Wilhelm Neurohr

Aufrüstungsweltmeister Deutschland

Der friedensgefährdende Rüstungswahnsinn des Westens

USA-Militärausgaben dreimal so hoch wie von China und Russland zusammen

Ende Februar 2021 meldete das Internationale Institut für Strategische Studien (IISS), dass allein die USA in 2020 fast drei Mal so viel Geld für Verteidigung ausgegeben haben wie ihre großen Rivalen China und Russland zusammen: Mit 738 Mrd. US-Dollar (rund 603 Mrd. €) lag das Budget des größten NATO-Landes fast vier Mal höher als das von China (193,3 Mrd. Dollar) und mehr als zwölf Mal höher als das von Russland (60,6 Mrd. Dollar). Allein die drei europäischen NATO-Länder Deutschland, Frankreich und Großbritannien übertreffen mit zusammen 167,8 Mrd. Dollar ebenfalls Russland, und zwar um beinahe das Dreifache an Rüstungs- und Militärausgaben. Auch hat die USA weltweit doppelt so viele Militärbasen im Ausland als Russland.

Insgesamt lagen die Militärausgaben der 29 NATO-Mitgliedsstaaten 2019 insgesamt bei etwa 1.035 Milliarden US-Dollar (circa 958 Milliarden Euro), das waren 53 Prozent der Militär-Ausgaben weltweit, davon fast 300 Mrd. Dollar allein durch die europäischen NATO-Staaten (ohne USA), also weit mehr als China und Russland zusammen. Zum Vergleich: Russlands Ausgaben lagen im selben Jahr bei 65,1 Milliarden US-Dollar. Deutschland zahlte zuletzt fast 55 Mrd. US-Dollar als NATO-Beitrag (auf der Basis von 1,4% des BIP), fast fünf Mal so viel wie Polen, und will der geforderten Erhöhung auf 2% nachkommen.

Anstieg der deutschen Militärausgaben auf 85 Mrd. € jährlich

Der deutsche Verteidigungsetat soll also noch weiter steigen und die unglaublich gut gemachten PR-Kampagnen für mehr Aufrüstung laufen (fast) unwidersprochen. Um das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen, müsste Deutschland insgesamt ca. 85 Milliarden Euro (85.000.000.000) für das Militär ausgeben. Es passt in die zeitgemäßen Durchsetzungsstrategien, dass Parteien und Rüstungslobby lieber von 2% reden, als von jährlich 85 Milliarden Euro.

Deutschland ist der aktuelle Aufrüstungsweltmeister

2019 gab es laut dem internationalen Friedensforschungsinstitut in Stockholm den höchsten Anstieg der weltweiten Militärausgaben seit 2010 auf weltweit 1.917 Milliarden US-Dollar. Das sind 2,2 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts oder rund 2.400 Dollar pro Kopf der Erdbevölkerung. Mit einer Steigerungsrate der Militärausgaben von über 10 Prozent gegenüber 2018 ist Deutschland der aktuelle Aufrüstungsweltmeister. Die Rüstungsausgaben der Bundesrepublik stiegen unter den größten 15 Rüstungsnationen weltweit innerhalb der Jahresfrist am meisten: Von 2018 bis 2019 um rund zehn Prozent auf 49,3 Milliarden Dollar.

Raffinierte Aufrüstungskampagne mit Propagandatricks

Die aktuelle, unglaublich gut organisierte Aufrüstungskampagne setzt ganz stark auf das Argument der "armen unterfinanzierten Bundeswehr". Da werden nicht tauchende U-Boote und nicht flugbereite Hubschrauber und Eurofighter aufgelistet. Die Truppe jammert und die Rüstungs-Lobbyisten (leider auch in der Regierungspartei SPD) verstärken den veröffentlichten Eindruck. Doch der aktuelle Zustand der Bundeswehr hat weniger mit zu wenig Geld, als mit Verschwendung, misslungenen Rüstungsprojekten und einer altbackenen Bürokratie zu tun, die an die Bürokratie der ehemaligen DDR erinnert. Forderungen nach Abrüstung passen nicht in diese Debatte, bei der „Aufrüstung“ und notwendige “Ersatzbeschaffung“ raffiniert miteinander vermengt werden, um die Rüstungskritiker abzuwehren.

