Wilhelm Neurohr

Windenergie-Planung des Regionalverbandes Ruhr

Erneute Diskussion um Windräder:

Haltern und Dorsten sollen 44 % der Windenergiebereiche für die 53 Ruhrgebiets-Kommunen aufnehmen

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HALTERN AM SEE. Mit der 1. Änderung des Regionalplanes Ruhr für die Windenergie ist bei den besonders betroffenen Städten eine neue Debatte über die unausgewogene Standortverteilung entbrannt: Allein die Städte Haltern und Dorsten als „Flächenstädte“ sollen mit 1.172 Hektar rund 44% der Windenergiebereiche für die 53 Städte des gesamten Ruhrgebietes (und 80% der Flächen für den Kreis Recklinghausen) abdecken, die meisten davon in den Erholungswäldern im Kernbereich des Naturparks Hohe Mark mit insgesamt 20 Flächen in der regional bedeutsamen Kulturlandschaft. Selbst bei bisherigen Befürwortern der Windenergie, wie z.B. auch der SPD- Ratsfraktion in Haltern und vielen Halterner Bürgern, gibt es daraufhin Akzeptanzprobleme wegen der unausgewogenen Standort- und Lastenverteilung in der Region mit überproportionaler Belastung von Haltern. Von 41 Standorten im Kreisgebiet entfallen 32 auf Haltern und Dorsten.

Die Stadtverwaltung (mitsamt CDU-Fraktion) und vor allem die grüne Ratsfraktion in Haltern wie auch in Dorsten, begrüßen es hingegen mit Stolz, dass ihr Stadtgebiet zur „Steckdose des Reviers“ wird und betonen die finanziellen Vorteile für die Kommune und die Bürger. Sie sehen es im Interesse einer klimaneutralen Region als ihre „ehrenwerte Verpflichtung für die Nachbarstädte“ an, damit die Transformation zu erneuerbaren Energien voranzutreiben. Den Regionalverband hat die Bereitschaft der Stadt Haltern gefreut: Er kann mit seinen Plänen so den „Weg des geringsten Widerstandes“ gehen und zugleich seinen eigenen 5.500 ha großen Haard-Kiefernwald komplett schonen. Dagegen lehnen Wählergemeinschaft und FDP in Haltern die Pläne ab und sprechen von „Verspargelung der Landschaft“ angesichts von bereits 30 vorhandenen und genehmigten sowie weiteren 8 beantragten Windrädern im Halterner Stadtgebiet. Weitere sollen folgen.

In den übrigen 8 Städten des Kreises sind insgesamt nur 121 ha Windvorrangflächen vorgesehen. Zu den insgesamt 99 vorhandenen Windrädern im Kreisgebiet Recklinghausen sind 37 neue beantragt, die meisten in Haltern. Die gesamten übrigen 43 Ruhrgebietsstädte teilen sich zusammen 113 Windenergiebereiche mit insgesamt 1.520 ha Fläche. Auffällig wenig belastet mit Standorten werden die Städte im Ostvest (Datteln, Oer-Erkenschwick, Waltrop), aber auch die Flächenstädte am gesamten Niederrhein, im östlichen Ruhrgebiet sowie im bergischen Raum des Ennepe-Ruhr-Kreises im südlichen Ruhrgebiet, wenn man die hochverdichteten Städte im Ballungsraum einmal außen vor lässt. Auch für viele Windkraftbefürworter stellt sich die Frage einer ausgewogenen Verteilung und Abwägung bei der Standortsuche durch den Kommunalverband.

Der Wind weht zukünftig vor allem im Norden des Reviers, in der beliebten touristischen Erholungslandschaft nördlich der Lippe für die 5 Mio. Revierbewohner, (wo schon mal ein Windrad in der Hohen Mark 2021 spektakulär zusammengebrochen ist). Der Regionalverband (RVR) plant mit insgesamt 2.714 ha sogar mehr Windzonen im Revier als die vom Land geforderten 2.036 ha, um planerische Spielräume zu haben. Ursprünglich sah der Regionalplan vor der Änderung nur 1.215 ha insgesamt für das Ruhrgebiet vor. Fast so viel ist nunmehr alleine für Haltern und Dorsten vorgesehen. Seit dem 20. Januar läuft das 6-wöchige Beteiligungsverfahren auch für die Bürgerschaft. Die Halterner Zeitung titelte in ihrem Bericht über die Sondersitzung des zuständigen Rats-Ausschusses am 06.02.2025 über die Windenergie-Planung: „Applaus, aber auch Frust über die Zerstörung der Landschaft“.

