Wilhelm Neurohr

Das JEFTA-Freihandelsabkommen -

ein weiterer undemokratischer Akt der EU gegen das Allgemeinwohl zugunsten von Großunternehmen

Mit der Verabschiedung des umstrittenen JEFTA-Abkommen am 12. Dezember durch das EU-Parlament hat die EU-Kommission gezeigt, dass sie aus dem großen Widerstand von Millionen EU-Bürgern gegen TTIP, CETA, TiSA & Co. nichts gelernt hat - und vor der Europawahl die Bürgerinnen und Bürger weiter gegen sich aufbringt. Stolz verkündet sie in Zeiten der Trump´schen Handelskriege, dass mit dem bilateralen EU-Wirtschaftpakt mit Japan die größte Freihandelszone der Welt bald in Betrieb geht. Und besonders stolz ist die EU darauf, dass es ihr gelungen ist, die demokratische Beteiligung der 27 Nationalparlamente geschickt zu umgehen, indem sie solche Punkte ausgeklammert hat, die das erforderlich gemacht hätten. So zum Beispiel die umstrittenen privaten Schiedsgerichte als Sondergerichtsbarkeit zugunsten ausländischer Großkonzerne.

Die EU-Handelskommissarin Malmström, eine Meisterin der geheimen Hinterzimmer-Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, behauptet, der JEFTA-Pakt bringe unseren Unternehmen, Landwirten und Dienstleistern angeblich klare Vorteile, einhergehend mit der Verpflichtung zu höchsten Standards für die Arbeitnehmer, Verbraucher und die Umwelt. Auch in sämtlichen Leitmedien einschließlich der öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunksender wurde dieser Mythos verbreitet. Die EU-Kommission, verschiedene Abgeordnete des Europäischen Parlaments und deutsche Politiker sowie viele Konzerne – sie alle sehen im Handelsabkommen der EU mit Japan ausschließlich Vorteile: Die Wirtschaft soll dadurch weiter wachsen, angeblich gelten höchste Standards.

Was dabei jedoch kleingeredet wird, sind die möglichen Risiken, die sich durch JEFTA für Mensch und Umwelt ergeben. Die Organisation Lobbycontrol hat die Aussagen verschiedener Institutionen und Personen zu JEFTA unter die Lupe genommen und festgestellt: Wunsch und Wirklichkeit des EU-Japan Handelsabkommens klaffen weit auseinander (Siehe pdf-Datei links nebenstehend oder: ( https://www.lobbycontrol.de/2018/12/jefta-entzaubert-neun-mythen-ueber-das-eu-abkommen-mit-japan/ ).

Privatisierungsdruck für öffentliche Dienstleistungen und Wasserversorgung

In Wirklichkeit werden nicht nur soziale und ökologische Standards auzfgeweicht, wie das Netzwerk "gerechter Welthandel" feststellt, sondern öffentliche Dienstleistungen und die öffentliche Wasserversorgung geraten unter Privatisierungsdruck. Auch der enthaltene Hinweis auf das Pariser Klimaabkommen sind "nur schöne Worte", wie Kritiker aus dem EU-Parlament bemerken, von denen immerhin 152 gegen das JEFTA-Abkommen gestimmt haben bei 40 Enthaltungen, aber leider 474 Zustimmungen.

In einem Kommentar in der taz vom 13.12.2018 bringt es Anja Krüger treffend auf den Punkt: "Bei JEFTA oder CETA geht es nicht um leichteren Handel für alle im Interesse des Gemeinwohls. Es geht um politische Weichenstellungen - zugunsten von Großunternehmen. Diese Abkommen räumen Konzerninteressen Vorrang ein, sie ebnen den Weg für eine noch krassere Ausbeutung von Mensch und Natur. Denn soziale und ökologische Standards spielen keine Rolle, während die Interessen von großen Unternehmen und ihre Einflussnahme auf politische Entscheidungen abgesichert werden. So erhalten die Konzerne die Möglichkeit, auf Gesetze Einfluss zu nehmen, bevor Abgeordnete von dem Vorhaben erfahren. Aus guten Gründen sind viele Menschen gegen diese Abkommen. Sie sind gegen noch mehr Einfluss für große Unternehmen und durchaus für mehr Handel, aber eben fairen". (Hoffentlich sind die Menschen bereit, dafür wieder zu Hunderttausenden auf die Straße zu gehen wie bei TTIP und CETA, so kann man nur wünschen).