Auslandseinsätze der Bundeswehr in aller Welt

Die deutsche Bundeswehr ist inzwischen mit einem Dutzend Auslandseinsätzen weltweit auf drei Kontinenten und zwei Weltmeeren vertreten, wie sie selber stolz auf ihrer Website verkündet: In Afghanistan und im Kosovo, in Jordanien, Syrien und im Irak im Libanon, in Jemen und vor Libyien, ferner in Mali und im Südsudan, in der Westsahara sowie am Horn vom Afrika und im Mittelmeer. Hinzu kommen so genannte „Anerkannte Missionen“ in Litauen und im übrigen Baltikum, im Nordatlantik und im Mittelmeer sowie angrenzenden Seegebieten. Die im Grundgesetz festgelegte Beschränkung auf bloße Landesverteidigung wird ignoriert, vor allem der Artikel 87a (2) GG: „ Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.“

Weltweit 29 Kriege und 360 Konflikte - Deutschland will militärisch mitmischen

Weltweit gab es 2020 insgesamt 29 Kriege und bewaffnete Konflikte sowie fast 360 Krisen, Dispute und Konflikte, die in bewaffnete Auseinandersetzungen münden könnten. Seit der „Sicherheitskonferenz“ 2014 - dem alljährlichen privaten Treffen der Rüstungslobbyisten und Geheimdienstler mit ausgewählten Spitzenpolitikern - werben Bundespräsident und Ex-Außenminister Walter Steinmeier Walter Steinmeier, vor ihm schon Bundespräsident Joachim Gauck, Ex-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer (CDU) unentwegt für eine stärkere militärische Rolle Deutschlands in allen Konflikt- und Krisenregionen der Welt. Die deutsche Verteidigungsministerin schickt nun aktuell eine Fregatte in das südchinesische Meer, wie im März 2021 bekannt wurde, um „bei der Weltmacht China Präsenz zu zeigen“ und plädiert für die militärische Sicherung der Handelswege für die Exportnation Deutschland. Die umstrittene Aussage über den Einsatz der Bundeswehr für wirtschaftliche Interessen hatte hingegen in 2010 zum Rücktritt von Bundespräsident Köhler geführt.

Bedrohlich: 9 Atom-Staaten mit 13. 400 Atomwaffen

Zu Beginn des Jahres 2020 haben sich die knapp 13.400 weltweit vorhandenen Atomwaffen auf neun Staaten verteilt. Die beiden militärischen Supermächte, Russland und die USA, verfügen dabei über die mit Abstand größten nuklearen Arsenale mit jeweils rund 6.000 Atomsprengköpfen. Diese große Anzahl an Kernwaffen resultierte aus dem jahrzehntelangen Wettrüsten während des Kalten Krieges zwischen den USA und Russland bzw. der Sowjetunion. Die europäischen Atommächte Frankreich und Großbritannien haben zusammen haben 505 Atomwaffen, hinzu kommen in Deutschland die 20 US-Atomsprengköpfe im pfälzischen Büchel. Deutschland beharrt auf „atomare Teilhabe“ innerhalb der Nato.

Veto-Recht der Atommächte im UN-Sicherheitsrat

Neben den fünf „offiziellen“ Atomwaffen besitzenden Staaten USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien gibt es vier „de facto“ Nuklearwaffen führende Staaten: Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea. Die erstgenannten offiziellen Atomwaffenstaaten bilden zudem im Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen die Gruppe der ständigen Mitglieder, die über ein Vetorecht verfügen und eine Beschlussfassung des Rates somit verhindern können. Von den vier weiteren faktischen Atomwaffenmächte ist Nordkorea in der jüngeren Vergangenheit zuletzt zu einer Atommacht aufgestiegen und setzt seitdem diesen Status immer wieder in dem Bemühen, Sanktionen des UN-Sicherheitsrates zu lockern, in internationalen Verhandlungen ein.

Vergeblicher Kampf gegen die Verbreitung von Atomwaffen

In dem Bemühen, die Verbreitung von Nuklearwaffen zu unterbinden und das Risiko eines Atomkriegs zu mindern, wurde der Atomwaffensperrvertrag von den fünf „offiziellen“ Atommächten angestoßen und von fast allen Ländern weltweit unterzeichnet. Israel, Indien und Pakistan haben neben dem Südsudan die Ratifizierung des Vertrags verweigert, um sich nicht der Kontrolle ihrer kerntechnischen Anlagen durch die Internationale Atomenergie-Organisation zu unterwerfen. Zudem trat Nordkorea im Jahr 2003 aus dem Vertrag aus, um seinen Weg zu einer Atommacht ungestört verfolgen zu können. Nach mehreren Kernwaffentests erklärte sich Nordkorea schlussendlich 2012 offiziell zur Atommacht.

