Wilhelm Neurohr

Sein mittlerweile fünfzehnter Besuch und Aufenthalt in Deutschland mit Abstechern in die Schweiz führte den Westafrikaner Dodji Kpaleté - als rührigen Projektleiter des soziokulturellen Landwirtschafts- und Schulprojektes AVENIR in Togo[1] - an zahlreiche Schauplätze und zu anthroposophischen Freunden und zivilgesellschaftlichen Mitstreitern und Veranstaltungen. Seine Gastgeber-Familie aus dem Ruhrgebiet vom AVENIR-Vereinsvorstand begleitete den vertrauten Gast aus Afrika, der in zurückliegenden Jahren auch schon Frankreich und Israel bereist hat, bei seiner diesjährigen engagierten Tour.

Bereits wenige Tage nach seiner Ankunft in Recklinghausen über Düsseldorf folgte Dodji Kpaleté als Mitgestalter der Einladung der Veranstalter des Sozialforums in Stuttgart unter dem Motto „open fair“. Parallel zum diesjährigen großen Weltsozialforum in der brasilianischen Stadt Belém mit über 100.000 Teilnehmern aus aller Welt und 2.600 Veranstaltungen – als zivilgesellschaftliche Gegenveranstaltung zum elitären Weltwirtschaftsforum in Davos - hatte die Zivilgesellschaft auch regionale Sozialforen organisiert, in Stuttgart zum Schwerpunktthema „fairer Handel“. Über 8000 Menschen nahmen trotz klirrenden Frostwetters vom 30. Januar bis 2. Februar in Stuttgart am „Festival des Wandels“ teil, mit einem vielfältigen Programm unter dem Titel „Energie für eine andere Welt“, das ein offenes Netzwerk von 50 Initiativen auf die Beine gestellt hatte. Allerdings machte die extreme Kälte unserem Gast aus dem feuchtwarmen tropischen Westafrika deutlich zu schaffen.

Sozialforum Stuttgart: Plädoyer für faire Handelsbedingungen für Afrika

Auf dem Stuttgarter Schlossplatz säumten 40 Info-Stände den WeltStattMarkt“, darunter auch der in der Stuttgarter Zeitung als Titelfoto gewürdigte Afrika-Stand vom AVENIR-Projekt in Togo, für den Dodji Kpaleté einen großen Koffer Materialien aus Togo angeschleppt hatte. Die Besucher konnten zudem auf einer „Weltbühne“ in Live-Schaltungen die Atmosphäre des Weltsozialforums in Belém miterleben. Dodji Kpaleté, der relativ gut deutsch spricht, hatte in seiner Gastrede auf der „Weltbühne“ im Festzelt für eine andere Agrarpolitik und faire Handelsbedingungen im Interesse einer nachhaltigen Ernährungssicherung plädiert und gewarnt: „Der gnadenlose Konkurrenzkampf jeder gegen jeden wird am Ende nur Verlierer und keine Gewinner hervorbringen“. Er mahnte solidarisches Verhalten an nach dem Motto des Weltsozialforums: „Global denken, regional handeln, international austauschen“.

Über 400 Teilnehmer nahmen an Workshops im Stuttgarter Forum3 teil zu den Themen Finanzkrise, Welthandel, Weltmarkt, Welthandel, Weltfrieden, globale soziale Rechte, Agrotreibstoff, alternative Energien und Gentechnik. „Afrika unter dem Druck der EU-Handelspolitik“ war das Thema des von Dodji Kpaleté angebotenen Workshops, das er zusammen mit David Neurohr und Mechthild Gruner-Neurohr von seiner Recklinghäuser Gastfamilie und vom AVENIR-Vorstand gestaltete. In einem einleitenden Interview nahm Dodji Kpaleté zu den unfairen Handelsbedingungen für die afrikanischen Länder Stellung, nachdem er vergeblich in einem großen Bioladen nach Produkten aus Afrika Ausschau gehalten hatte. Mit den Teilnehmern kam es zu einem regen Austausch und zu wertvollen Kontakten. Ihn beeindruckte das echte Interesse und das fundierte Fachwissen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Anschließend wurde Dodji Kpaleté zu einem Radiointerview in das Festzelt gebeten.