„Keine ausgewogene Verteilung möglich“

Im Regionalplan ist zu lesen: „Eine idealerweise ausgewogene Verteilung von Windenergiebereichen (WEB) über die Planungsregion ergibt sich aufgrund der sehr heterogenen Siedlungs- und Raumstruktur im Plangebiet nicht. Im Verdichtungsraum sind daher kaum Suchräume dafür vorhanden. Von den insgesamt 53 Verbandskommunen des Regionalverbandes Ruhr werden lediglich 30 Kommunen zu verschiedenen Anteilen mit WEB überplant. Die WEB befinden sich schwerpunktmäßig außerhalb des Verdichtungsraumes.“ Deshalb liegen laut Regionalplan die meisten der ermittelten Windenergiebereiche in den Kommunen im Kreis Recklinghausen.

Damit ist vor allem das Halterner und Dorstener Stadtgebiet betroffen. Mit 4,29 % am Stadtgebiet „besteht für die Stadt Haltern am See der größte prozentuale Wert in dieser Hinsicht“, so heißt es im Regionalplan. Und weiter: „Die Inanspruchnahme von Freiraumbereichen und -funktionen durch Windenergiebereiche als Freiraumkategorie ist unabwendbar. Eine "flächige oder bandartige Nutzung oder Barrierewirkung“ erfolge jedoch nicht. Eigentlich sollten „Bereiche, die sich in besonderem Maße für die Erholung eignen, nicht für Windenergiebereiche verplant werden", ist dem Regionalplan zu entnehmen..

„Erhebliche Umweltauswirkungen nicht ausgeschlossen“

Doch diesen eigenen Grundsatz verlassen die Planer des Regionalverbandes in der Hohen Mark. Sie gestehen selber ein: „Voraussichtlich bei vier Kriterien sind erhebliche Umweltauswirkungen zu erwarten: Naturschutzgebiete (Umfeld), Lärmarme Erholungsräume, Landschaftsbild, Regional bedeutsame Kulturlandschaftsbereiche.“ Damit sind Windräder ein durchaus erheblicher Eingriff in Natur und Landschaft, der jedoch hinzunehmen ist, obwohl laut Umweltprüfung für insgesamt 58 Windenergiebereiche " erhebliche Umweltauswirkungen" nicht ausgeschlossen werden konnten.

Der Regionalplan nimmt für sich folgendes in Anspruch: „Die planerische Steuerung
entspricht daher dem Anspruch einer geordneten räumlichen Entwicklung für die Windenergienutzung und schafft gleichzeitig eine wichtige Voraussetzung für die beschleunigte Produktion erneuerbarer Energien und damit einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiesicherung.“ Damit sind viele Gegenargumente ausgeschlossen. Der Bundestag hat am 31. Januar 2025 ein Gesetz für mehr Steuerung und Akzeptanz sowie Beschleunigung beim Windenergieausbau beschlossen, das nach Befassung im Bundesrat im März 2025 in Kraft treten kann. Darin werden auch Windkraftstandorte außerhalb der ausgewiesenen Vorranggebiete zugelassen, für die Investoren bereits einen Vorbescheid hatten.

Keine Beeinträchtigung der Kulturlandschaft im Naturpark Hohe Mark?

Eigentlich wollten die Planer noch viel mehr Flächen in der Hohen Mark für die Windkraft ausweisen, so vor allem einige Großflächen von 475 ha. Doch nach dem Umweltbericht haben sie diese zurückgenommen „wegen der zahlreichen nicht auszuschließenden Umweltauswirkungen“. Dies hätte „zu einer Überlastung des Teilraumes der Hohen Mark in Dorsten und Haltern am See geführt, indem u.a. das Landschaftsbild überfrachtet und überformt wird und wo überdurchschnittlich viele Schutzgüter betroffen wären.“ Auch sollte die „Ungleichverteilung in dem Halterner Kumulationsgebiet von Windkraftstandorten nicht noch weiter vorangetrieben werden“. Damit würden wohl auch die Touristenzahlen bei der naturnahen Erholung in der Hohen Mark deutlich zurückgehen und der erst kürzlich eingerichtet Abschnitt des "Hohe Mark-Steig" an Attraktivität für Wanderer verlieren.