Deutschland verweigert Unterschrift unter UN-Atomwaffen-Verbotsvertrag

2017 hatten in der UN-Generalversammlung 122 der 193 Mitgliedsstaaten einen Vertrag zum Verbot aller Atomwaffen unterzeichnet. Vier Jahre später, am 22. Januar 2021 trat nun der UN-Atomwaffenverbotsvertrag in Kraft, nachdem ihn 51 Staaten mit ihrer Unterschrift ratifiziert haben. Die Unterzeichner-Staaten erklären ihren Luftraum und ihre Meere zu atomwaffenfreien Hoheitsgebieten. Aber unter anderem alle Atommächte fehlen - und Deutschland. Alle Nuklearmächte lehnten den Vertrag ab und weigerten sich wie Deutschland, zumindest mit Beobachterstatus an der Vertragsstaatenkonferenz der Unterzeichnerländer teilzunehmen. Aktivisten haben dafür kein Verständnis.

Deutschland will atomare Teilhabe – ohne öffentliche Diskussion

Der treue NATO-Bündnispartner Deutschland ist wegen des Konzepts der Nuklearen Teilhabe auch ein Land, in dem die USA Atombomben stationiert haben und schafft dafür sogar transportfähige Flugzeuge an. Dabei hatte sich der Bundestag im März 2010 (unter Außenminister Westerwelle) in einem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen mit großer Mehrheit für den Abzug der letzten noch verbliebenen US-Atomwaffen aus Deutschland ausgesprochen und die Bundesregierung aufgefordert, sich in der Nato und direkt bei den USA "mit Nachdruck" dafür einzusetzen. Außenminister Heiko Maas (SPD) ignoriert diesen Beschluss und hält bis heute wenig vom Ausstieg aus der Teilhabe und von dem Atomwaffenverbotsvertrag. Im März 2019 hatten die oppositionellen Grünen und Linken im Bundestag vergeblich zwei Anträge zum beschleunigten Atomausstieg gestellt, auch im Sinne der Bevölkerungsmehrheit laut wiederholter Umfragen, die aber nicht gefragt wird.

Deutschland zeigt Friedensnobelpreisträger die kalte Schulter

ICAN Deutschland - jene Organisation, die 2017 für ihre Abrüstungsbemühungen den Friedensnobelpreis erhielt - versteht Deutschland, das sonst auf Abrüstung und Friedenspolitik setze, bis heute nicht: Es sei das erste Mal, dass eine Bundesregierung Abrüstungsverhandlungen verweigere, kritisierte die Organisation: "Damit hat sie einerseits mit ihrer abrüstungspolitischen Tradition gebrochen und andererseits die Bedeutung dieses Prozesses verkannt." Die Anwälte gegen Atomwaffen hatten sich vergeblich mit einem offenen Brief an Kanzlerin und Bundestag gewandt - mit drei sehr konkreten Forderungen: Unterzeichnung und Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertrages, keine Stationierung der neuen US-amerikanischen B61-12-Atombomben und keine Anschaffung von F18-Jagdflugzeugen, die als Kernwaffenträger eingesetzt werden sollen.

Appell zur Wiederbelebung der Vision einer Welt ohne atomare Bedrohung

Anders als die amtierenden deutschen Politiker setzten sich ihre Vorgänger parteiübergreifend für eine atomwaffenfreie Welt ein: Im Januar 2009 hatten die ehemaligen Spitzenpolitiker Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker, Hans-Dietrich Genscher und Egon Bahr in einer gemeinsamen Erklärung die Atommächte zu Gesprächen über Abrüstung aufgefordert. Die Vision einer Welt ohne atomare Bedrohung müssen wiederbelebt werden. Mit Nachdruck warnten sie vor dem Bau eines US-amerikanischen Raketenschildes in Polen und Tschechien, der das „Fundament der Stabilität in Europa“ gefährden würde. Doch ihre Warnungen und Forderungen verhallten ungehört. Die treuen Vasallen der USA in der deutschen Regierung setzen bis heute auf Konfrontation statt auf diplomatische Verständigung mit Russland und rückten mit der NATO immer näher an die russische Grenze, unter Missachtung einer gegenteiligen Zusage an Gorbatschow als Bedingung für die deutsche Wiedervereinigung. Seitdem ist das politische Klima schlimmer und bedrohlicher als im „kalten Krieg“ und die potenzielle Kriegsgefahr in Europa wächst.

