Die Schande Europas –
Der völkerrechtswidrige Kosovo-Krieg vor 20 Jahren und andere Schandtaten nach den zwei Weltkriegen
„Friedensprojekt Europa“: Selten wird so oft an das Verdienst der EU für den 70-jährigen Frieden auf dem europäischen Kontinent erinnert, wie aktuell vor der Europawahl 2019. Doch der „Kontinent des Friedens und der Menschenrechte“, der 2012 sogar den Friedensnobelpreis für die EU verliehen bekam, hat mit seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf ein souveränes europäisches Land vor genau 20 Jahren Schande und Schuld auf sich geladen. Allen voran die damalige rot-grüne deutsche Regierung, die den ersten (völkerrechts- und grundgesetzwidrigen) Kriegseinsatz der Bundeswehr nach dem zweiten Weltkrieg zu verantworten hat und damals mit mehreren Propaganda-Lügen legitimierte und anheizte. In den Medien wurde der 20. Jahrestag des innereuropäischen Nato-Krieges mit seinen Schandtaten und „Kollateralschäden“, denen einige tausend unschuldige Zivilisten zum Opfer fielen, weitgehend verschämt totgeschwiegen, denn diese Schandtaten werden bis heute fortgeführt.
Die damaligen völkerrechtswidrigen Luftangriffe der Nato (mitsamt 14 deutschen Tornados) ohne UN-Mandat auf die Bundesrepublik Jugoslawien, speziell auf Serbien und Montenegro – die als heutige Westbalkanstaaten EU-Beitrittskandidaten bis 2025 sind - veränderten als Präzedenzfall die gesamte bisherige Nachkriegspolitik, mit spürbaren Auswirkungen bis heute auf die gesamte Weltpolitik. Damals nahm die Nato ein angebliches Massaker an albanischen Zivilisten in dem kosovarischen Dorf Racak zum vordergründigen Anlass für den so genannten „Kosovo-Krieg“. In Wirklichkeit erwies sich das Massaker als „Fake News“, (ebenso wie beim späteren Irak-Krieg die angebliche Existenz von chemischen Waffen von Saddam Hussein), wie Andrej Ivanji´ in der taz vom 23. März schreibt.
Hinzu kam nach seiner Recherche die später entlarvte glatte Lüge des damaligen Verteidigungsministers Rudolf Scharping(SPD), der eine marode Brücker über der Donau deshalb zum „legitimen Kriegsziel“ erklärte, weil es einen angeblichen „serbischen Hufeisenplan“ zur Vertreibung der Albaner aus dem Kosovo durch ethnische Säuberung geben würde. Zwar traf es zu, dass serbische Streitkräfte und paramilitärische Einheiten die Albaner systematisch aus dem Kosovo vertrieben hatten, aber das erfolgte erst nach den ersten Nato-Bomben, quasi als Reaktion darauf.
Auch gab es keine angeblichen „Konzentrationslager“ im Kosovo, wie vom damaligen grünen deutschen Außenminister Joschka Fischer als bloße Propaganda behauptet, mit dem Ausspruch „Nie wieder Auschwitz“. Damit instrumentalisierte er den Holocaust zur Legitimierung des Jugoslawienkrieges durch die Nato und Deutschland, bei dem durch das „friedliche“ Bombardement Tausende unschuldige Zivilisten ums Leben kamen.
Denn die nachlassende Begeisterung der deutschen Bevölkerung und der grünen Anhänger für den Kriegseinsatz in Jugoslawien veranlasste zu allerlei Propagandatricks z.B. auch des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) im Rahmen einer Fernsehansprache. Dort leugnete er die Kriegsführung, sondern bezeichnete den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg als Verpflichtung, „eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen“. (Jahrzehnte später im Ruhestand als Kanzler a.D. gab er in der Presse offen zu, dass es sich damals um einen völkerrechtswidrigen Krieg gehandelt habe.)
War die Einmischung des westlichen Militärbündnisses in Jugoslawien aus humanitären Gründen geboten oder gab es auch andere Motive? Hätte man dann nicht auch London wegen Nordirland bombardieren müssen oder Jerusalem wegen Palästina, fragt der taz-Autor Andrej Ivanji provokativ anlässlich des rückblickenden Gedenkens an den Kosovo-Krieg vor 20 Jahren. Noch heute ist die pro-russische Haltung der Serben ein Ärgernis in den Interessenlagen der EU und der Nato.