Obwohl der Landesentwicklungsplan und der Regionalplan die als "Naturpark" fungierende Hohe Mark als vielfältige und weiter zu entwickelnde Kulturlandschaft ausweisen, seien Standortalternativen zu den 20 verbleibenden Flächen angeblich nicht gefunden worden. In der Abwägung heißt es: „Aufgrund der flächigen Ausdehnung der regional bedeutsamen Kulturlandschaftsbereiche und der Tatsache, dass sich in diesen Bereichen die Windenergie bereits teilweise durchgesetzt hat, wäre eine Anwendung als Ausschlusskriterium im gesamträumlichen Konzept nicht zielführend gewesen.“

Deshalb wurde der Windenergie anstelle der Kulturlandschaftsentwicklung entgegen den Grundsätzen des Regionalplanes der Vorrang eingeräumt. Der Regionalplan kommt zum regional bedeutsamen Kulturlandschaftsbereich „Waldgebiete der Hohen Mark“ in Haltern und Dorsten zu folgendem Fazit: „Der Windenergiebereich befindet sich vollständig und inmitten des Kulturlandschaftsbereichs. Es handelt sich u. a. um einen Bereich von großflächigen historischen Wäldern und bäuerlich genutzten Anteilen, durchgewachsene Niederwälder, und Hoflagen als Einzelhöfe und Drubbel. Aufgrund des Windenergiebereiches wird durch die Inanspruchnahme durch Windenergieanlagen (WEA) das Kulturlandschaftsgefüge insgesamt nicht verändert und bleibt erhalten.“

Vorrang der Windenergie trotz Beeinträchtigung des Landschaftsbildes

Auch die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes sei nachrangig und würde durch die Konzentration der Windenergieflächen „perspektivisch reduziert“. Eine Beeinträchtigung unzerschnittener verkehrsarmer Räume erfolge durch die punktuellen Eingriffe im Zuge der Errichtung von Windenergieanlagen angeblich nicht. Auch die Erhaltung des Freiraumes mit seinen Nutz-, Schutz-, Erholungs- und Ausgleichsfunktionen könne gleichwohl gesichert und entwickelt werden. Im Gegensatz dazu heißt es an anderer Stelle. Der „Wald der zentralen hohen Mark ist von herausragender Bedeutung. Für Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch WEA ist entsprechend des Windenergie-Erlasses ein Ersatz in Geld zu leisten“.

Das öffentliche Interesse an der Windkraft überwiegt laut Regionalplan gegenüber den Aspekten des Landschaftsbildes: „Die erneuerbaren Energien liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit“, so heißt es im Regionalplan. Deshalb „sind die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die Schutzgüterabwägung einzubringen.“ Im Regionalplan ist nachzulesen: „Bei den regionalen Kulturlandschaftsbereichen, die das häufigst betroffene Schutzgut darstellen, aber auch bei dem Schutzgut des Landschaftsbildes und den lärmarmen Erholungsräumen handelt es sich um sehr weiträumige, flächige Schutzgüter“, während der Bau von Windkraftanlagen nur punktuell Flächen in Anspruch nehme. So klingt das im Planer-Jargon.

Städtische Planungshoheit außer Kraft gesetzt?

Der Stadt Haltern war es selber nicht gelungen, Windvorranggebiete im Flächennutzungsplan seinerzeit auszuweisen und es entstand somit (im Einvernehmen zwischen Investoren und Landwirten und mit Genehmigung durch den Kreis) quasi „Wildwuchs“ an diversen Standorten ohne wirksame Rats- und Bürgerbeteiligung. Gegen zwei Windräder im Ortsteil Hullern plante die Stadt sogar eine Klage und forderte die Rücknahme der vom Kreis genehmigten Anlagen. Später dann erfolgte die Beteiligung der Stadt an der „Windenergie Haltern am See GmbH & Co. KG" mit der „Bürgerwind Haltern“ als Tochter und Energiegenossenschaft. Darum steht die Stadt den Planungen positiv gegenüber.