Die EU-Kommission sei sich sehr schlau vorgekommen, als sie das in Hinterzimmern "ausbaldowert" habe, bemerkt die Kommentatorin weiter: "Die EU-Kommission nimmt den Protesten die Angriffsfläche, indem sie den Zwang zur Ratifizierung über die nationalen Parlamente unterläuft. Das ist undemokratisch, und das ist fatal. Denn es bringt die Menschen auf gegen die EU. Dabei braucht der Kontinent angesichts der Gefahr von rechts das Gegenteil: RepräsentantInnen, die Menschen für die Idee eines geeinten Europa gewinnen."

Dem ist nichts hinzuzufügen, außer der Warnung vor dem absehbaren Katzenjammer (mitsamt Krokodilstränen) nach dem Europawahltag am 26. Mai 2019, den sich die kriselnde, aber unbelehrbare neoliberale EU-Elite selber zuzuschreiben hat, weil sie sämtliche bisherigen Warnschüsse ausgesessen hat. Betroffen aber sind wir alle. Denn es ist unser Europa und nicht das der Eliten. Deshalb kann Europa nur demokratischer werden oder es wird gar nicht mehr sein. Aber Demokratie und Neoliberalismus verhalten sich so unvereinbar wie Feuer und Wasser - deshalb gibt es nach dem 26. Mai wohl allerlei zu löschen, so ist zu befürchten, denn die JEFTA-Befürworter gehören zu den Brandstiftern.

Wilhelm Neurohr

Anhang:

Das „Netzwerk gerechter Welthandel“ schreibt dazu:

"Gestern hat das EU-Parlament in Straßburg über das Handelsabkommen der EU mit Japan abgestimmt. 474 Abgeordnete stimmten dafür, 152 stimmten dagegen, es gab 40 Enthaltungen. Damit ist das Abkommen mit großer Mehrheit angenommen und kann ohne weitere Ratifizierung in den EU-Mitgliedstaaten vollständig in Kraft treten – voraussichtlich bereits am 1. Februar 2019. Wie die deutschen Abgeordneten abgestimmt haben, können Sie unserem Blogbeitrag entnehmen. Die Mitglieder der linken und grünen Fraktion votierten mehrheitlich gegen, die Abgeordneten von CDU/CSU geschlossen für JEFTA. Auch die Abgeordneten der SPD stimmten – von wenigen Ausnahmen abgesehen – für das Abkommen. Dabei hatte es insbesondere in der sozialdemokratischen Fraktion im Vorfeld noch ernsthafte Diskussionen darüber gegeben, die Abstimmung zu verschieben. Denn Japan hat zwei der acht ILO-Kernarbeitsnormen nicht ratifiziert, und JEFTA enthält keinen Durchsetzungsmechanismus oder Sanktionsmöglichkeiten für das Nachhaltigkeitskapitel. Die in JEFTA enthaltenen Bekenntnisse zu Arbeitsstandards, Umwelt- und Klimaschutz können somit nicht wirksam umgesetzt werden und bleiben wohlklingende, aber folgenlose Versprechungen. JEFTA enthält keine Regelungen zum Investitionsschutz, die Verhandlungen zu einem gesonderten Abkommen werden fortgesetzt.

JEFTA ist das bislang größte Handelsabkommen, das die EU abschließend verhandelt hat. Die beiden Wirtschaftsräume umfassen mehr als 600 Millionen Menschen und rund ein Drittel des globalen Bruttoinlandsproduktes. Befürworter*innen stellen das Abkommen als Wachstumsmotor und als Alternative zum Trump’schen Protektionismus dar. Doch beides entspricht nicht der Realität: Eine Studie der EU-Kommission schätzt den Wachstumseffekt auf gerade einmal 0,14 Prozent bis zum Jahr 2035. Und nur weil die Trump’sche Abschottungspolitik und die Erhebung von Strafzöllen zu verurteilen ist, ist das vermeintliche Gegenteil noch lange nicht gut, wie Greenpeace in einem Artikel zur JEFTA-Entscheidung darlegt. JEFTA ist stattdessen „Protektionismus für Konzerne“, sagt LobbyControl, und weit davon entfernt, für hohe Arbeits- und Umweltstandards zu sorgen. Unsere Bewegung steht hingegen für eine global gerechte und solidarische Handels- und Investitionspolitik, die Mensch und Umwelt dient statt den Interessen großer Konzerne. Weitere aktuelle Informationen zur JEFTA-Abstimmung und unserer Kritik gibt es unter anderem noch beim BUND und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft.

