen - dann werden innerbetriebliche Konflikte notgedrungen in der Öffentlichkeit ausgetragen und lassen Führungsdefizite damit transparent werden! Ist das von der FDP gewollt?