Im Regionalplan gilt jetzt nach den gesetzlichen Vorgaben der absolute Vorrang der privilegierten Windenergieanlagen vor anderen raumbedeutsamen Nutzungen, vor allem auch innerhalb der Windenergiebereiche, von denen einige als „Beschleunigungsgebiete“ ausgewiesen sind. Für diese gelten beschleunigte Zulassungsverfahren unter Verzicht auf Umweltschutz- und Artenschutzprüfungen etc. Höhenbeschränkungen für die Windenergieanlagen, die heutzutage über 250 m hoch sein können, etwa über bauleitplanerische Vorgaben, sind den Städten untersagt. Zulässig sind auch deutlich höhere Anlagen. Die Städte dürfen allenfalls die Vorranggebiete bauleitplanerisch konkretisieren.

Das Problem der Abstandsflächen und Schutzabstände zu Wohnbereichen

In Schutzgebieten sieht der Regionalplan allerdings „Minderungsmaßnahmen“ vor. Die Rotorflügel der Windräder dürfen auch Schutzgebiete und Waldbereiche überschreiten. Windenergiebereiche sollen außerdem als Flächen-Fotovoltaikanlagen genutzt werden (Doppelnutzung). Mit der Bündelung der Anlagen geht der Regionalverband von einer Minimierung negativer Auswirkungen durch Bau und Betrieb auf Menschen sowie Natur und Landschaft aus. Die Wirtschaftlichkeitsansprüche der Betreiber sollen erfüllt werden.

Zu Siedlungsgebieten wird laut Regionalplan ein Abstand von 660 m für den Immissionsschutz als hinreichend betrachtet, für kleinere Außenbereichssiedlungen sogar nur 550 m, für einzelne Wohngebäude im Außenbereich nur 400 bis 440 m Abstand, gleiches gilt für Freizeitanlagen und Campingplätze. Mit diesen Abständen soll eine Beeinträchtigung des Schutzgutes Mensch und insbesondere seiner gesunden Lebens- und Wohnverhältnisse als vermieden angesehen werden.
Auch wenn die Windräder näher an die Einzelhausbebauung heranrücken, als im Prüfraster vorgesehen, würde „dem Schutzgut Mensch einschließlich der menschlichen Gesundheit (Wohnen) dennoch Rechnung getragen“. Für gewerblich- industrielle Nutzungen reicht ein Abstand von 75m. Eine „Umzingelung“ von Ortslagen mit Windkraftanlagen soll vermieden werden, um keine „bedrückende Wirkung“ auszulösen.

Zielkonflikte zwischen Landschafts- und Naturschutz und Windkraftanlagen

Naturschutzgebiete und besonders geschützte wertvolle Landschaftsteile etc. sind zwar von Windkraftstandorten ausgenommen, weil diese nicht mit den Schutzzwecken der Naturschutzgebiete vereinbar sind. Doch gesteht der Regionalplan, dass regelmäßig davon auszugehen ist, dass Zielkonflikte zwischen der Windenergienutzung und dem jeweiligen Schutzzweck bzw. Erhaltungsziel des Schutzgebietes bestehen: „Aufgrund der Eingriffe in Landschaft und Natur, die mit der Nutzung der Windenergie verbunden sind, entsteht somit regelmäßig ein Konflikt zwischen dem Bau und Betrieb von Windenergieanlagen und den Erfordernissen des Biotopschutzes bzw. -verbundes.“ Deshalb sollen diese Schutzbereiche von Windkraftanlagen freigehalten werden.

Streitthema: Windräder im Wald

Waldflächen, sofern es sich um Laub- und Mischwälder handelt, gelten als Ausschlusskriterium, wegen ihrer Bedeutung für Naturhaushalt, Klima, Wasserhaushalt, Reinhaltung der Luft sowie für das Landschaftsbild und die Erholung der Bevölkerung, nicht zuletzt auch wegen ihres wirtschaftlichen Nutzens. Der 75-m-Abstand braucht hier aber nicht eingehalten werden.

