Wilhelm Neurohr

01. September 2024 - Antikriegstag / 21. September Weltfriedenstag:

„Ein ungerechter Frieden ist besser als der gerechteste Krieg“

Mit diesen Worten mahnte schon Cicero im alten Rom unablässig zum Frieden. „Lieber 100 Stunden umsonst verhandeln als eine Minute schießen“, so drückte es später der verstorbene Staatsmann Helmut Schmidt (SPD) aus, der sich in 2009 zusammen mit Egon Bahr (SPD), Richard von Weizsäcker (CDU) und Hans-Dietrich Genscher (FDP) parteiübergreifend auch für eine atomwaffenfreie Welt einsetzte. Heute unterstützt die Ampelregierung unter der SPD die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen mit großer Reichweite und Eignung für atomare Sprengköpfe, ohne Gespür für die Ängste und Friedenssehnsucht der Bevölkerung. "Die SPD hat ihren friedenspolitischen Kredit verspielt" schreibt die taz.

Die heutige Generation unserer Parteipolitiker wünscht sich in Anbetracht des Ukraine-Krieges statt diplomatischer Verhandlungen hingegen eine „atomare Teilhabe“ oder eine „eigene EU-Atombombe“ (Katarina Barley, SPD) und treibt die Aufrüstung und Waffenproduktion und -lieferung sowie die Militarisierung unter Beifall der Medien voran, auch gegen den erkennbaren Willen einer kriegsmüden Bevölkerungsmehrheit und protestierender Bürgermeister gegen Atomwaffen. Dagegen fordert der DGB zum Antikriegstag am 01. September 2024, auch "Weltfriedenstag" genannt: „Friedensgebot mit Leben füllen, kriegerische Gewaltspirale durchbrechen, denn Frieden kann nicht mit immer mehr Waffen erreicht werden.“

Diese Binsenweisheit ist unserer Politikergeneration offensichtlich abhanden gekommen, obwohl sie von Albert Einstein lernen könnten: „Ein kluger Kopf passt unter keinen Stahlhelm“. Stattdessen heißt es: „Die Ukraine muss die Russen besiegen und die Israelis muss die Hamas vollständig vernichten“. Doch „Sieger ist nicht, wer Schlachten in einem Krieg gewinnt, sondern wer Frieden stiftet“, sagte der russische Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow. „Denn an den Frieden denken, heißt an die Kinder denken“.

Von denen sind in der Ukraine, in Russland und im Gaza sowie an 300 weiteren bewaffneten Konfliktherden weltweit allzu viele getötet, verkrüppelt oder zu Waisen gemacht worden. Welches Leid vor allem Kinder in Hiroshima und Nagasaki nach dem Atombombenabwurf der Amerikaner erlitten, derer wir erst vor wenigen Tagen, am 6. und 9. August gedachten, möge sich diese grausamen Bilder hier anschauen, wenn er starke Nerven hat, denn die Überlebenden haben die Toten beneidet: https://www.infosperber.ch/politik/taktische-atombomben-und-ihre-grausamen-folgen/

Große Friedensdemo am 03. Oktober in Berlin

Die Friedensbewegung ruft am 03. Oktober 2024 zu einer großen Demonstration in Berlin auf unter dem Motto: „Nie wieder Krieg! Die Waffen nieder! Nein zu Krieg und Hochrüstung! Ja zu Frieden und internationaler Solidarität.“ Denn angesichts der immer bedrohlicheren Kriegssituation und der immer weiter forcierte Aufrüstung und Ausweitung der Kriege muss die Friedensbewegung ein deutliches Zeichen gegen den militärischen Wahnsinn setzen. Näheres zum 3. Oktober hier unter: https://nie-wieder-krieg.org/2024/08/17/rundbrief-nr-2/
Am 31. August findet in Berlin auch eine internationale Konferenz mit internationalen Gästen, Wissenschaftlerinnen und Politikern aus der Ukraine, Russland, China, Brasilien, Südafrika, Indien und vielen europäischen Ländern statt unter dem Motto: 'Diplomatie jetzt!' (Näheres unter: http://wilhelm-neurohr.de/aktuelles/31-august-2024-diplomatie-jetzt-internationale-konferenz/ )