Für Arbeit und soziale Rechte auf internationalen Konferenzen

Direkt von Stuttgart ging es weiter nach Basel zu einem guten Freund, den Schweizer Waldorfvater Peter Ettlin. Dieser hatte 1980 in Togo in einer Textilfabrik in Dadja bei Atakpamé gearbeitet und dort Dodji Kpaleté kennen und schätzen gelernt, aber danach aus den Augen verloren. Durch einen Artikel in der Wochenschrift Goetheanum über das AVENIR.Projekt hatte er Dodji Kpaleté auf dem Foto wiedererkannt und den Kontakt neu aufleben lassen. Zwischenzeitlich war diese Textilfabrik eines Unternehmers aus Kleve am Niederrhein, den Dodji Kpaleté in den 80-er Jahren zweimal in Deutschland besuchte, geschlossen und Herr Kpaleté deshalb als Buchhalter in eine Getränkefabrik nach Lomé gewechselt, wo er 20 Jahre bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2001 tätig war und sich auch als Sprecher der Gewerkschaft engagierte.

Inzwischen ist Dodji Kpaelté Vertreter der Gewerkschaft für Togo und Westafrika und wurde kürzlich in den „Nationalen Rat für Arbeit und soziale Rechte“ in Togo berufen, eine Einrichtung der UN-Organisation ILO (Arbeitsorganisation) mit Sitz in Genf, zusammengesetzt aus Regierungsvertretern, Arbeitgebern und Gewerkschaftsvertretern. Von Basel fuhr er am 5. Februar nach Genf, zur Vorbereitung einer geplanten Konferenz im südafrikanischen Johannesburg mit je einem Vertreter aller afrikanischen Länder, an der er ebenfalls als Gewerkschaftsvertreter von Togo eingeladen ist. Hier engagiert sich der 7-fache Familienvater neben seinem unermüdlichen Engagement als Projektleiter für das 2001 begonnene Projekt der Ananasfarm AVENIR, ein biologisches und soziokulturelles Landwirtschaftsprojekt, das nach erfolgreicher Kindergarten- und Schulgründung nun einen Schulneubau plant, in dem eine auf afrikanische Verhältnisse zugeschnittene Waldorfpädagogik entwickelt werden soll. Für den weiteren Aufbau einer kleinen Bibliothek hofft er auf Bücherspenden, etwa von ausgelesenen und gebrauchten Büchern, insbesondere Kinderbüchern auf Französisch und Deutsch..

Erforschung von Präparaten für die Landwirtschaft in Westafrika

Ein Höhepunkt des diesjährigen Aufenthaltes war nach eigenen Aussagen von Dodji Kpaleté, dessen liebenswürdiges Wesen die Menschen anspricht, sein zum dritten Mal erfolgter und von Dornach finanziell unterstützter Besuch der internationalen Demeter-Landwirtschaftstagung in Dornach, die sich vom 3. bis 7. Februar mit dem landwirtschaftlichen Kurs Rudolf Steiners befasste: „Wie lebe ich mit dieser Inspirationsquelle?“ Hier traf er Teilnehmer aus dem Vorjahr und fand Unterkunft bei der freundlichen Mitorganisatorin Sybille Zönz. Er wurde wieder freundschaftlich vom Sektionsleiter Nikolai Fuchs persönlich begrüßt als einziger Gast aus Afrika, neben einem Tunesier aus Nordafrika und einer Europäerin aus Südafrika.