Die Nadelwälder sind für die Windkraftstandorte freigegeben und eingeplant, wie vor allem in der Hohen Mark in Haltern. „Die Inanspruchnahme von festgelegten Waldbereichen ist mit den Zielen und Grundsätzen des Regionalplanes Ruhr vereinbar“ so heißt es. Der Festlegung sei bei der Herleitung der Windenergiebereiche durch die Beschränkung auf Waldflächen, die überwiegend Nadelwald umfassen, sowie durch den konzeptionellen Ausschluss von Laub- und Mischwäldern, Rechnung getragen worden.

Wie ist die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger für die Windkraft?

In der Nachbarstadt Marl, wo bis zu 7 neue Windräder entstehen können, regt sich bereits politischer Widerstand gegen die Windradplanung im Naherholungsgebiet Arenbergischer Forst, dem größten zusammenhängenden Waldgebiet im Marler Westen. Die Städte Herten und Bottrop wehren sich gegen Windkraftstandorte auf ihren Halden neben Kunstwerken. (Auch Erholungsorte im Sauerland wie Bad Berleburg mit bereits vorhandenen 120 Windrädern wehren sich dagegen, zukünftig jedes 8. Windrad von NRW in ihrem Stadtgebiet unterbringen zu sollen). In der Kreisstadt Recklinghausen gibt es schon seit Monaten Widerstand „gegen das Monster-Windrad“ in Essel. Doch Ratsbeschlüsse über Höhe und Größe der Windräder sind nicht zulässig. Abweichungen von den Vorrangzonen im Regionalplan sind nur insoweit zulässig, als die Städte zusätzliche Standorte auch außerhalb der Vorrangzonen in Anspruch nehmen dürfen, wenn sie wollen.

Vor einigen Jahren hatte in Haltern eine Bürgerinitiative „Haltern am Gegenwind“ sogar vor dem Verwaltungsgericht gegen den Halterner Windpark in Lavesum/Sythen geklagt, und im Ortsteil Hullern wurden Unterschriften für eine Petition gegen Windräder gesammelt. Die schwarz-grüne Landesregierung will jedoch Widerstände gegen den Ausbau von Windrädern brechen, indem die die Bürgerinnen und Bürger künftig stärker an den Erlösen beteiligt werden sollen, wie es auch die Stadt Haltern anstrebt. Inzwischen gehören die Windräder in Haltern fast zum gewohnten Stadt -und Landschaftsbild. Im vorigen Jahr 2024 wurden in Deutschland so viele Windräder wie noch nie genehmigt, nämlich 2.400 Anlagen mit einer Gesamtleistung von über 14 Gigawatt, 85% mehr als im Jahr davor.

Über 50% befürworten neue Windkraftanlagen – Spaltung der Gesellschaft?

Um die Akzeptanz von Windkraftanlagen in Deutschland empirisch zu untersuchen, wurde im Rahmen eines Forschungsprojektes in NRW eine bundesweite Personenbefragung durchgeführt. Grundsätzlich besteht eine mehrheitliche Zustimmung zum Ausbau von Windkraftanlagen: 54,7 Prozent befürworten neue Anlagen „eher“ oder voll und ganz“; 22,2 Prozent lehnen diese ab; 23,2 Prozent „teils/teils“.
Der Blick auf die Parteianhängerschaften zeigt jedoch eine starke Polarisierung: Während 86,8 Prozent der Grünen-Anhänger den Ausbau der Windkraft befürworten, liegt dieser Anteil bei der AfD bei nur 22,8 Prozent (Weidel: „Windmühlen der Schande niederreißen“); BSW: 38,5 Prozent.

Die Zustimmungsraten stehen dabei in einem starken Zusammenhang mit der grundsätzlichen Zustimmung zur Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft. Doch an vielen Orten ist ein regelrechter „Kulturkampf“ pro und kontra Windräder in der Nachbarschaft entbrannt, der die Gesellschaft polarisiert und das Land spaltet, insbesondere wegen der massiven Eingriffe in die Landschaft, wie die Otto-Brenner-Stiftung in einer Studie untersucht hat. So geraten auch die Umweltschützer in einen Zwiespalt.

