Wilhelm Neurohr

Leserbrief zum Artikel und Kommentar vom 27.06. 2018 über die unterschiedliche Lehrerbezahlung (Angestellte/Beamte)

„GEHALTSUNTERSCHIEDE BETREFFEN NICHT NUR ANGESTELLTE LEHRER“

Für den öffentlichen Aufschrei der 40.000 angestellten Lehrerinnen und Lehrer in NRW, dass sie gegenüber den 160.000 verbeamteten Kolleginnen und Kollegen zwischen 500 bis 1000 € netto im Monat weniger verdienen, hätte es keiner groß angelegten wissenschaftlichen Studie bedurft. Ein bloßer Blick in die Besoldungs- und Gehaltstabellen des öffentlichen Dienstes offenbart, dass systembedingt für die gleiche Arbeit und Qualifikation ein ungleicher Lohn auch für alle anderen Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes in noch viel stärkerem Ausmaß gezahlt wird.

Von den über 4 Mio. Beschäftigten bei Bund, Ländern und Kommunen sind 1,8 Mio. Beamte und 2,8 Mio. Angestellte, Letztere also in der Mehrzahl. Und überall in den Behörden, Amtsstuben und öffentlichen Einrichtungen sitzen sich – oft im gleichen Büro und am gegenüberliegenden Schreibtisch –Beamte und Angestellte mit gleicher Ausbildung, und Tätigkeit sowie gleicher Verantwortung gegenüber, aber mit Netto-Gehaltsunterschieden von etlichen Hundert Euro. Das betrifft Hunderttausende Ingenieure und Wissenschaftler ebenso wie Juristen und Betriebswirte, Sozialpädagogen, Psychologen oder Ärzte im öffentlichen Gesundheitswesen, aber auch die Verwaltungsberufe selber usw. Deshalb kann es kein Sonderrecht nur für Lehrer geben, sondern eine Problemlösung für alle.

Oft will es der Zufall oder das Eintrittsalter sowie der Stellenplan, ob jemand im Angestelltenverhältnis eingestellt wird oder ins Beamtenverhältnis übernommen wird. Stets damit verbunden sind die eklatanten Bezahlungsunterschiede. Diese haben ihre Ursachen darin, dass zwar die Bruttogehälter in etwa gleich hoch sind, aber die privilegierten Beamten keine Sozialversicherungs- und Pensionskassenbeiträge zahlen brauchen und nur geringfügige Krankenkassenbeiträge wegen ihrer Beihilfe-Berechtigung.

Wer also die angestellten Lehrer genauso bezahlen will wie die Lehrer im Beamtenverhältnis, der muss ebenso auch allen anderen Angestellten aller Berufsgruppen im öffentlichen Dienst gegenüber ihren verbeamteten Kollegen eine gerechtere Bezahlung zugestehen, denn es gibt nicht nur Lehrermangel, sondern auch Fachkräftemangel in den meisten Berufen des öffentlichen Dienstes. Eine Gehaltsanpassung im gesamten öffentlichen Dienst wäre wohl nicht finanzierbar, so würde wahrscheinlich der Finanzminister abwehren.

Deshalb wäre als Problemlösung stattdessen eine Reform des öffentlichen Dienstrechtes dringend geboten: Beamte nur noch in den eng begrenzten hoheitlichen Bereichen, wie auch in fast allen anderen EU-Ländern üblich, sowie ihre finanzielle Beteiligung an den Pensionslasten mitsamt Angleichung an die geringere Rentenhöhe der Angestellten. Zugleich Aufstockung der Angestelltengehälter im öffentlichen Dienst, die immer noch hinter der Privatwirtschaft hinterherhinken, sowie Anhebung des Rentenniveaus von 48% auf europäisches Durchschnittsniveau von ca. 70%; das entspräche dann in etwa der Beamtenpension. Lässt man alles so ungerecht wir bisher, dann verletzten wir weiterhin den Verfassungsgrundsatz und das Sozialstaatsgebot des gleichen Lohnes für gleiche Arbeit, und das ausgerechnet im öffentlichen Staatsdienst.

Wilhelm Neurohr, Juni 2018