Auf seine brennende Frage, wie oft welche Präparate in den afrikanischen Boden im Gegensatz zu Deutschland eingebracht werden müssen, fand er keine Antwort. Denn der Workshop bei Pierre Masson „Werden biologisch-dynamische Präparate im landwirtschaftlichen Kurs behandelt?“ war schon besetzt. In Gesprächen wurde aber deutlich, dass in Afrika hierzu noch viel zu forschen und zu experimentieren ist und von Dorf zu Dorf unterschiedlich zu verfahren sei. Beeindruckt hatte ihn wiederum die Freundlichkeit der Menschen in Dornach und die perfekte Organisation. Fast hätte er den Rückreisezug in Basel verpasst, den er aber noch in letzter Minute erreichte, obwohl Stress vermieden werden sollte:

Denn wegen eines wie durch ein Wunder überstandenen Herzinfarktes im zurückliegenden Mai 2007 besuchte Dodji Kpaleté nach der Dornacher Tagung Mitte Februar einen befreundeten Arzt bei Frankfurt, der ihm seinerzeit die Herzoperation im französischen Straßburg ermöglicht und finanziert hatte und auch seinen Sohn einige Jahre in Deutschland beherbergt hatte. In Togo wäre so eine Operation nicht möglich und sein Leben beendet gewesen. Dass er in krankem Zustand den normalen Passagierflug zur Klinik nach Frankreich überstanden hatte, ist wohl nur seiner robusten afrikanischen Natur zu verdanken. Deshalb wurde der Deutschlandaufenthalt auch genutzt zur Konsultation von Ärzten und Kardiologen mit erfreulichen Befunden.

Besuch von Waldorfschulen und von Goethes Wirkungsstätte Weimar

Die nächste Reisestation führte ins Ostwestfälische: Ein alter Bekannter ist Dodji Kpaleté dort schon in der Waldorfschule Schloss Hamborn bei Paderborn, die schon Vorträge und Unterrichts- und Basarbeiträge von ihm erlebt haben. Sie unterstützen das AVENIR-Projekt in Togo alljährlich mit Spenden und Basarerlösen, ähnlich wie die Hibernia-Waldorfschule in Herne. In Schloß Hamborn konnte er diesmal in der 6. und 7. Schulklasse über das Projekt berichten und wurde bei der Waldorfmutter Frau Körner auf dem dortigen Obsthof untergebracht und betreut.

Schließlich führte die letzte Station in der zweiten Februarhälfte einige Tage nach Weimar an die dortige Waldorfschule. Beim deren Gartenbaulehrer ist derzeit ein Garten- und Landschaftsbauingenieur ebenfalls aus Togo in einem Praktikum tätig, der sich gerne nach seiner Rückkehr fachkundig am AVENIR-Landwirtschaftsprojekt bei Lomé einbringen möchte. Grund genug, sich kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen. Natürlich wurde der Aufenthalt bei dem gastfreundlichen Gartenbaulehrer genutzt zu geführten Stadtbesichtigungen in Weimar an die Wirkungsstätten von Goethe und Schiller. Wieder zurück in Recklinghausen bei der eigentlichen Gastfamilie, in der Dodji Kpaleté nach seinen Worten „sein zweites zu Hause“ gefunden hat, gab es noch Besuch von Freunden und AVENIR-Vereinsmitgliedern aus Witten, die selber schon in Togo waren und die Gastfreundschaft von Dodji Kpaleté erleben durften.

Nachdem es nach einem Unterrichtsbeitrag an einer Schule in Herne dann am 7. März wieder zurück nach Togo ging, war die Tour für Dodji Kpaleté noch nicht beendet: denn es erwartet ihn noch die afrikanische Gewerkschaftstagung in Johannesburg. Und im Juli dieses Jahres empfängt er dann die AVENIR-Vereinsvorsitzende Mechthild Gruner-Neurohr zu ihrem 8. Aufenthalt in Togo, damit es mit dem Landwirtschafts- und Schulprojekt vor Ort weitergeht, mit einem ähnlich dicht gefüllten Programm. Beim letzten Mal hatte sie einen von Dodji Kpalete mit organisierten Vortrag im Rahmen des Goethe-Institutes vor Studenten der Universität Lomé über das Bildungswesen in Europa und Afrika gehalten. Dodji Kpaleté, ein Boschafter Afrikas, trägt ein Stück Anthroposophie in den ausgehungerten Kontinent.


[1] Siehe Goetheanum Nr. … und Internet: www.Avenir-Togo.de