Dramatischer Klimawandel erfordert nachhaltige Energielösungen

Anfang Februar 2023 machte Bundeskanzler Olaf Scholz den Ausbau der Windenergie zur Chefsache. Um die Klimaziele der Ampelkoalition zu erreichen, forderte er, dass bis 2030 im Schnitt vier bis fünf Land-Windräder pro Tag in Deutschland gebaut werden sollen. Gründe, diese nachhaltige Energielösung voranzutreiben, gibt es zur Genüge. Die dramatischen Folgen des Klimawandels sind schon heute weltweit spürbar, auch Deutschland wird von ungewöhnlicher Hitze und Trockenheit heimgesucht und leidet unter den Folgen von Wetterkatastrophen.

Das Bundesverfassungsgericht bestätigte 2021 höchstrichterlich, dass die gesetzlichen Vorgaben und Maßnahmen zur Emissionsminderung nicht ausreichen, um die Rechte und Interessen künftiger Generationen zu schützen. Und spätestens seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine wird auch geopolitisch die Bedeutung der Windkraft für die Energiesouveränität Europas – und eine Unabhängigkeit von russischen Gaslieferungen – von allen maßgeblichen politischen Akteuren anerkannt.

Gesetzesänderungen zur Beschleunigung des Windkraftausbaus

Der Regionalverband Ruhr verweist in seiner Regionalplan- Änderung für die Windkraft auf die geänderten gesetzlichen Vorgaben mit verbindlichen Zielen: Zur Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien, insbesondere der Windkraft, ist am 20. Juli 2022 das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land (Wind-an-Land-Gesetz (WaLG)) in Kraft getreten. In diesem Zusammenhang wurde das Windenergieflächenbedarfs- Gesetz (WindBG) eingeführt, das durch weitere Anpassungen im Planungsrecht flankiert wurde. Das WindBG verfolgt das Ziel, 2 % der Bundesfläche für die Windenergie auszuweisen und weist den Bundesländern dafür verbindliche Flächenziele (sogenannte Flächenbeitragswerte) zu.

Das Land NRW muss deshalb bis 2027 somit 1,1 % und bis 2032 sogar 1,8 % der Landesfläche für die Windenergie ausweisen. Die Umsetzung dieser Vorgaben erfolgt in NRW durch die zweite Änderung des Landesentwicklungsplans (LEP) NRW. Für die Planungsregion des Regionalverbands Ruhr (RVR) ist darin ein Teilflächenziel von 2.036 ha vorgegeben. Ein Verfehlen dieses Teilflächenziels hätte einen ungesteuerten Ausbau der Windenergie zur Folge. Zielsetzung des Landes NRW ist es, die landesweiten Flächenbeitragswerte bis 2025 zu erreichen und in den Regionalplänen als Windenergiebereiche festzulegen.

Laufendes Beteiligungsverfahren ermöglicht Stellungnahmen

Im Rahmen des so genannten Gegenstrom-Prinzips wurden im März und April vorigen Jahres insgesamt zehn „informelle Kommunal-bzw. Kreisgespräche“ geführt, in denen den Stadtvertretern das zum damaligen Zeitpunkt aktuelle Plankonzept und die Suchraumkulisse vorgestellt wurde. Sie konnten später dazu Stellung nehmen. Die meisten Einwände aus betroffenen Kommunen wurden vom Regionalverband bereits zurückgewiesen wegen des absoluten Vorrangs der Windkraft vor fast allen anderen Belangen und sie blieben unberücksichtigt.

Nunmehr können auch die Bürgerinnen und Bürger, aber auch nochmals die betroffenen Städte und Institutionen Stellung nehmen im Rahmen der 6-Wochen-Frist. Seit 20. Januar läuft dazu bereits das 6-wöchige Beteiligungsverfahren auch für die Bürgerschaft. Ob es wie im Regierungsbezirk Arnsberg 4.500 Einwendungen gibt, bliebt abzuwarten. Auf Umfang und Inhalt der Einwendungen sind viele in der Stadt gespannt. Wesentliche Änderungen des Planes werden sie nicht bewirken können; die gesetzlichen Vorgaben mit dem Vorrang der Windkraft sind bei der Planung unumstößlich, so dass eine Fortsetzung des "Kulturkampfes" um die Energiepolitik absehbar ist...

Wilhelm Neurohr, 07. Februar 2025