Die innerstaatlichen bewaffnete Konflikte in Jugoslawien vor Kriegsbeginn
Vorausgegangen war während der 1990er Jahre im Kosovo eine Verschärfung der Gegensätze zwischen der albanischen Bevölkerungsmehrheit und der serbischen Minderheit. Dabei kam es ab etwa 1996 zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Befreiungsarmee des Kosovo (UCK) und den Ordnungskräften der Bundesrepublik Jugoslawien. Dieser Konflikt mündete schließlich 1998/1999 in den zunächst innerstaatlichen Kosovokrieg, der aufgrund der Unterstützung der Kosovo-Albaner durch die NATO und der Weigerung der jugoslawischen Regierung, NATO-Truppen auf eigenem Boden zu akzeptieren, ab dem 24. März 1999 zu NATO-Angriffen auf Jugoslawien und letztlich zu einem von den Vereinten Nationen verwalteten, aber weiterhin formell zu Jugoslawien gehörigen Kosovo führte.
Die umstrittene voreilige Anerkennung Kroatiens als Kriegsauslöser?
Vorausgegangen war Jahre zuvor ein diplomatischer Akt durch die Bundesrepublik Deutschland, der hinsichtlich des Konflikt- und Kriegsverlaufes unterschiedlich bewertet wird: Nachdem die deutsche Bundesregierung, vertreten durch Außenminister Genscher (FDP), am 6. Januar 1992 Kroatien als unabhängigen Staat „Republik Kroatien“ diplomatisch anerkannte, wurde Genscher in Serbien zur Hassfigur, wie die taz schrieb:
„Die Furcht war in der Tat groß. Man hätte Jahre zuvor mithilfe der EG einen sicheren Status für die Serben in Kroatien finden können. Doch nach Beginn des Krieges und nach der Unabhängigkeitserklärung Kroatiens und Sloweniens am 25. Juni 1991 war an eine diplomatische Lösung nicht mehr zu denken. Die serbische Seite hielt sich an keinen der über 20 vermittelten Waffenstillstände, schlug alle Offerten zum Schutz der serbischen Minderheiten aus.
Ihre Truppen eroberten stattdessen ein Drittel des Territoriums der Republik Kroatien unter dem Vorwand, die serbische Minderheit schützen zu wollen. Alle Nichtserben wurden von dort vertrieben. Der Beschuss des historischen Stadtkerns von Dubrovnik und die Eroberung der Stadt Vukovar empörten die Welt. Die Morde im dortigen Krankenhaus waren schändlichste Kriegsverbrechen.
Als wegen der ethnischen Vertreibungen in Kroatien im Herbst 1991 Hunderttausende nach Österreich und Deutschland flohen, begannen beide Länder mit einer diplomatischen Offensive. Während Großbritannien und Frankreich offene Sympathien für die Politik des serbischen Präsidenten Milošević zeigten, betonte Hans-Dietrich Genscher das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Trotz der Gegensätze gelang es, eine gemeinsame Position in der EG zu finden. Außer Griechenland erkannten alle Staaten Slowenien und Kroatien an.
Genschers Rolle in diesem Konflikt wird sicherlich sowohl auf kroatischer als auch auf serbischer Seite übertrieben. Eine schnellere Reaktion des Westens hätte viel verhindern können. Wenn bis heute allerdings serbische Politiker behaupten, die Anerkennung Kroatiens hätte den Krieg in Jugoslawien ausgelöst, muss man die Frage stellen: Wann war der Beginn des Kriegs, wann die Anerkennung Kroatiens? Genscher jedenfalls hat Jugoslawien nicht zerstört“.
Die Kriegsverbrechen der bosnischen Serben
Unbestritten hat das Regime Milosevic die serbischen Einheiten in Kroatien, Bosnien und Herzegowina unterstützt und Repressionen gegen die Albaner im Kosovo gerichtet. Vor allem ist der vormals kommunistische Präsident der Teilrepublik Serbien und dann als sozialistische Präsident Jugoslawiens, für die serbischen Kriegsverbrechen in Vukovar, Sarajewo und Sebrenica verantwortlich. Er wurde deshalb vor dem Kriegsverbrechertribunal in den Haag wegen Völkermordes angeklagt, starb aber vor der Urteilsverkündung.
Auch der verantwortliche Oberkommandeur der bosnischen Serben, Ex-General Ratko Mladic wurde rund 22 Jahre nach dem Völkermord von Srebrenica durch das UN-Kriegsverbrechertribunal gestellt und hier in 2017 zu lebenslanger Haft verurteilt, und zwar für die Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den Völkermord in Srebrenica 1995, wo bosnisch-serbische Truppen etwa 8000 bosnisch-muslimische Jungen und Männer ermordet hatten. Es war das schlimmste Kriegsverbrechen nach 1945 in Europa. Mladic war danach als "Schlächter vom Balkan" bezeichnet worden. Während des Krieges gab es etwa 100 000 Todesopfern und über zwei Millionen Vertriebene. Im März 2019 wurde in zweiter Instanz auch der bosnische Serbenführer Karadzic wegen Kriegsverbrechen in den 1990-er Jahren zu lebenslanger Haft verurteilt. Diese schändlichen Kriegsverbrechen konnten durch den westlichen Militäreinsatz in Jugoslawien nicht verhindert werden.