Deutschland ist viertgrößter Kriegswaffen-Exporteur der Welt

In den vergangenen zehn Jahren exportierte Deutschland insgesamt Kriegswaffen im Wert von fast 17 Milliarden Euro, wie aus dem Rüstungsexportbericht der Bundesregierung hervorgeht. Die Genehmigungen für alle Rüstungsgüter lagen im selben Zeitraum bei mehr als 63 Milliarden Euro. Nach Angaben des Friedensforschungsinstituts Sipri war Deutschland im Zeitraum zwischen 2015 und 2019 der viertgrößte Waffenexporteur nach USA, Russland und Frankreich und damit für fast sechs Prozent des weltweiten grenzüberschreitenden Waffenhandels verantwortlich.

Steigerung der Rüstungsexporte um 40%

Allein in den ersten vier Monaten des Vorjahres 2020 hat Deutschland für fast eine halbe Milliarde Euro Kriegswaffen und Rüstungsgüter ins Ausland geliefert. Im vergangenen Jahr lagen die gesamten Rüstungsexporte bei 1,1 Mrd. €, was einer Steigerung von mehr als 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entsprach. Die Genehmigungen der Bundesregeierung für alle Arten von Rüstungsgütern waren zudem auf eine Rekordsumme von mehr als acht Milliarden Euro gestiegen, das sind 40% mehr als ein Jahr davor. Rüstungsexporte in Drittländer sind vor allem wegen Menschenrechtsverstößen in vielen dieser Staaten heikel, aber in Einzelfällen auch wegen Verwicklungen in regionale Konflikte. Bis Ende 2019 waren Algerien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar und Indonesien unter den zehn wichtigsten Empfängerländern der deutschen Rüstungsindustrie.

Permanente Verstöße gegen Regeln zum Waffenexport in Konfliktregionen

Deutsche Waffen schießen mit in den Konflikten der Welt. Das ist kein Zufall, sondern hat System - seit 30 Jahren. Deutschland verstößt permanent gegen Regeln zum Waffenexport, so eine aktuelle Studie im Auftrag von Greenpeace. Deutschland genehmigt und exportiert Kriegswaffen und Rüstungsgüter in Kriegs- und Krisenländer, in Staaten mit Menschenrechtsverletzungen und in Spannungsregionen.

In der aktuellen Studie der hessischen Friedensforscher werden auch konkrete Fälle genannt, in denen Deutschland explizit gegen die Standards verstoßen habe, die eigentlich innerhalb der Europäischen Union bei Rüstungsexporten gelten. Zu diesen Standards gehörten die "Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch das Endbestimmungsland" sowie die "Aufrechterhaltung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in einer Region". Auch im Bürgerkriegsland Jemen werden jedoch Waffen benutzt, die aus Deutschland stammen. Seit 1971 gilt ein striktes Verbot, Waffen in solche Länder zu liefern.

Deutsche Rüstungsindustrie ist auf dem Vormarsch

Nach dem Zweiten Weltkrieg verboten die Alliierten den Deutschen die Rüstungsproduktion. Nie wieder sollte von deutschem Boden ein Krieg ausgehen. Doch das auf der Potsdamer Konferenz beschlossene Verbot währte nur kurz. Die westlichen Staaten brauchten die Bundesrepublik im Klaten Krieg als wehrhaften Verbündeten. So kam es, dass das eigentlich entmilitarisierte Land bereits im Mai 1955 wieder eine eigene Armee bekam und der Nato beitrat.

Auch die deutsche Rüstungsproduktion und der Waffenexport wurden stillschweigend wieder erlaubt. Zwischenzeitlich besaß die Bundesrepublik sogar ein eigenes Rüstungsunternehmen: die Firma Fritz Werner, die sowohl Munition produzierte als auch schlüsselfertige Munitionsfabriken in anderen Ländern baute. Heute hat die Bundesrepublik Aktien-Anteile am Rüstungskonzern Airbus. Sämtliche deutschen Waffenfirmen sind in privater Hand, wobei manche Firmen großen Konzernen angehören, während andere im Familienbesitz sind. Gemeinsam ist allen, dass sie international gut im Geschäft sind.

Rekordumsätze: Rüstungsindustrie kennt keine Krise – Gewinne explodieren

Das schwedische Friedensforschungsinstitut Sipri bezifferte den Gesamtumsatz der 25 größten internationalen Rüstungsunternehmen im Jahr 2019 auf insgesamt 361 Milliarden US-Dollar (298 Milliarden Euro). Das sind 8,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Summe entspricht dem 50-Fachen des Jahresbudgets der weltweiten UN-Friedensmissionen. Das große Geld mit dem Krieg und dem Leid der Menschen sorgt für Rekordumsätze.