„Keines der globalen Probleme, denen wir gegenüberstehen, kann durch Krieg geklärt werden. In einer modernen Welt muss Krieg verboten werden.“ (Gorbatschow). Schon John F. Kennedy wusste: „Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen, oder der Krieg setzt der Menschheit ein Ende.“ Denn unser Zeitalter kann sich den Krieg nicht mehr leisten, ohne sich selber auszutilgen. „Die Idee des Friedens ist unsterblich“ (Heinrich Mann in „Der lebende Tote“). Schon Albert Einstein rief deshalb dazu auf: „Seien wir einfach für den Frieden. Diffamieren wir alle Regierungen, die den Krieg nicht diffamieren.“ Der Liedermacher Konstantin Wecker brachte es auf den Punkt: „Eine Gesellschaft, die Waffengewalt als selbstverständlich zur Erlangung des Friedens akzeptiert, ist dringend therapiebedürftig.“

Die Idee von Krieg oder Frieden entsteht in den Köpfen

An dem für die „Kriegstüchtigkeit“ werbenden Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius gehen all diese Mahnungen und Erkenntnisse offenbar völlig vorbei, ebenso wie bei den übrigen Bellezisten in den einstigen Friedensparteien SPD und bei den Grünen, die sich ungeniert auf Willy Brandt oder Petra Kelly berufen. Sie sollten die Präambel der UNESCO-Verfassung beherzigen: „Da Krieg im Geist der Menschen entsteht, müssen auch die Bollwerke des Friedens im Geist der Menschen errichtet werden.“ Doch nicht zuletzt unsere Medien hämmern den Menschen täglich die Kriegsrhetorik in die Köpfe und diffamieren den Pazifismus, der aus den Talkshows verbannt wurde. Vorbei die Zeiten, wo der frühere pazifistisch gesinnte Bundespolitiker Gustav Heinemann - der 1950 als Bundesinnenminister unter Adenauer wegen der Wiederbewaffnung zurücktrat und später Bundespräsident wurde - sagen konnte: "Jede Bundeswehr muss grundsätzlich bereit sein, sich um einer besseren politischen Lösung willen in Frage stellen zu lassen."

„Wenn es die Stimme des Pazifismus nicht mehr gibt, wird auch die Idee verschwinden. Denn sicher ist: Wir werden künftig entweder eine Menschheit haben, die ohne Krieg auskommt, oder sogar keine Menschheit mehr“ (Konstantin Wecker). „Der Pazifismus, der die Rüstungen der Staaten nicht bekämpft, bleibt ohnmächtig. Die Rüstungsindustrie ist eine der größten Gefährdungen der Menschheit“, das wusste schon Albert Einstein. Doch die Rüstungsindustrie hat Hochkonjunktur und bestimmt derzeit die politische Agenda (zu Lasten des Sozialetats), bei der es nicht mehr nur um Abschreckung geht, sondern um größtmöglichen Waffeneinsatz.

„Die Waffenschmieden bringen nichts als großes Leid“

Deutsche Panzer rollen sogar wieder in Russland bei der Schlacht in Kursk. „Wir sind im Krieg gegen Russland. (…) Russland soll volkswirtschaftlich jahrelang nicht mehr auf die Beine kommen“, so äußerte sich bei Kriegsbeginn die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Dabei geht es den deutschen Konzernen um die eigenen Wirtschaftsinteressen wegen der Rohstoffvorkommen wie Lithium im Donbass. "Die Regierungen sind von den Interessen der Kriegsmaschinerie viel zu abhängig, als dass von ihnen in nächster Zeit ein entscheidender Schritt zur Beseitigung der Kriegsgefahr erwartet werden dürfte" (Albert Einstein).