Der Kosovokrieg als Türöffner für veränderte europäische Militärpolitik?
Nach dem Kosovo-Krieg legitimierte und unterstützte die deutsche Politik anschließend zahlreiche Kriegseinsätze im außereuropäischen Ausland („Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt“) und verlagerte damit lediglich die Kriegsschauplätze auf andere Kontinente - flankiert von lukrativen deutschen und europäischen Waffenlieferungen in Kriegs-und Krisengebiete, aus denen notleidende Menschen auch deshalb nach Europa flüchten. Sieht so die politisch propagierter „Beseitigung von Fluchtursachen“ aus?
Den dadurch oft ausgelösten Flüchtlingsbewegungen durch die Überlebenden, Bedrohten oder Vertriebenen begegnet dieser Kontinent wiederum mit der aktuellen Schande der europäischen Asyl- und Flüchtlingspolitik, deren massive Menschenrechtsverletzungen sowohl vom Europarat als auch von der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR und den zivilgesellschaftlichen Menschenrechts-Organisationen beklagt werden.
Es fehlt bislang an einer europaweiten Gewährleistung der Menschenrechte und der Schutzansprüche, die sich aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention ergeben. Stattdessen menschenunwürdige Lager in Griechenland, Italien und Osteuropa, Ankerzentren als Abschiebelager in Deutschland, nationale Grenzkontrollen, Deals mit Diktatorischen Regimes in Nordafrika, Behinderung und Einstellung der Flüchtlingsrettung auf dem Mittelmeer., wo insgesamt über 30.000 Tote zu beklagen sind – eine erbärmliche Bilanz europäischer Menschenrechtspolitik.
Diese geht einher mit sozialer Kälte nicht nur gegenüber den Armuts- und Krisenländern, sondern auch gegenüber der eigenen Bevölkerung. Im reichen Deutschland ist jede sechste Person armutsgefährdet; ohne die Wirkung von Sozialleistungen wäre es sogar jede vierte Person, stellt eine Anfang 2019 veröffentlichte Bertelsmann-Studie fest. Jedes 5. Kind lebt in Armutshaushalten, das sind fast 2 Millionen Kinde in Deutschland. In den Großstädten des Ruhrgebietes leben bis zu 25% der Haushalte von Sozialhilfe. Während die Konzepte zur Verbesserung der Situation der Armutsrentner mit Kosten von nur 5 Mrd. € als nicht bezahlbar verworfen werden, soll der Verteidigungshaushalt als zweitgrößter Etatposten im Bundeshaushalt von 43 Mrd. € in 2019 auf 60 bis 80 Mrd. € in zehn Jahren ansteigen, geht es nach dem Willen der Verteidigungsministerin und nach den Forderungen der NATO. Zugleich bejubelte die Rüstungslobby, allen voran Rheinmetall, im März 2019 höhere Gewinnsteigerungen als je zuvor und der deutsche Rüstungshaushalt steigt in schwindelerregende Höhen, während die Sozialhaushalte Not leiden und die zivile Infrastruktur verkommt.
Statt Abrüstungs- und Friedenspolitik allenthalben kalte Kriegspropaganda mit NATO-Ausweitung gen Russland und eine nie dagewesene Aufrüstungsspirale ohne Ende mitsamt atomarer „Abschreckung“. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hat im März 2019 die Bundesregierung sogar dazu verurteilt, künftig aktiv nachzuforschen, ob Drohneneinsätze der USA im Jemen unter Nutzung des amerikanischen Militärstützpunkts im pfälzischen Ramstein gegen Völkerrecht verstoßen – damit wäre Deutschland als Beteiligter wegen der vielen zivilen Opfer quasi mitverantwortlich für eventuelle Kriegsverbrechen.
Bis heute hat zudem die Bundesregierung einen gültigen Bundestagsbeschluss von 2010 ignoriert, der den Abzug der US-Atomwaffen aus Büchel in der Pfalz vorsieht, die stattdessen modernisiert wurden und über deutsche Tornado-Flugzeuge transportierbar wären. Die Option auf einen Atombewaffnung wollte sich die Bundesregierung nicht nehmen lassen, indem sie ihre Unterschrift unter den UN-Atomwaffenverbotsvertrag 2017 verweigerte, anders als die 122 unterzeichnenden Staaten. Laut Meinungsumfragen in Deutschland sind 93% der Bevölkerung für ein Atomwaffenverbot und 76% für eine Beteiligung an den UNO-Verhandlungen, in anderen Ländern sind zwischen 77% bis 84% der Menschen ebenfalls gegen atomare Bewaffnung. Doch der demokratische Wille des Volkes als Souverän steht den Planspielen der Militärstrategen und (der von ihnen abhängigen?) Regierungs- und Parlamentsvertretern entgegen, die sich darüber hinwegsetzen.
Wilhelm Neurohr (März 2019)