Gute Geschäfte mit Waffen und Munition haben auch dem deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall (mit zwei Ex-Ministern aus der Bundesregierung als Lobbyisten) kräftige Gewinnsprünge z. B. in 2017 beschert: Der Überschuss stieg um 32 Prozent auf 200 Millionen Euro. Umsatz und Gewinn der Rüstungssparte wuchsen um mehr als zehn Prozent und wurden teilweise an die zufriedenen Aktionäre über erhöhte Dividenden weitergegeben. Die Rheinmetall-Aktie kletterte auf Rekordhoch. In 2015 steigerte der Konzern seinen Gewinn um 181%. Auch Heckler & Koch ist wieder in der Gewinnzone In den nächsten Jahren dürfte das Rüstungsgeschäft sich beleben, wie Börsenexperten voraussagen.

Eine europäische Armee zusätzlich zur NATO und Bundeswehr?

Die Rüstungsindustrie hat nun die EU als erweitertes Betätigungsfeld im Blick: Bereits zu Beginn der 1950er-Jahre wurden mit der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft konkrete Vorhaben für eine supranationale Europaarmee verfolgt, die jedoch damals zugunsten der Westeuropäischen Union als zwischenstaatliches Verteidigungsbündnis zunächst fallen gelassen wurde. Seit Anfang des Jahres 2000 wird jedoch erneut über das Thema diskutiert und etwa im Rahmen der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit aktiv vorangetrieben.

Durch die Beistandsklausel im Lissabon-Vertrag und die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in deren Rahmen regelmäßig gemeinsame Militärmissionen durchgeführt werden, sind die Streitkräfte der Europäischen Union schon heute stark miteinander verwoben. Seit dem Ukraine-Konflikt ist die Idee der Europa-Armee wieder aufgeflammt und hat sogleich eine Kontroverse über den Nutzen einer derart weitreichenden Integration europäischer Streitkräfte ausgelöst.

„Stärkung der militärischen Verteidigungsfähigkeit Europas“

Stolz berichtet die EU auf der Website des dem Europäischen Parlaments: „Obwohl die Verteidigung eine ausschließliche nationale Zuständigkeit bleibt und es auch keine EU-Armee gibt, wurde in letzter Zeit viel getan, um die Verteidigungszusammenarbeit zu fördern. Seit 2016 wurden im Bereich der Sicherheit und Verteidigung der EU mit mehreren Initiativen zur Förderung der Zusammenarbeit und zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit Europas erhebliche Fortschritte erzielt. Die Europäer sehen die EU als Garant für Sicherheit und Frieden.“

Eine auf diese Weise verstärkte Europäische Union würde in der künftigen multipolaren Welt einen ernst zu nehmen „Pol“ bilden, der neben wirtschaftlichem auch militärischen Einfluss geltend machen könnte, so sehen es die Befürworter einer eigenen Europäischen Armee, deren Vorstellungen noch viel weiter gehen und vor allem im Sinne der Rüstungslobby im Blick haben, dass „von einer effizienteren Nutzung der Verteidigungshaushalte auch die rüstungsindustriellen Fähigkeiten profitieren, da deutlich mehr Geld für militärische Investitionen zur Verfügung stünde“. Das ist die heutige Denkweise der EU, die im Dezember 2012 den Friedensnobelpreis erhielt.

Planspiele über die Funktionsweise der Europäischen Armee

Für die zuvor zitierte deutsche „Bundesakademie für Sicherheitspolitik“ geht es bei der Einrichtung einer europäischen Armee offenbar nur noch Klärung von Detailfragen:

„Soll die Europa-Armee aus nationalen Streitkräften bestehen, die ähnlich wie bei der NATO einem gemeinsamen Kommando assigniert werden – geht es also primär um Souveränitätsverzicht? Oder meint man eine kleine Streitmacht, die von einem der Organe der EU – etwa der Kommission – aufgestellt und finanziert wird und diesem untersteht?