Auch wenn die letzte Sitzung des Europaparlaments in diesem Jahr für uns mit einer handelspolitischen Niederlage geendet hat – wir bleiben weiter dran und werden uns auch 2019 für eine Kehrtwende in der Handelspolitik einsetzen. Am 19. Januar beteiligen wir uns wieder an der „Wir haben es satt!“-Demonstration in Berlin, denn die Handelsabkommen der EU tragen maßgeblich zur Zerstörung von lokalen Märkten und der Existenzgrundlage von Kleinbauern und -bäuerinnen bei. Wir werden uns in den EU-Wahlen zu Wort melden; und wir werden uns an einer EU-weiten Kampagne beteiligen mit dem Ziel, die umstrittenen Sonderklagerechte für Konzerne endgültig abzuschaffen und Konzerne stattdessen stärker zur Einhaltung von Menschenrechen, Umwelt- und Sozialstandards zu verpflichten"

Bedenken haben Kritiker des Abkommens mit Blick auf die intransparenten Verhandlungen, mangelnden Datenschutz, zu viele Befugnisse für Lobbyisten, zu wenig Einfluss nationaler Parlamente, zahlreiche Sonderausschüsse, Negativlisten für Dienstleistungen, erschwerte Kontrollen von Lebensmittelimporten sowie mangelnden Fokus auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz. „Das bisher größte Handelsabkommen der EU erfordert eine viel umfassendere Überprüfung, als es momentan bekommt“, betont das Netzwerk, dem auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) angehört.

LOBBYCONTROL schreibt :

- Köln, 12.12.2018 – Das Europäische Parlament hat heute das umstrittene Handelsabkommen JEFTA zwischen der EU und Japan ratifiziert. LobbyControl hat den Ratifizierungsprozess über Monate kritisch begleitet und eine Ablehnung von JEFTA in dieser Form gefordert. Max Bank, Handelsexperte bei LobbyControl, kommentiert:

“Die JEFTA-Befürworter sehen in dem Abkommen ein Zeichen gegen Protektionismus. Das Gegenteil ist der Fall. JEFTA ist Protektionismus für Konzerne. Mit dem Abkommen bekommen Unternehmen inakzeptable Privilegien, etwa durch die regulatorische Kooperation, über die Lobbyisten auf Gesetze einwirken können, bevor die Parlamente sie zu Gesicht bekommen.”

Bank weiter: “Um das Abkommen durchzusetzen, hat die Kommission JEFTA systematisch schöngeredet, beschrieb es zum Beispiel als Wirtschaftsmotor. Tatsächlich kommt die Kommission in einer Studie selbst zum Ergebnis, dass JEFTA einen einmaligen Wachstumseffekt von gerade mal 0,14 Prozent bis zum Jahr 2035 bringt. Hinzu kommt, dass JEFTA das Vorsorgeprinzip nicht absichert. Damit könnten Produkte auf den Markt kommen, die für Verbraucher und Umwelt gefährlich sind.“

Der DGB schrieb schon im Juli 2018:

"Die verantwortlichen Akteure haben offensichtlich wenig aus den gesellschaftlichen Debatten rund um TTIP und CETA gelernt. Viele unserer damaligen Kritikpunkte treffen auch auf das Japan-Abkommen zu, beispielsweise die unzureichende Ausnahme von Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge und das zahnlose Nachhaltigkeitskapitel. Investitionsschutzbestimmungen wurden in ein separates Abkommen ausgegliedert – was dabei herauskommt, ist noch offen.

Im Kerntext des Japan-Abkommens findet sich kein vollständiger und rechtssicherer Schutz für die Daseinsvorsorge. Vorgesehen sind lediglich diverse partielle Ausnahmen auf Negativlisten, die unnötige Schlupflöcher lassen. Auch beim Nachhaltigkeitskapitel weist das Japan-Abkommen die gleichen Probleme auf wie CETA – u.a. sind Verstöße gegen dieses Kapitel erneut von der allgemeinen Streitbeilegung ausgenommen und nicht sanktionsbewehrt.

In den Zusatzerklärungen des CETA-Abkommens war eine Überprüfung des Nachhaltigkeitskapitels angekündigt worden, die auch eine ergebnisoffene Diskussion zum Thema wirtschaftlicher Konsequenzen bei Verstößen gegen Arbeitnehmerrechte beinhalten sollte. Diese Debatte um die Ausgestaltung von Nachhaltigkeitskapiteln ist aus unserer Sicht längst nicht abgeschlossen. Deren Ergebnisse sollten nicht nur für CETA, sondern für alle zukünftigen Handelsabkommen der EU gelten".