Wilhelm Neurohr

„Hinter den Kulissen der „Münchener Sicherheitskonferenz – Das Schweigen der Medien“

Die 55. „Münchener Sicherheitskonferenz“ vom 15. bis 17. Februar 2019 nimmt in der Berichterstattung der Medien wieder breiten Raum ein. Das ist gut so, denn sie nimmt für sich in Anspruch, die Modelle künftiger Weltordnung zu erörtern. Doch guter oder schlechter Journalismus erweist sich allein darin, inwieweit alle Zusammenhänge und Hintergründe dieser Konferenz hinreichend gewürdigt werden, ebenso die kritischen Seiten des weltweit größten Treffen seiner Art. Hier sehe ich erhebliche Defizite und grobe Versäumnisse in der Berichterstattung und Kommentierung über die skandalösen Geschehnisse hinter den Kulissen.

Die Tatsache, dass unter den ausgewählten 600 Teilnehmern und Teilnehmerinnen in diesem Jahr 35 Staats- und Regierungschefs sowie 50 Außenminister und 35 Verteidigungsminister aus aller Welt vertreten waren, verleiht der Konferenz zwar so etwas wie einen offiziellen Anstrich. Dies umso mehr, als auch wieder unsere Bundesregierung mit der Bundeskanzlerin und 5 Ministerinnen und Ministern von CDU und SPD dort präsent war.

Dass sich jedoch die Mehrzahl der geladenen Gäste aus Vertretern der Wirtschaft, der Rüstungsindustrie und hochrangiger Militärs zusammensetzt und die Tagung zugleich das einzige Treffen der weltweit wichtigsten Geheimdienstchefs ist, geht zumeist in der Berichterstattung unter. Und wo findet man schon den aufschlussrechen Hinweis darauf, dass die privat organisierte Tagung zu 90 Prozent von führenden deutschen Wirtschaftunternehmen und von Rüstungskonzernen bezahlt wird? Organisiert wird sie von dem Münchener Unternehmen „Stiftung Münchener Sicherheitskonferenz GmbH“, die als „gemeinnützig“ anerkannt ist.

In deren Beirat sitzen u. a. der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank, die Vorstandsvorsitzenden der Allianz-Versicherung, der Airbus Group, des Energiekonzerns ENBW, der Rüstungsfirma Kraus-Maffei-Wegmann sowie ein ehemaliger NATO-Kommandeur, nebst der deutschen Verteidigungsministerin von der Leyen und dem pensionierten bayrischen Ex-Regierungschef Stoiber – eine illustre Gesellschaft - ohne Berührungsängste und Interessenkonflikte zwischen Politik, Wirtschaft und Militär? Das zeigte sich schon beim Seitenwechsel der Ex-Minister Niebel (FDP-Entwicklungsminister) und Jung (CDU-Verteidigungsminister) als Lobbyisten zum Rüstungskonzern Rheinmetall.

Sponsoring durch Konzerne

Dieser gemischte Beirat bestimmt auch den jeweiligen Teilnehmerkreis der jährlichen Sicherheitskonferenz. Zumeist buhlen die Teilnehmer regelrecht um den Zutritt zu dieser exklusiven Veranstaltung, darunter auch stets die Vorstandschefs der großen Konzerne. Das lässt sich die Wirtschaft auch etwas kosten. Zu den Sponsoren gehören in diesem Jahr die „Waffenschmieden“ wie Krauss-Maffei Wegmann, MBDA Raytheon, Hensoldt oder Blockheed Martin, außerdem der Technologiekonzern Linde AG, der Versicherungskonzern Allianz SE, BMW und die Robert-Bosch-Stiftung als beteiligte Veranstaltungspartner.

Das hält unsere Bundesregierung nicht davon ab, zusammen mit der bayrischen Landesregierund und der Stadt München ebenfalls über eine Million Euro als „Projektförderung“ für Personal und Sachkosten aus öffentlichen Steuergeldern beizusteuern, plus den kostenlosen Einsatz von über 4.000 Polizisten zum Schutz der erlauchten Gäste.

Vor allem die Tatsache, dass es jenseits des offiziellen Hauptprogramms um das Wesentliche geht, nämlich um gute Geschäfte, bleibt in den Medien unerwähnt. Denn die ergänzenden Meetings neben der Hauptkonferenz sind das Wesentliche. Dort wurde zuletzt eng zusammengearbeitet z. B. mit der Spitzen der Telekom, der Deutschen Bank, des Baukonzerns Bilfinger Berger, der Energieversorgers RWE und E.ON und anderen.

Wie dreist ein deutscher Rüstungskonzern – dessen Vorstandsvorsitzender im Beirat der „Stiftung Münchener Sicherheitskonferenz GmbH“ sitzt und die Konferenz finanziell sponsert – die Bundesregierung am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz öffentlich unter Druck setzt, ist bislang beispiellos:

https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/militaer-verteidigung/id_85263444/airbus-chef-enders-kritisiert-deutsche-ruestungspolitik-scharf.html

Er verurteilt die moralisierenden Deutschen bei Rüstungsexportgeschäften in Krisenregionen und fordert eine Lockerung der Restriktionen bei den Rüstungsexporten, möglichst europaweit nach französischem Vorbild (hier hatte Frau Merkel jüngst im Aachner vertrag mit Macron kürzlich Lockerungen bereits zugestanden). Vor allem möchte Airbus führend werden bei den künftigen Kampfdrohnen für die Bundeswehr und die europäische Verteidigungsunion. Bei Frau van der Leyen rennt er damit bereits offene Türen ein, die ohnehin die Verteidigungsausgaben verdoppeln möchte zur Förderung der „militärischen Kultur“ in Europa...

Nicht der weltweite Austausch der „Sicherheitsexperten“ ist also das vorrangige Anliegen der Münchener Sicherheitskonferenz, sondern eben die hier genannte Beeinflussung der Politik durch die Rüstungslobby, die massiven Druck auf die Politik ausübt. Dass die Eliten im bayrischen Hof, bezahlt von der Rüstungslobby, dabei auf das störende Volk als Souverän keine Rücksicht nehmen wollen, versteht sich von selbst…

Wen wundert es, dass die Zivilgesellschaft wieder Gegenaktionen der Rüstungsgegner und eine „Friedenskonferenz“ in München organisiert, wohl wissend, dass die Medienaufmerksamkeit darauf kaum gerichtet wird. Dabei geht es um so wichtige Fragen wie die anhaltenden Verstöße gegen die Rüstungsexportrichtlinien, etwa auch durch Rheinmetall und insbesondere durch Heckler & Koch. Hier kam beim laufenden Gerichtsverfahren zur Sprache, dass Beamte des Bundeswirtschaftsministeriums der Rüstungsfirma Tipps gegeben hatten, wie man die Exportrichtlinien legal umgehen kann. So macht sich die Nähe zwischen Politik und Rüstungswirtshaft auch auf der Münchener Sicherheitskonferenz bezahlt. Dies alles verträgt keine Medienöffentlichkeit, denn die Medien sind Teil des Netzwerkes, wie etwa 2013 die „Frankfuter Allgemeine“ als Mitveranstalter des begleitenden „Energy Securita Summet“…

Wilhelm Neurohr