Soll die Europa-Armee die einzige in der EU existente Streitmacht sein oder soll es neben einer gemeinsamen Armee auch weiterhin nationale Streitkräfte für nationale Aufgaben geben? Von welchem Grad der Europäischen Integration wird ausgegangen? Wer entscheidet über den Einsatz der Europa-Armee – ist es der Europäische Rat, die Kommission oder das Europaparlament? Welche Rolle sollen die nationalen Parlamente haben? Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung spricht von einer „parlamentarisch kontrollierten europäischen Armee“, erläutert aber nicht, ob der Bundestag oder das Europaparlament gemeint ist.“

„Kraftvolles Signal gegen Russland“

„Das Konzept einer Europa-Armee – in welcher Form auch immer – ergibt sich aus der Logik der europäischen Integration hin zu einer politischen Union. Eine Union, die sich auf eine gemeinsame Währung einigen konnte, kann nicht das Militär dauerhaft unter nationaler Kontrolle belassen“, so formuliert es die deutschen Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Und weiter: „Damit würde man der europäischen Idee einen Schub verleihen. Auch könnte dies – wie von Jean-Claude Juncker vorgebracht – ein kraftvolles Signal an Russland senden. Auch ergibt sich der Gedanke einer gemeinsamen Streitmacht nahezu automatisch, wenn man den Gedanken des „Pooling and Sharing“ – also der Bündelung der vorhandenen militärischen Fähigkeiten – zu Ende führt. Evident ist ebenfalls, dass gemeinsame Streitkräfte effizienter wären als die nationalen Armeen, da Redundanzen auf allen Ebenen vermieden würden.“

Mehr Geld für Rüstung, weniger deutsche Parlamentsbeteiligung?

Mit Blick auf die Forderungen der USA nach Aufstockung der deutschen Rüstungskosten heisst es: „ Eine NATO-kompatible Europa-Armee wäre ein wichtiges Element transatlantischer Lastenteilung. Sie würde somit langjährigen Forderungen der USA nach mehr „Burden Sharing“ Rechnung tragen. Schließlich würden gemeinsame Streitkräfte die EU-Mitglieder zwingen, ihre nationalen Entscheidungsprozesse zu harmonisieren, um so die Reaktionsfähigkeit zu erhöhen. Damit müsste eine tragfähige Regelung für den deutschen Parlamentsvorbehalt gefunden werden.“ Richtig erkannt hat man den möglichen Gegenwind und die Besorgnis aus der Friedensbewegung: „Ideen von noch mehr europäischer Gemeinsamkeit im sicherheitspolitischen Bereich würden den Euroskeptikern Aufschwung geben.“

Eigener EU-Verteidigungsfond mit erhöhten Militärausgaben?

Die von der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) veröffentlichten Zahlen über die Militärhaushalte der EU-Mitgliedstaaten zeigen ganz deutlich: Von unterfinanzierten Armeen kann in Europa keine Rede sein, ganz im Gegenteil. So beliefen sich die Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten im Jahr 2018 zusammengenommen auf 223,4 Milliarden Euro. Dabei handelt es sich nicht nur um eine deutliche Steigerung gegenüber den 214 Milliarden Euro des Vorjahres, sondern auch der Gesamttrend geht deutlich nach oben.

Dennoch drängt die EU unter Kommissionschefin Frau von der Leyen auf einen eigenen Verteidigungsfonds, um die EU-Militärausgaben zu erhöhen und „besser zusammenarbeiten“, um für „mehr Effizienz in der europäischen Rüstungspolitik zu sorgen“. Doch die USA torpedieren das Vorhaben. Dabei geht es offenbar um Zugang für die US-Waffenindustrie. Kontroversen gibt es aber nicht nur über die finanzielle Ausstattung des eigenen EU-Verteidigungsfonds, sondern ein solcher Fond wäre nach Meinung von Verfassungsrechtler gar nicht vereinbar mit dem Europäischen Recht. Bereits in 2018 gab es Streit, weil die EU mit 13 Milliarden Euro Rüstungsprojekte fördern wollte und das Geld am EU-Parlament vorbei ohne parlamentarische Kontrolle vergeben werden sollte.

Zivile Sicherheitspolitik: Friedensbewegung muss stärker werden

Der krisenhafte Zustand der Welt und das Vordringen der militärischen Gedankenwelt in die Köpfe auch der westlichen Politiker, für die schleichend der Militäreinsatz als denkbares Mittel der Wirtschafts- und Machtpolitik gilt, ist ein bedenklicher Sieg der Rüstungslobby. Der Weg von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik ist noch weit und steinig. Er muss aber jetzt begangen werden mit einer viel stärkeren und hörbareren Friedensbewegung für Abrüstung, gegen Rüstungsexporte und atomare Bedrohung.

Wilhelm Neurohr, 14. März 2021