"Wann ist denn endlich Frieden in dieser irren Zeit. Die großen Waffenschmieden bringen nichts als großes Leid“, so textete der Liedermacher Wolf Biermann. „Dauernder Frieden kann nicht durch Drohungen, sondern nur durch den ehrlichen Versuch vorbereitet werden, gegenseitiges Vertrauen voranzustellen“ (Albert Einstein). Zur Frage der Abrüstung äußerte er sich wie folgt: „Ob wir den Weg des Friedens finden oder den bisherigen, unserer Zivilisation unwürdigen Weg der brutalen Gewalt weitergehen, ist in unsere Hand gegeben. Unser Schicksal wird so sein, wie wir es verdienen.“ Willy Brandt formulierte es so: „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.“ Und Mahadma Gandhi verdeutlichte. „Gewalt ist die Waffe des Schwachen, Gewaltlosigkeit die des Starken.“

Symptome einer Geisteskrankheit bei den Waffennarren?

Der deutsche Psychoanalytiker und Philosoph Erich Fromm erstellte folgende Diagnose: „Was für Realisten, die mit Waffen spielen, welche zur Zerstörung fast der ganzen modernen Zivilisation, wenn nicht sogar der Erde selbst führen können! Wenn ein einzelner sowas täte, würde er sofort hinter Schloss und Riegel gesetzt, und wenn er noch so stolz wäre auf seine Realisierung, dann würden die Psychiater dies als ein weiteres und ziemlich ernstes Symptom von geistiger Erkrankung ansehen.“

Frieden schaffen mit immer mehr Waffen? Waffen führen zu Frieden? „Krieg bekämpft man mit Krieg, Bomben mit Bomben, Drohnen mit Drohnen, Gewalt mit Gewalt – und Terror mit Terror?“ Es erklingt der hasserfüllte Ruf nach Rache und Vergeltung und es entstehen immer neue Feindbilder. Das sind die Symptome dieser Geisteskrankheit. Diese Erkrankung breitet sich gerade immer weiter aus in Politik und Gesellschaft. „Es vollzieht sich in unserem Land eine Militarisierung der Gesellschaft. (…) Die Menschen sollen den dritten Weltkrieg als eine Möglichkeit annehmen“. (Theologin Dorothee Sölle 1981).

Wilhelm Neurohr, 18. August 2024

>Siehe auch frühere Artikel des Autors im Lokalkompass zu Fragen von Krieg und Frieden:

https://www.lokalkompass.de/haltern/c-politik/auf-dem-weg-in-eine-neue-barbarei-oder-renaissance-unserer-humanistischen-tradition_a1956611

https://www.lokalkompass.de/essen/c-politik/der-mensch-ist-gut-kampf-gegen-krieg-und-fuer-die-menschheit_a1921372

https://www.lokalkompass.de/haltern/c-politik/friedensfaehigkeit-statt-kriegstuechtigkeit-wiederbelebung-des-verdraengten-pazifistischen-denkens_a1937753

https://www.lokalkompass.de/haltern/c-politik/die-zivilgesellschaft-kann-zum-nachhaltigen-frieden-beitragen_a1741393

https://www.lokalkompass.de/herten/c-reisen-entdecken/dgb-aufruf-statt-konfrontation-sind-entspannungspolitik-und-kooperation-mit-russland-das-gebot-der-stunde_a1687438

https://www.lokalkompass.de/duesseldorf/c-politik/michail-gorbatschow-+-kommt-endlich-zur-vernunft-nie-wieder-krieg_a1831315

https://www.lokalkompass.de/haltern/c-fotografie/was-wir-von-der-friedensbewegung-des-vorigen-jahrhunderts-lernen-koennen_a1904159

https://www.lokalkompass.de/haltern/c-politik/sicherheit-neu-denken-impulse-fuer-eine-neue-friedenspolitische-sicherheitsarchitektur-in-europa_a173149

https://www.lokalkompass.de/duesseldorf/c-politik/abstimmungen-ueber-kriegseinsaetze-und-waffenhandel-profitieren-unsere-politiker-von-ruestungs-aktien_a1940008

https://www.lokalkompass.de/haltern/c-politik/krieg-militaer-und-aufruestung-als-groesster-klimakiller_a1703302